Silvia Horn über die Präsentation von Ratgebern

Hallux trifft Alpenapotheke

8. März 2018
von Börsenblatt
Buchhändlerin Silvia Horn fährt bei der Ratgeber-Präsentation eine neue Strategie. Und hat viele Ideen, wie sich die Verkaufszahlen steigern lassen könnten – wenn die Verlage mitziehen.

Ratgeber gehören zu den wenigen Warengruppen, die seit meiner Ausbildung so heißen – und das Wort klingt heute noch genauso unsexy wie damals. Aber: Wenn mein Herz sich für einen Titel erwärmt, können eine gute Platzierung im Laden und die persönliche Empfehlung erstaunliche Verkaufszahlen generieren. Schade nur, dass meine Lieblingstitel oft nach zwei Jahren schon wieder weg vom Fenster sind – dann heißt es, sich aufs Neue zu verlieben.

Leseexemplare sind dabei der sicherste Weg in Herz und Sortiment. Auch die Bestsellerliste Ratgeber ist ein toller neuer Service. Denn im Eifer des Tagesgeschäfts vergessen wir schon mal, den Frühling mit Gartenbüchern, Pflanzenapotheken und Bienentiteln zu begrüßen. Die Charts erinnern uns daran und machen uns bewusst, wie viele Ratgeber sich seit vielen Jahren sehr gut verkaufen.

Seit Jahren schon wollen wir ein Favoritenregal für Sach­bücher und Ratgeber freiräumen, mit Rezensionen von uns und mit genau so viel Liebe gestaltet wie der Tisch mit unseren ­Romanempfehlungen. Dort werden sich dann neue wie alte Titel tummeln und die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich ziehen. Denn das ist die Hürde für jeden Ratgeber: gesehen werden! Die Zahl unserer "Bummelbesucher", die Zeit haben, Bücher Rücken an Rücken durchzustöbern, nimmt jedenfalls erschreckend ab. Und wo geht sie hin, die Zeit unserer Kunden? Ins Worldwide Google, wo sie Rat suchen und die abstrusesten Titel finden, die wir ihnen dann wieder ausreden – um sie stattdessen davon zu überzeugen, dass es Verlage gibt, die seit vielen Jahren Kompetenz und Erfahrung mit eben diesem Thema haben ...

Unter dem Strich sind wir beim Ratgeber-Einkauf eher zurückhaltend. Denn Aktionspakete zu ordern, um sie dann wieder zurückzuschicken, macht Arbeit, schadet dem Umsatz und bindet Platz. Eine überzeugende Auswahl aus den Programm verschiedener Verlage gelingt uns so nicht. Und aus jedem der vielen ähnlichen Angebote drei Titel auszusuchen, ist wegen der Kondi­tionen und mangelnder Novitäten- und Nachauflagen-Bündelung ebenfalls schwierig. Deshalb greifen wir immer mal wieder zu den fertig geschnürten Themenpaketen der Großhändler. Ist die Saison vorbei, machen sich die Bücher schnell davon.

Das passt dann auch zu unserer neuen Strategie: Wir haben die Warengruppen Spiritualität, Gesundheit, Draußen, Reli­gion und Psychologie aufgelöst und präsentieren alles auf Sicht und appetitlich mit Non-Books dekoriert. Der eine oder andere Spontankauf hat sich daraus schon ergeben – etwa wenn der Hallux-Stapel gleich neben der "Alpenapotheke" liegt. Außerdem machen uns die Warengruppen so viel mehr Spaß und werden mit mehr Liebe dekoriert. Die neue Gestaltung vieler Ratgeber und vor allem die neuen humorvollen Titel kommen uns da gerade recht (zum Beispiel "Nie wieder Geranien").

Unsere Besucher kommen nicht mehr so oft, weil sie einen konkreten Ratgeber haben wollen, sondern sie erwarten eine Auswahl, die Appetit macht und zum Kauf verführt. Fast könnte man meinen, Bücher machen dick. Und ein bisschen ist es ja auch so: Die Kunden haben schon so viele in ihrem Regal – und daheim keinen Platz mehr.

Unsere Erfahrung: Blogger befriedigen den Appetit schon beim Angucken der Website, da folgt kein Buchkauf mehr! Und noch ein Wunsch: Seien Sie kreativ und spielerisch, aber nehmen Sie uns mit, lassen Sie uns das Buch in den Händen halten. Vor allem: Bitte, bitte lassen Sie die Begriffe "lernen" und "Schule" weg, denn auch Ratgeber werden verschenkt – und kein Mensch will seinen Lieben sagen, dass sie nichts können!

Silvia Horn betreibt in Grünwald bei München die Buchhandlung Bücher in den Schloßpassagen.