Publishers' Forum: Der erste Tag

Die Hebebühne im Prunksaal

23. April 2013
von Börsenblatt
Journalistisch betrachtet, kam das stärkste Fortschrittsbild, das am Eröffnungstag des 10. Publishers‘ Forum gezeigt wurde, nicht aus den USA. Es kam aus Wien. Genauer: aus dem Zentrum der Österreichischen Nationalbibliothek, die seit zwei Jahren in einer „Public Private Partnership“ mit Google ihre historischen Buchbestände in Dateien umwandelt. Das Bild zeigte mitten im Prunksaal der früheren Habsburgischen Hofbibliothek eine Hebebühne.

Die wird dort gebraucht, um an die hoch einsortierten Bücher zu gelangen und diese der Rasterung zuzuführen. Digitalisierung ist eben zu allererst harte körperliche Arbeit. In Wien wird sie mit großem Eifer verrichtet, wie der Forschungsleiter der ÖNB, Max Kaiser, den Konferenzteilnehmern berichtete. Bis zu 95.000 Digitalisate pro Tag entstehen im Zuge des Projekts.

Selbst vor Mozart und Haydn macht der Binärcode keinen Halt. 70 Mitarbeiter, davon 20 in Vollzeit, sind mit der Digitalisierung des gesamten historischen Bücherbestands der ÖNB befasst. Am Ende, so Max Kaiser, werden 600.000 Bände mit insgesamt mehr als 200 Millionen Seiten elektronisch gespeichert sein, allesamt aus der Zeit vom frühen 16. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammend – also gemeinfreie Werke.

Von den 150.000 der bisher digitalisierten Bücher seien 100.000 der allgemeinen Öffentlichkeit bereits über „Google Bücher“ zugänglich. Auf den ersten Blick verblüffend wirkte eine Grafik Kaisers, die die Anteile der Sprachen in den schon bearbeiteten Büchern zeigte: Jedes dritte ist in deutscher Sprache geschrieben, fast ebenso viele in lateinischer; weit abgeschlagen folgt Englisch mit einem Anteil von gerade mal drei Prozent. Und dennoch wird das in Kürze online gehende Instrument, das einen systematischen, durch sinnvolle Recherchemethoden unterstützten Zugriff auf die „Austrian Books Online“ ermöglicht,  „Book Viewer“ heißen. Gö, da schaust.

Auf dem Weg des Fortschritts noch am Anfang steht hingegen das Thema der elektronischen Schulbücher. Den eher beklagenswerten Stand der Dinge referierten auf der Berliner Klopotek-Konferenz die Leiter der Stadtmedienzentren Heidelberg, Helmut Albrecht, und Mannheim, Stefan Klinga. Die Experten versprechen sich eine Reihe didaktischer und motivationaler Vorteile von digitalen Schulbüchern und konnten das mit Ergebnissen aus Modellversuchen überzeugend belegen. Allein, noch fehle es an der wünschenswerten Grundversorgung – mit technischer Ausstattung, mit fachdidaktischen und pädagogisch-technischen Konzepten, nicht zuletzt mit intelligent aufbereiteten Lernangeboten.

Die beiden Medienpädagogen hatten einen langen Wunschzettel an die Adresse der Schulbuchverlage mitgebracht. Dessen wichtigste Einträge:
-    Themenbezogene Bücher machen
-    Unterschiedliche Lernniveaus in ein- und demselben Buch berücksichtigen
-    Möglichst offene Dokumentenformate verwenden
-    Ein hohes Maß an Aktualität anstreben
-    Qualitätsgesicherte Zusatzmaterialien anbieten (Bilder, Grafiken, Animationen, Texte)
-    Schließlich schulgerechte Vertriebs- und Lizenzkonzepte

E-Books und die Schule – das Thema steckt vorläufig noch tief im Konjunktiv.