Rowohlt Berlin Verlag feiert sein Jubiliäum

"Debatten anstoßen. Und die besseren Fragen stellen"

31. August 2015
von Holger Heimann
Ins Literarische Colloquium am Wannsee hatte der Rowohlt Berlin Verlag am Wochenende eingeladen, um mit einem üppigen Sommerfest seinen 25. Geburtstag zu feiern. Jedes Verlagshaus müsse Hebamme und Boxer zugleich sein, befand Rowohlt Berlin-Chef Gunnar Schmidt - Impressionen vom Wannsee.

Es ist üblich geworden, dass Verlage allerlei Sublabels auf den Buchmarkt werfen. Zu einem größeren Haus gehört mittlerweile wie selbstverständlich ein bunter, zuweilen unübersichtlicher Strauß von Programmen. Aus dem Schatten des dominanten, älteren, bekannteren Mutterverlags kommen die Neugründungen in der Regel nie so recht heraus.

Beim Rowohlt Berlin Verlag, der jetzt im Literarischen Colloquium am Wannsee seinen 25. Geburtstag mit einem üppigen Sommerfest feierte, ist das anders. Es hat verschiedene Gründe; die geographische Distanz ist einer. Mit der Verlagsgründung in Berlin 1990 reagierte Rowohlt in Reinbek einerseits auf die großen politischen Umwälzungen in der Mitte und im Osten Europas: „Von Berlin aus, der Drehscheibe zwischen Ost und West, sollte Mitteleuropa zu einem Erfahrungsbegriff gemacht werden, politisch wie literarisch. Alles musste und sollte neu gedacht werden“, so Gunnar Schmidt, der den Rowohlt Berlin Verlag seit 2004 leitet. Zugleich kehrte der Rowohlt Verlag mit der Berliner Unternehmung an seine Anfänge zurück. In Berlin hatte Rowohlt zwischen den Weltkriegen reüssiert.

Mit seinem Programm demonstrierte Rowohlt Berlin zudem von Beginn an ein eigenständiges Profil. Verstecken musste sich der neue, natürlich bei weitem kleinere Verlag nie gegenüber dem großen Reinbeker Haus. Der junge Verlag wurde besonders in seinen Anfängen zu einem Sammelpunkt großer Schriftstellernamen aus dem östlichen Europa: Nádas, Kertész, Cosić. Sie blieben nicht alle. Doch dass sich auch das gegenwärtige Programm sehen lassen kann, verdeutlichen die Autoren, die anlässlich des Geburtstags am Wannsee lasen: Büchner-Preisträger Friedrich Christian Delius stellte seinen noch unveröffentlichten Roman „Die Liebesgeschichtenerzählerin“ vor, Bestsellerautor Horst Evers amüsierte das Publikum einmal mehr – mit einem Auszug aus „Wäre ich du, würde ich mich lieben“. Der Schauspieler Ulrich Matthes las aus „Tschick“, dem großen Kultbuch des verstorbenen Wolfgang Herrndorf. Der streitbare Politikwissenschaftler Herfried Münkler sprach mit dem Journalisten Jens Bisky (ebenfalls Rowohlt Berlin-Autor) über „Kriegssplitter. Die Evolution der Gewalt im 20. und 21. Jahrhundert“ – und lieferte eine wenig ermutigende Prognose: Eine Erfolg wäre es schon, Konflikte, wie etwa den in der Ukraine, einzufrieren. Der große Mann der Reisereportage, Wolfgang Büscher, las aus „Ein Frühling in Jerusalem“, FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube resümierte die Aufklärung.

„Wir möchten Wandel wahrnehmen, Bücher machen, die durch ihre poetische Intensität, ihre Geschichtenfülle, ihr Formbewusstsein oder ihren Witz bestechen. Die Debatten anstoßen. Bücher, die es nicht besser wissen, sondern die besseren Fragen stellen. Die sich noch trauen, etwas nicht zu verstehen“, schreibt Gunnar Schmidt in dem am Wannsee an jeden Gast verteilten Jubiläumslesebuch. Wie die Titel des Verlags den Anspruch einlösen, war beim LCB-Fest zu erleben. Dass es nicht ausreicht, gute Bücher in die Welt zu bringen, sondern man viel für ihre Wahrnehmung tun muss, weiß Gunnar Schmidt natürlich. Deshalb vergaß er nicht, dem Reinbeker Haus für die Unterstützung zu danken, zitierte schmunzelnd Dostojewski: „Geld ist gedruckte Freiheit“ und fand die schöne Formel: Jedes Verlagshaus müsse Hebamme und Boxer zugleich sein.