Reportage über die Buchbranche im Iran (I)

Ein Buch, fünf Verlage, keine Lizenz

3. März 2015
von Börsenblatt
Die Buchbranche im Iran ist vom Mangel geprägt. Es gibt keine festen Bücherpreise und kein dichtes Netz an Händlern, von den internationalen Urheberrechtsabkommen hält sich der Staat bislang fern. Wie Verlage ihre Situation sehen: Steffen Meier (readbox) hat sie besucht und mit ihnen geredet – Teil 1 seiner Reportage.

Wer in der öffentlichen Berichterstattung dem Iran begegnet, wird mit dem Irak-Konflikt, den Atomverhandlungen oder bärtigen Ajatollahs in langen Gewändern konfrontiert. Dabei wird leicht übersehen, dass diese alte Kultur-Nation im Moment einen großen publizistischen, durchaus westwärts geneigten Boom erlebt. Doch der Reihe nach.

Schwer zu bekommen: Lizenzen ausländischer Verlage  

Eine Handelsstruktur mit vielen Sortimentern, wie man sie hierzulande gewohnt ist, gibt es nicht. Und auch Verlage haben mit Problemen zu kämpfen, die im ersten Moment skurril wirken: Aufgrund des internationalen Embargos kommen sie nur schwer an höherwertiges Papier – oder an Lizenzen ausländischer Verlage.  Letzteres geschuldet dem Umstand, dass der Iran der internationalen Universal Copyright Convention, dem Welturheberrechtsabkommen (neben so illustren Ländern wie Kambodscha, Irak, Mosambik, Sierra Leone; die USA nahmen übrigens auch erst 1989 teil) bis dato nicht beigetreten ist.

Viele Verleger verurteilen dies auch im Vier-Augen-Gespräch, etwa Mehdi Omranloo, Regional Sales Manager von John Wiley & Sons: „Copyright still is an issue in the market, because Iran has not signed the contract yet. In some cases we faced one book that have been translated by 5 or more publisher without lisencing the book” (Das Urheberrecht ist für uns nach wie vor ein Thema, weil der Iran den Vertrag bislang noch nicht unterzeichnet hat. Manchmal wurde ein Buch auch schon von fünf und mehr Verlagen veröffentlicht, ohne dass sie eine Lizenz dafür erworben hatten.)

Verlage werben beim Parlament für das Urheberrecht

Keineswegs optimale Strukturen, um den Iran für internationale Literatur zu öffnen, weswegen auf verschiedenen Ebenen Kampagnen und Petitionen gestartet wurden, um das Parlament von der Teilnahme am Welturheberrechtsabkommen zu überzeugen.

Dennoch, und trotz der Argusaugen des Kulturministeriums, kann man nicht gerade von einer kleinen Buchbranche sprechen, mit immerhin über 2.000 Verlagen und 63.000 Neuerscheinungen im letzten Jahr – beides liegt nicht weit unter den deutschen Buchmarktzahlen.

Buchhandlungen gibt es Schätzungen zufolge etwa 1.500. Wobei sich insgesamt kein einheitliches Bild ergibt, da manche Buchhandlung etwa in Teheran eher mäzenatisch finanziert oder von den Kommunen unterstützt werden, andere wiederum nicht.

Ähnliches gilt für Verlage, bei denen etwa religiöse Literatur durch das allgegenwärtige Kultusministerium stark finanziell unterstützt wird. Die Herausforderungen sind klar: „Lack of enough capital, professional knowledge and standard infrastructure are main issue for the industry”, so Mehdi Omranloo (“Der Mangel an Kapital, Fachwissen und Infrastruktur ist das wichtigste Problem für die Branche.“)

Ketabraneh: ein Taxi als Buchhandlung

2009 von dem iranischen Paar Mahdi Yazdany und Sarvenaz Heraner ins Leben gerufen, dürfte das Ketabraneh-Projekt eine der ungewöhnlichsten Buchhandlungen der Welt sein – in einem Taxi. Hier können Interessierte zusteigen und sich von den beiden ausgewählte Literatur und Musik vorstellen lassen – und natürlich, wie es sich für eine Buchhandlung gehört, auch kaufen. Allerdings liegt der Schwerpunkt bei „Ketabraneh“ auf dem gesellschaftlichen Aspekt, und so hat sich im Laufe der Jahre eine treue Community ausgebildet.

Beachtung erfuhr das Projekt auch von der UN und es wird seit 2013 tatsächlich auch vom iranischen “Ministry of Culture and Isalmic Guidance” unterstützt. Und wer sich wundert, warum im Taxi: Erstens fährt der Teheraner lieber Taxi als das er sich zu Fuß bewegt, und zweitens steht man sowieso die meiste Zeit im Stau. Da kommt ein gutes Gespräch und ein gutes Buch gerade recht…

Im zweiten Teil der Reportage (morgen) geht es um den digitalen Markt.

Anlass der Iran-Reise war ein Workshop – "Frankfurt Book Fair Seminar at the Tehran International Book Fair: Ways to enter the digital market place successfully", organisiert von der Frankfurter Buchmesse im Rahmen des internationalen Programms und des Gemeinschaftsauftritts deutscher Verlage."

Steffen Meier verantwortet seit April 2014 die Bereiche Produkt-Innovation und -Marketing bei readbox. Daneben ist er Mitglied des  AKEP-Sprecherkreises (Arbeitskreis Elektronisches Publizieren im Börsenverein) und Mitglied der Kommission Digitale Medien der Deutschen Fachpresse.