Auch in diesem Jahr herrscht in Halle 5 Hochbetrieb: Während es in der Blogger-Lounge eher gemächlich zugeht und so mancher Platz frei bleibt, strömen viele Besucher ins Forum autoren@leipzig. Am Stand des Selfpublishing-Dienstleisters BoD und beim Selfpublishing-Verband stehen dicke Menschentrauben. Als "Nur was ich mag"-Autorin Sissi Kandziora zur Signierstunde erscheint, heißt es Ellenbogen ausfahren, um noch durch den Gang zu kommen.
"Der Buchmarkt verliert Leser. Umso erfreulicher, dass der Selfpublishing-Markt wächst. Die Verlage haben in den vergangenen Jahren mit der Gründung von Digital-Imprints reagiert, aber der Buchhandel wurde noch nicht erobert." So fasst Daniel Lenz, Co-Herausgeber beim "digital publishing report", seine Beobachtungen bei einer Podiumsrunde zusammen. Die Dynamik erklärt BoD-Geschäftsführer Gerd Robertz vor allem mit den unbegrenzten kreativen Möglichkeiten und einem verbesserten Marktzugang für Autoren: "Viele Trends werden heute überhaupt erst über Selfpublisher erschlossen. Die Zahl der Bestseller steigt kontinuierlich."
Auch die Zahl der Autoren, die etablierten Verlagen den Rücken zukehren und auf Selbstvermarktung setzen, wächst. Ein Phänomen, das Eliane Wurzer, Leiterin der Digital-Imprints bei Piper, auf "gute Verdienstmöglichkeiten, eine höhere Taktzahl beim Publizieren und eine andere Arbeitsweise" zurückführt. Oder wie Martin Krist es formuliert: "Wenn ich mich als Verlagsautor auch noch selbst um Lesungen und Werbung kümmern soll, kann ich auch gleich das gesamte Geld einstreichen."
Letzte Bastion Buchhandel
Längst hat sich um die Selfpublisher eine Vielzahl an Dienstleistern geschart: Lektorat, Covergestaltung, Illustrationen – das meiste ist schon für kleines Geld zu haben. Die Werke der Profis unterscheiden sich qualitativ längst nicht mehr von Verlagstiteln. Hinter vorgehaltener Hand stimmen die meisten Autoren aber zu, dass sich längst nicht nur Perlen in der Titelflut heben lassen, die nach einer Schätzung des Marktführers BoD heute für ein Drittel aller Buchpublikationen steht. "Die schlechten Titel erkennt man meistens schon am Cover", sagt Autorin Elisabeth Schninagl ganz offen. Wie viele ihrer Kollegen würde sie sich über mehr Aufmerksamkeit vonseiten des Buchhandels freuen. Der jedoch zeigt wenig Interesse daran, die Spreu vom Weizen zu trennen.
"Die Buchhändler behandeln uns doch wie Schmeißfliegen!", ärgert sich Reingard Stein, die heute Standdienst bei Wortwerke schiebt. Im Buchhandels-Franchise von Bianca Bolduan werden ausschließlich Werke von Selfpublishern gehandelt. "Die Idee hat mich elektrisiert", gesteht Stein, für die es das Größte ist, ihre Bücher in einer Buchhandlung ausliegen zu sehen. Alltag ist das nicht: Wie viele Klinken sie schon vergeblich geputzt hat, kann sie kaum noch zählen. Für Vera Nentwich, Vorsitzende des Selfpublisherverbands, hat das Desinteresse vor allem einen Grund: "Es gibt ein gewaltiges Informationsdefizit. Die Buchhändler wissen nicht, dass unsere Titel über die Barsortimente zu den üblichen Konditionen bezogen und auch remittiert werden können." Nentwich selbst hat eigene Verträge mit Libri abgeschlossen. Die Grenzen zwischen Autor und Verlag verschmelzen.
Dass aber die Selfpublisherin, Frau Reingard Stein, den Satz: "Die
Buchhändler behandeln uns doch wie Schmeißfliegen!!" ausspricht, finde ich jedenfalls nicht so gelungen.
Immerhin sind doch Buchhändler/-innen die Verkäufer der Bücher.
Es kommt sicher letztendlich auch darauf an, wie in diesen Fällen die
Verkaufswege der Bücher sind.
Oder gibt es noch andere Möglichkeiten, wie die Bücher zu den
Leser/-innen gelangen?
Ein anderer wichtiger Punkt ist jedenfalls auch die jeweilige Werbung für
diese Bücher, welche die Autoren sicher selber finanzieren.
Es sind hier doch auch manche Fragen offen. Und es wäre sicher gut,
wenn diese von Fachleuten beantwortet würden.
