Selfpublisher auf der Leipziger Buchmesse

"Die Buchhändler behandeln uns doch wie Schmeißfliegen!"

22. März 2018
Redaktion Börsenblatt
Im Wartemodus: Für viele Selfpublisher ist die Leipziger Buchmesse fast schon Routine. Allen Erfolgen und dem Barsortimentsbezug zum Trotz klagen die Autoren über das Desinteresse des Buchhandels.

Auch in diesem Jahr herrscht in Halle 5 Hochbetrieb: Während es in der Blogger-Lounge eher gemächlich zugeht und so mancher Platz frei bleibt, strömen viele Besucher ins Forum autoren@leipzig. Am Stand des Selfpublishing-Dienstleisters BoD und beim Selfpublishing-Verband stehen dicke Menschentrauben. Als "Nur was ich mag"-Autorin Sissi Kandziora zur Signierstunde erscheint, heißt es Ellenbogen ausfahren, um noch durch den Gang zu kommen.

"Der Buchmarkt verliert Leser. Umso erfreulicher, dass der Selfpublishing-Markt wächst. Die Verlage haben in den vergangenen Jahren mit der Gründung von Digital-Imprints reagiert, aber der Buchhandel wurde noch nicht erobert." So fasst Daniel Lenz, Co-Herausgeber beim "digital publishing report", seine Beobachtungen bei einer Podiumsrunde zusammen. Die Dynamik erklärt BoD-Geschäftsführer Gerd Robertz vor allem mit den unbegrenzten kreativen Möglichkeiten und einem verbesserten Marktzugang für Autoren: "Viele Trends werden heute überhaupt erst über Selfpublisher erschlossen. Die Zahl der Bestseller steigt kontinuierlich."

Auch die Zahl der Autoren, die etablierten Verlagen den ­Rücken zukehren und auf Selbstvermarktung setzen, wächst. Ein Phänomen, das Eliane Wurzer, Leiterin der Digital-­Imprints bei Piper, auf "gute Verdienstmöglichkeiten, eine höhere Taktzahl beim Publizieren und eine andere Arbeitsweise" zurückführt. Oder wie Martin Krist es formuliert: "Wenn ich mich als Verlagsautor auch noch selbst um Lesungen und Werbung kümmern soll, kann ich auch gleich das gesamte Geld einstreichen."

Letzte Bastion Buchhandel 

Längst hat sich um die Selfpublisher eine Vielzahl an Dienstleistern geschart: Lektorat, Covergestaltung, Illustrationen – das meiste ist schon für kleines Geld zu haben. Die Werke der Profis unterscheiden sich qualitativ längst nicht mehr von Verlagstiteln. Hinter vorgehaltener Hand stimmen die meisten Autoren aber zu, dass sich längst nicht nur Perlen in der Titelflut heben lassen, die nach einer Schätzung des Marktführers BoD heute für ein Drittel aller Buchpublikationen steht. "Die schlechten Titel erkennt man meistens schon am Cover", sagt Autorin Elisabeth Schninagl ganz offen. Wie viele ihrer Kollegen würde sie sich über mehr Aufmerksamkeit vonseiten des Buchhandels freuen. Der jedoch zeigt wenig Interesse daran, die Spreu vom Weizen zu trennen.

"Die Buchhändler behandeln uns doch wie Schmeißfliegen!", ärgert sich Reingard Stein, die heute Standdienst bei Wortwerke schiebt. Im Buchhandels-Franchise von Bianca Bolduan werden ausschließlich Werke von Selfpublishern gehandelt. "Die Idee hat mich elektrisiert", gesteht Stein, für die es das Größte ist, ihre Bücher in einer Buchhandlung ausliegen zu sehen. Alltag ist das nicht: Wie viele Klinken sie schon vergeblich geputzt hat, kann sie kaum noch zählen. Für Vera Nentwich, Vorsitzende des Selfpublisherverbands, hat das Desinteresse vor allem einen Grund: "Es gibt ein gewaltiges Informationsdefizit. Die Buchhändler wissen nicht, dass unsere Titel über die Barsortimente zu den üblichen Konditionen bezogen und auch remittiert werden können." Nentwich selbst hat eigene Verträge mit Libri abgeschlossen. Die Grenzen zwischen Autor und Verlag verschmelzen.