Presseschau

Literaturfestival Berlin, Hadayatullah Hübsch

7. September 2007
von Börsenblatt
"In seinem keineswegs verflixten siebten Jahr gibt sich das Internationale Literaturfestival Berlin staatstragend" - Tilman Krause zieht in der "WELT" eine erste Zwischenbilanz. Ebenfalls Thema: ein Bericht des 1969 zum Islam übergetretenen Schriftstellers Hadayatullah Hübsch.
"Die zwei Gesichter der Achtzigerjahre" - Tilman Krause schreibt in der "WELT": Alles so schön feierlich hier. In seinem keineswegs verflixten siebten Jahr gibt sich das Internationale Literaturfestival Berlin staatstragend. Barsche Menschen weisen ab oder lassen gnädig ein und zeigen unmissverständlich, wo es lang geht. Wehe, einer kommt fünf Minuten zu spät! Da kann er aber eine Demonstration der Machtausübung des neuen Sozialtypus' namens Türsteher erleben. Derselbe absolviert offenbar einen Kursus in "Körpersprache wie bei Breker", bevor er sein hohes Amt antritt.Nachdem das Bußritual einer 45-minutigen Erinnerung an den Holocaust vorüber war, mit dem der israelische Schriftsteller David Grossman den literarischen Reigen am Dienstag eröffnete, läuft das Geschehen jetzt atmosphärisch ähnlich ernst und gemessen weiter. Seit der prima lectio durch Aharon Appelfeld, der in seinem jüngsten Roman "Elternland" Polen als einen umgepflügten Friedhof präsentiert, befinden wir uns beim Festival auf der Suche nach der verlorenen Zeit.Das kann auch amüsante Aspekte haben. Aber vor lauter Ehrfurcht, in schwarz ausgeschlagenen Räumen andächtig lauschen zu dürfen, wird selbst beim Vortrag der charismatischen Urberlinerin Katja Lange-Müller, die aus ihrem buchpreisverdächtigen Buch "Böse Schafe" mit sicherem Instinkt die komischen Szenen liest, kein Lachen laut. Bei Lange-Müller handelt es sich um eines der großen humoristischen Talente unserer Tage, und wenn sie das alte West-Berlin von 1987 heraufbeschwört, sollte eigentlich kein Auge trocken bleiben. Hier schon. Hier ist ein überwiegend junges Publikum im voll besetzten Saal so eingeschüchtert, dass Affektkontrolle die Oberhand behält. Der Generation Praktikum wird von Lange-Müller allerdings auch einiges zugemutet. Von einer versunkenen Welt ist da in "Böse Schafe" die Rede, in der die Menschen abends in die Kneipen gehen und morgens wieder herauskommen. Selten so geschwoft. West-Berlin zu Mauerzeiten, das war ein Paradies für Schnorrer und Schöngeister, das Strenge nur in einem Punkte walten ließ: Soziales Scheitern war untersagt. Kam auch nicht vor. Immer fand sich irgendwo eine helfende Hand. Einer, der partout seinen Untergang wollte, musste sich schon entleiben. Und auch das gestaltete sich schwierig, weil eben immer jemand da war, der einem rechtzeitig in die Arme fallen konnte. Wie fremd muss das auf eine Jugend wirken, die sich schon für simple Türsteher-Jobs verpanzert, als handle es sich um Katastrophenschutz der Sicherheitsstufe eins.Da mochte sie sich denn bei Michael Kleeberg besser aufgehoben fühlen. Der las aus seinem "Karlmann", der augenblicklich die Kritik erobert und in seiner überlegenen, gebildeten Form von Zeitkritik literarisches Zeugnis davon ablegt, dass das Erbe Thomas Manns und Robert Musils gegenwärtig gut verwaltet wird. "Der wahre Dschihad ist der gegen sich selbst" - Hadayatullah Hübsch schreibt in der "Berliner Zeitung": Als ich 1969 zum Islam konvertierte, wurde ich für verrückt gehalten. "Der ist jetzt bei Science Fiction" war noch eine der harmlosen Äußerungen aus der Szene der 68er, mit denen meine Abkehr von der Lebenseinstellung "High sein, frei sein, ein bisschen Terror muss dabei sein" kommentiert wurde. Aber natürlich habe ich damals versucht, die Welt um mich herum zu missionieren. Glaubenseifer und Überzeugungsdrang gehören nun mal dazu, wenn man plötzlich etwas gefunden hat, das einem zum Paradies geworden ist. Dass ich bei aller Radikalität nicht militant geworden bin in den Jahren darauf, verdanke ich der toleranten islamischen Reformgemeinde, in die ich dann eintrat, und dem Imam der Nuur-Moschee in Frankfurt am Main, die von den Ahmadiyya-Muslimen errichtet worden war, und in der ich heute als ehrenamtlicher Freitagsprediger wirke. Aber nicht allen Konvertiten ist das Glück zuteil geworden, nicht Gehirn gewaschen zu werden. Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Leute getroffen, die im Feuereifer der Meinung, den Schlüssel zur Erlösung für die Menschheit gefunden zu haben, ihre persönlichen Lebensumstände so umkrempelten, dass sie Geld und Besitz und Freundschaften und Karriere über Bord warfen in der Hoffnung, damit das Gefallen ihres Gottes oder Gurus oder der Revolution zu erlangen. Und manchmal haben sie auch ihr Leben dabei verloren.