Ratgeber

Markus Wölflick, gutefrage.net: "Wir tun das, was mehr einbringt"

10. Dezember 2009
von Börsenblatt
Im Internet gibt es nützliches Wissen zum Nulltarif, wer ein Buch kauft, muss dafür zahlen. Dass es viele deshalb zuerst an den Computer zieht, bevor sie sich für die Option B entscheiden, dürfte also niemand wundern. Zu schaffen macht dieser Trend vor allem Ratgeberverlagen. Ein Gespräch mit dem Markus Wölflick, Geschäftsführer der unter dem Dach von Holtzbrinck entstandenen Ratgeber-Community gutefrage.net – über Skrupel, Google und Versäumnisse der Verlage.

Laut GfK hat der Markt für gedruckte Ratgeber in den vergangenen fünf Jahren etwa zwei Millionen Käufer verloren. Ein Gutteil davon dürfte auch auf Ihrer Plattform angedockt haben. Haben Sie da nicht manchmal Skrupel?
Wölflick: Der Bedarf an ratgebenden Inhalten wird ja nicht kleiner, sondern speziell in Krisenzeiten eher größer. Ich sehe nicht, dass eine Community wie gutefrage.net im klassischen Sinn mit Büchern konkurriert. Klar nimmt die Online-Nutzung zu, möglicherweise ziehen wir auch Käufer ab. Anderseits werden, angeregt durch uns, auch wieder Bücher gekauft.

Sie verdienen Ihr Geld mit User Generated Content, die Haupteinnahmequelle ist Google Adsense. Wie läufts?
Wölflick: Wir arbeiten sehr profitabel, nehmen monatlich eine mittlere sechsstellige Summe ein. Auch die Reichweite entwickelt sich bestens.

Das klingt nach Überholspur. Was macht das Ratgebersegment so lukrativ?
Wölflick: Das Schöne an Ratgeber-Themen ist: Der Großteil der Informationen, bei uns weit über 50 Prozent, hat eine lange Lebensdauer. Wer Themen akzeptabel abdeckt, kann vom Suchmaschinen-Traffic somit über Jahre profitieren.

Gutefrage.net hat rund 390 000 Mitglieder. Wie viele beteiligen sich aktiv?
Wölflick: Web 2.0-Studien aus den USA zufolge sind langfristig etwa zehn Prozent aller Community-Nutzer aktiv, ein Prozent macht den Kern aus. Dem kann ich mich anschließen.

Wer sind Ihre Nutzer?
Wölflick: Eher Leute mit Anspruch auf inhaltliche Tiefe. Sie sind in der Regel 30 Jahre und älter, zeichnen sich aus durch ein gehobenes Bildungsniveau. Positive Nebenwirkung: Wo Leute mit Qualitätsanspruch sind, werden sich andere, die das nicht haben, nicht wohlfühlen. Da schließen wir große Gruppen aus, aber es geht nicht anders. Eine Community kann nicht jung, mittel, alt und verschiedene Bildungsschichten abbilden. Uns ist es lieber, wenn die Leute nicht nur Zerstreuung suchen. Natürlich soll gutefrage.net kein spaßfreier Raum sein, aber der Nutzen steht klar im Vordergrund.

Greifen Sie bei Fehlern ein?
Wölflick: Nur indirekt, sonst würden wir ja ein Kernelement unserer Plattform zerstören; was uns ausmacht ist die Vielzahl an unterschiedlichen Tipps und Meinungen. Unsere Aufgabe dabei ist es lediglich zu moderieren und etwa die hilfreichste Antwort nach oben bringen, also die Treffergenauigkeit zu erhöhen.

Wie funktioniert das?
Wölflick: Wir haben, auf technischer Basis, verschiedene Stufen der Qualitätskontrolle geschaffen, das macht etwa 50 Prozent unserer Arbeit aus. Auf einer dieser Stufen geht es darum, gute Inhalte nach oben zu bringen – Inhalte, die von besonders vielen Leuten als hilfreich eingestuft wurden. Manuell gibt es für uns zum Beispiel noch Folgendes zu tun: Nutzer können uns melden, wenn sie Inhalte für fragwürdig halten. Darauf reagieren wir innerhalb einer Stunde, auch nachts. Entweder löschen wir den Eintrag, kommentieren ihn oder geben ihn wieder frei – und dokumentieren das für die Nutzer ganz offen.

Derzeit suchen viele Medienhäuser nach neuen Einnahmenquellen. Paid Content heißt das Gebot der Stunde, in Übersee genauso wie in Deutschland. Was halten Sie davon?
Wölflick: Die entscheidende Frage wird sein: Ist der Onlinemarkt reif für Bezahlmodelle? Ich bin da in großen Teilen skeptisch, aber man muss unterscheiden. Bei hochwertig recherchierten Inhalten mit konkretem monetären Nutzen (etwa Finanzinformationen) könnte ein solcher Plan aufgehen – für uns nicht.

Um eine Community zu finanzieren, könnten auch Partnerprogramme von Online-Shops sinnvoll sein. Haben Sie Erfahrungen?
Wölflick: Ja, wir haben es mit Amazon versucht, machen das aber nur noch in Teilbereichen. Im Endeffekt ist Google Adsense ja nichts anderes, die Suchmaschine ist auch für die Büchershops eine zentrale Drehscheibe. Letztlich tun wir das, was mehr einbringt: Die Verdienstmöglichkeiten über Google sind für uns höher als die über Amazon.