Der Austausch unter den Selfpublishern und auch zwischen den beiden
Verbänden Selfpublishing-Diensleisters BoD und des Selfpublishing -Verbandes
war sicher für alle Beteiligten sehr hilfreich.
Es ist zu hoffen, dass in naher Zukunft alle Fakten gemeinsam besprochen
werden könnten
Ein sogenannter ,Runder Tisch` wäre dazu eine Chane, manche Dinge zu
ändern und doch auch zu verbessern.
die Buchhändler behandeln Sie also wie Schmeißfliegen? Ich nenne mal zwei Gründe, warum dem eventuell so ist: Zum Einen gibt es im Bereich der Selfpublisher zwangsläufig, weil systemimmanent (Denken Sie an youtube) beim INPUT einfach zu viel an extremen Schrott. Das beginnt bei der Covergestaltung und geht über die Ausstattung der Bücher nahtlos direkt zum teils grottigen Inhalt – wer kann da die Übersicht behalten? Die Myriaden an uns erreichenden, sich und das eigene Buch anpreisenden Mails kann ich als Buchhändler gar nicht mehr verarbeiten. Und das führt zum nächsten wichtigen Punkt. Denn zum Anderen gibt es für Buchhändler eine bewährte und klassische Instanz, die auch für uns „Sortimenter“ schon vorsortiert und uns so schon sehr viel Arbeit im Vorfeld abnimmt. Das sind eben die Verlage, anhand derer Profile wir schon vorab besser einschätzen können, ob ein Titel ins hiesige Portfolio passt oder eher nicht. Das Tüpfelchen drauf sind dann noch die weiterführenden Vertretergespräche. Wir lesen sehr viel, können aber eben nicht alles lesen. Den Bucheinkauf machen wir uns hier nicht einfach und setzen uns im Vorfeld damit sehr intensiv auseinander. Aber nennen Sie mir einen gewichtigen Grund, warum unsere Kölner Vorort-Buchhandlung (oder eine andere) ausgerechnet Ihre Bücher tatsächlich vorrätig haben sollte.
Ach, liebe Frau Nentwich,
es ist ja schön zu wissen, dass wir die Titel vieler Selfpublisher zu den üblichen Konditionen mit RR beim Barsortiment einkaufen können. Im Fall oben würde dies aber zu Barsortimentskonditionen geschehen. Warum soll der Buchhändler sich ohne den Service jeder Vorabberatung (s.o. Thema Verlage) für Titel in die Bresche schmeißen, von denen 90% eh völlig indiskutabel sind und deren Bezug eben nicht die branchenüblichen Konditionen beinhaltet? Die Frage „Ich habe da ein Buch geschrieben und auch veröffentlicht – wie bekomme ich es jetzt an die Frau / an den Mann?“ klingelt mir gewaltig und sehr unangenehm in den Ohren, denn exakt dies ist eben nicht die Aufgabe des Buchhändlers. Schlussendlich bedeutet dies alles doch, dass wir als Sortimenter für Selfpublisher die Arbeit des Vertriebs übernehmen sollen, weil irgendein Pfiffikus vielen mehr oder weniger begabten Menschen ins Ohr geflötet hat, dass alle Welt nur auf deren eigenes Buch gewartet hat.
Die Grenzen zwischen Autor und Verlag verschwimmen? FALSCH und für uns keineswegs so – eher im Gegenteil werden sie immer schärfer! Der Buchhändler KANN alleine gar nicht die Spreu vom Weizen trennen. Und so gibt es im Verhältnis Selfpublisher zum Sortimentsbuchhandel auf Seiten der selbst veröffentlichenden Autoren ein ganz, ganz großes Missverständnis: Sie vergessen und unterschlagen schlicht und ergreifend eine für uns sehr wichtige Instanz, nämlich die Verlage und deren sehr sinnvolle Tätigkeit.
Die Selfpublisher werden also andere Wege suchen müssen, um zum Endkunden zu gelangen. Das funktioniert via Internet ja teils auch schon recht prima und ist auch gut so - dort ist INPUT gleich OUTPUT. Aber verabschiedet Euch doch bitte im Zuge dessen auch von der romantischen Vorstellung, dass es das Größte sei, die eigenen Bücher in einer Buchhandlung ausgelegt zu sehen. Das ist absolut purer Kitsch und schlicht und ergreifend gilt für uns: DAS GEHT SO NICHT!!!
