Re-Commerce

Ein Interview mit Momox-CEO Heiner Kroke

16. Januar 2017
von Börsenblatt

Ein Gespräch mit Heiner Kroke, seit 2013 Geschäftsführer des Berliner Online-Ankaufsservices für Bücher, CDs, DVDs, Computerspiele und Kleidung Momox.

Herr Kroke, welchen Stellenwert haben Bücher bei Momox im Verhältnis zu CDs, DVDs oder Spielen aktuell, bezogen auf den Umsatz?

Heiner Kroke: Momox hat 2015 einen Umsatz von 120 Millionen Euro erzielt. Bücher machten davon einen Anteil von 60 Prozent aus. Für das Geschäftsjahr 2016 ist unser Jahresabschluss noch nicht fertig, aber das Unternehmen ist wieder zweistellig gewachsen. Gebrauchte Markenkleidung ist bei Momox derzeit der stärkste Wachstumsbereich, wenn auch noch von einem relativ niedrigen Niveau aus.

Und Ihre mittelfristigen Erwartungen im Blick auf Bücher?

Kroke: Ich bin da sehr optimistisch. Richtig ist, dass unser Geschäft mit Büchern in absoluten Zahlen wächst. Der Anteil am Momox-Gesamtumsatz sinkt nur leicht aufgrund des stärkeren Wachstums anderer Bereiche. Wir gehen von einer positiven Zukunft für das Büchergeschäft aus, allen Unkenrufen zum Trotz. Es hat sich ja inzwischen im Buchhandel allgemein gezeigt, dass E-Books einen gewissen Marktanteil einnehmen, aber längst nicht in dem Tempo, wie manche vor ein paar Jahren vorhergesagt haben.

Welche Dimension muss man sich für das Momox-Alltagsgeschäft vorstellen?

Kroke: Momox hat letzten Montag, um einen zufälligen Werktag herauszugreifen, in 24 Stunden 70.000 Artikel angekauft und im selben Zeitraum 60.000 verkauft. Etwa 50 Prozent der von uns angekauften Artikel verkaufen wir innerhalb von vier Wochen wieder. Danach streckt sich die Abverkaufsrate; unverkäuflich bleiben am Ende nur wenige Prozent des in Leipzig gelagerten Medienbestands, der aktuell etwa 9 Millionen Einheiten umfasst.

Im Dezember hat boersenblatt.net über Jürgen Holsteins Buch "Blickfang" von 2005 berichtet, für das man bei Momox nur wenige Cent erhalten würde, obwohl das Buch im Antiquariat teuer gehandelt wird (siehe hier). Wie erklären sich diese Diskrepanzen?

Kroke: Momox versteht sich nicht als Antiquariat. Unser Geschäftsmodell zielt auf den Ankauf aktueller Buchtitel ab, die eine breite Zielgruppe ansprechen. Die Momox-Ankaufspreise werden über einen internen Algorithmus festgelegt, welcher bei der Berechnung zahlreiche Faktoren berücksichtigt. Entscheidend sind beispielsweise die Nachfrage im Wiederverkauf sowie der aktuelle Lagerbestand. Jürgen Holsteins "Blickfang" von 2005 hat einen Amazon-Bestseller-Rank von 7.695.647 in der Kategorie Bücher, also sehr niedrig. Daran kann man auch ohne unsere internen Daten erkennen, dass es schwierig wird, einen Abnehmer für diesen Artikel zu finden. Im Allgemeinen ist der Mehrwert für Verkäufer nicht, den höchsten Preis beim Verkauf eines einzelnen Titels zu erzielen, sondern sich mit möglichst geringem Aufwand von einer größeren Menge an Artikeln zu befreien.

Es gibt Fälle, in denen der Momox-Ankaufspreis niedrig, der Verkaufspreis aber exorbitant ist (ein willkürliches Bespiel findet sich unter der ISBN 9783211922897). Wie erklärt sich das?

Kroke: Ich will nicht ausschließen, dass auch unser Algorithmus Fehler macht. Jedenfalls ist das nicht unsere Art, Buchhandel zu betreiben. Am interessantesten sind für uns die Bücher, die für etwa 1 bis 3 Euro angekauft werden.

Momox kauft ausschließlich Bücher mit ISBN an, könnten Sie sich eine Expansion in den Bereich von Büchern vorstellen, die vor der ISBN-Zeit erschienen sind?

Kroke: Nein, das ist nicht unsere Zielrichtung.

Fragen: Björn Biester