Wie hoch ist die Marge bei Google?
Wölflick: Google legt das nicht offen. Der Anteil dürfte nicht gering sein, ich denke aber, die Verteilung ist fair.

Ließe sich aus den von Ihren Nutzern erstellten Inhalten nicht noch mehr machen – zum Beispiel Bücher?
Wölflick: Da gäbe es sicher Möglichkeiten, aber ich bin der Meinung: Schuster, bleib bei deinen Leisten. So schwer es für Verlage ist, eine Online-Expertise aufzubauen, so schwer ist es auch für uns, die umgekehrte Richtung einzuschlagen.

Ist Ihre Plattform mobil nutzbar?
Wölflick: Nein, nicht über eine spezielle mobile Applikation - aber wir diskutieren das gerade. Was uns noch zurückhält: Erstens sind mobile Anwendungen eher etwas für News als für Ratgeberinformationen. Und zweitens wäre die Umsetzung nicht ganz billig. Mit 30.000 bis 40.000 Euro müsste man wohl rechnen. Andererseits sehen wir lokale Angebote durchaus als Thema. Für uns ist das ein Expansionsziel, aber keine nahe Zukunft.

Ratgeberverlage würden im Internet den Anschluss verlieren, denken manche. Sehen Sie das ähnlich?
Wölflick: Ich will mir da kein Urteil anmaßen. Bewusst wenig zu tun, kann durchaus richtig sein. Der Onlinemarkt ist komplex, man braucht Experten, muss jahrelang investieren – ohne Garantie auf Erfolg.

Nutzen Ratgeberverlage Ihre Plattform, um auf sich aufmerksam zu machen?
Wölflick: Obwohl unser Partnertipps-Programm kostenlos ist und wir aktiv angefragt haben, sind bisher leider nur zwei dabei - der Ulmer Verlag beim Thema Garten und Droemer Knaur bei Steuern mit dem „Konz“.

Worin sehen Sie die Ursache für das mangelnde Interesse?
Wölflick: Vielleicht sind Verlage einfach noch nicht so weit mit ihrer Online-Strategie. Solange ihre Webseiten lediglich Kontaktdaten und Vorschauen bieten, macht es wenig Sinn, bei uns dabei zu sein und sich als Experten in einem Segment unseren Nutzern zu präsentieren.

Was empfehlen Sie?
Wölflick: Das eine ist es, ein gutes Produkt zu machen - das andere, es dann auch zu verkaufen. Ratgeberverlage sollten zunächst ihr Online-Marketing ausbauen, sich dort zeigen, wo ihre Zielgruppen unterwegs sind. Da gibt es verschiedene Wege, der naheliegendste ist im Augenblick die Suchmaschine, also Google - weil Menschen das Angebot geradezu reflexartig nutzen. Bei Google Adwords etwa kann jeder mit fünf Euro am Tag starten.

Auch gutefrage.net wird vermutlich eines Tages die Sättigungsgrenze erreichen. Ihre Prognose?
Wölflick: Wer bei uns mitmacht, braucht Zeit, Expertise und Schreibfreudigkeit. Der Kreis derer, die diese Kriterien erfüllen, ist natürlicherweise begrenzt. Da das Internet aber zur Monopolisierung neigt und wir ebenfalls zu den großen Drehscheiben im Netz gehören, mache ich mir keine großen Sorgen über weiteres Wachstum.

Was planen Sie als nächstes?
Wölflick:
Wir werden Nutzer Videos einbinden lassen und planen zeitnah, unser Modell auf andere europäische Länder auszudehnen.

 

Interview: Tamara Weise

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Markus Wölflick studierte Betriebwirtschaft an der Fachhochschule Rosenheim. Nach seinem Studium arbeitete er zunächst im Vertrieb des ADAC Verlags (1995-2000, zuletzt Vertriebsleiter Handel), wechselte dann als General Manager Books zu Amazon.de (2000-2004). Bevor er 2006 als Geschäftsführer bei gutefrage.net anheuerte, verantwortete er anderthalb Jahre in der Geschäftsleitung von Thalia Österreich die Bereiche Marketing, Einkauf, Logistik und Internet.

Gutefrage.net (Holtzbrinck-Gruppe) ist nach eigener Aussage eine der größten Ratgeber-Communitys in Deutschland. Laut AGOF II/09 verzeichnet das Portal monatlich mehr als 4,8 Mio Unique User; im AGOF Ranking gehört es zu den 20 reichweitenstärksten Websites Deutschlands.

Das Portal zählt derzeit rund 390.000 Mitglieder. Seit der Gründung 2006 wurden knapp 1,2 Millionen Fragen gestellt, die Zahl der Antworten liegt bei knapp 7,5 Millionen (pro Tag etwa 4.000 Fragen und 20.000 Antworten). Außer der Zentralen Plattform sind mittlerweile mehrere Spezialseiten entstanden (Themen: Computer, Finanzen, Gesundheit, Reise, Sport u.a.). Informationen der Partner, darunter der Verlage Ulmer und Droemer Knaur, gibt es unter http://www.gutefrage.net/tipps/partner/1/30