Jens Bartsch / Buchhandlung Goltsteintstraße in Köln
Nun, die Buchhändler ignorieren gerne die Selfpublisher, wollen diese gar nicht verkaufen. Und selbstverständlich gibt es andere Wege, die Bücher an die Leser*innen zu bringen. Ob das aber wirklich im Interesse der Buchhändler ist? Mir fallen so ziemlich alle Online-Buchshops ein ... und über den Online-Buchshop der Autorenwelt gibt es sogar noch 7% extra für den Autor des jeweiligen Buches ... Manchmal glaube ich, der stationäre Buchhandel möchte gar nicht überleben.
aber ja doch, natürlich möchte der Buchhändler gerne Bücher verkaufen. Aber er kann und will eben nicht alles vor Ort anbieten, darum nennen wir uns ja SORTIMENTER (sortieren also). Warum, wieso, weshalb wir mit Selfpublishern in der Tat ein Problem haben, dies habe ich bei den Kommentaren (s.o.) schon ausführlich erläutert. Dies insbesondere auch unter wirtschaftlichen Belangen – nun nochmals nachgeschoben:
Erwarten Sie vom Sortimentsbuchhandel ernsthaft den Versuch, eine Konkurrenz zu den Alles-Verkäufern der von Ihnen ins Spiel gebrachten Internetplattformen aufzubauen? Sollen wir die Selfpublisher bei uns vor Ort ausführlich präsentieren? Wenn ja, welche denn und nach welcher Auswahl? Frau Steins Bücher (siehe Artikel) oder jemand anderes Bücher? Dies alles ohne jegliche vertriebliche und inhaltliche Unterstützung, die die Verlage uns bieten?
Es tun sich aktuell für Selfpublisher in der Tat neue Vertriebsformen auf und das ist sehr gut so, denn wir leben sehr offensichtlich in einer Zeit sich verändernder und auseinanderdriftender Wege des Buches vom Autor zum Leser. Da möge ein jeder Autor sich bitte gerne seine Form des Vertriebs aussuchen, der klassische Sortimentsbuchhandel tut dies auch und es mögen Scheren auseinandergehen, die wohl auseinander gehen müssen.
Denn wir als Buchhändler sind doch nicht dazu da, jedem Autor bei dessen romantisierender Form der Buchhandelswelt beizustehen. Wenn es für Selfpublisher „…das Größte ist, ihre Bücher in einer Buchhandlung ausliegen zu sehen“ dann ist dies ein frommer und schöner Wunsch. Aber kein normaler Mensch geht doch zu REWE oder EDEKA und bittet dort um sofortige Aufnahme und Listung seines selbst angerührten Quarks (so gut der sein mag) neben MILRAM, geschweige denn beschwert er sich bei denen darüber, dass er dort eben nicht gelistet wird. Aber der Sortimentsbuchhandel soll den 90% Fettgehalt der Selfpublisher für lau aussieben und richten?
Ich wiederhole mich: ZWISCHEN SELFPUBLISHERN UND BUCHHÄNDLERN GIBT ES EIN SEHR UND GANZ GROSSES MISSBERSTÄNDNIS – siehe mein Kommentar vom 23. März.
Ihre vehementen Sorgen um das Überleben des stationären Buchhandels teile ich nur teilweise, denn die Lösung liegt für uns im Profil und nicht im Algorithmus oder Alles-da-haben-wollen!
Jens Bartsch / Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
Wenn die Buchhändler die Geschäfte nicht machen wollen, verdient Amazon halt das Geld. Amazon stellt den Selfpublishern keine Hindernisse in den Weg, wie der Rest der Branche, die behandeln sie auch nicht arrogant oder mit Desinteresse, die verkaufen einfach.
Ich will dann aber kein Gejammer hören, dass Amazon alles verdrängt. Das Problem ist zu nicht geringen Teilen selbstgemacht.
der mit dem Quark, der war gut!
Viele Grüße
bitte hören Sie doch auf zu behaupten, dass Buchhändler über Amazon jammern! Ich kenne nur Buchhändler, die Konkurrenz zur Kenntnis nehmen, sich ihr stellen und in vielen Fällen besser sind als diese.
Er hat nur auf eins verzichtet: Was sich heute mit dem coolen Label Selfpublishing schmückt nannte der Buchhandel sowie die Verlagskollegen: Eitelkeitsproduktion.
Heute können es sich auch andere leisten. Ein Unterschied zwischen BoD und Co sowie "Verlag sucht Autoren" gibt es nicht mehr. Deshalb rate ich allen bei seriösen Verlagen abgelehnten Autoren, lieber an ihrem Werk selbstkritisch weiterzuarbeiten, anstatt sich mit Sellfpublishing ins Abseits zu katapultieren.
Es sei hier auch verraten, daß es tolle Agenturen gibt sowie Uschtrin. Das gehört eigentlich in den Artikel, der in dem Sinn zu einseitig und selbstmitleidig ist.
Steigende Umsätze? Natürlich: Die Preise dieser "Dienstleister" sind ja hoch genug. Da ist der Buchumsatz nach erfolgter Produktion Nebensache.