Sortimenter diskutieren über Metadatenbank

"Metadaten verkaufen Bücher"

25. März 2014
von Börsenblatt
Wunschtraum oder realisierbare Branchenlösung? Wie eine Metadatenbank VLB + aussehen muss, damit sie allen Branchenmitgliedern Nutzen stiftet - darüber diskutierten die Teilnehmer der VVA-Sortimentertagung in Hamburg sehr engagiert und äußerst lebendig.

Zuvor hatten Irmgard Clausen (Buchhandlung Riemann, Coburg), Annette Beetz, Marketing- und Vertriebsgeschäftsführerin von Rowohlt, Detlef Bauer, bei Libri verantwortlich für die Datenqualität, sowie MVB-Geschäftsführer Ronald Schild ihre Thesen und Anforderungen dargelegt.

Irmgard Clausen hob hervor, dass die Kunden einen umfassenden Überblick über Inhalte haben wollten ­ in jeglicher Publikationsform: print, digital, Hörbücher, DVDS etc. Und das schnell, preiswert, emotional, zugewandt und engagiert. Dazu sei eine umfassende Datenbank unverzichtbar.

Mit ihrem Onlineshop von KNV hat Clausen in den vergangenen Jahren 2,3 bis 2,4 Prozent ihres Gesamtumsatzes erwirtschaftet (ca. 40.000 bis 60.000 Euro pro Jahr). So richtig zufrieden war Clausen damit jedoch nie. Es fehlten im Barsortimentsangebot etwa 500.000 Titel, so die Buchhändlerin. „Was relevant ist, entscheidet nicht das Barsortiment, sondern die Kunden“, so ihre Auffassung. Die Benchmark ist für sie ohnehin Amazon: „Entweder machen Sie es besser als Amazon oder gar nicht“, meinte sie. Und zog die Konsequenzen, weil es ihrer Meinung nach kein optimales Angebot der Barsortimente gebe: Sie hat ihren Onlineshop abgeschaltet, bietet ihren Kunden zwar noch Informations- und Recherche-, aber keine Bestellmöglichkeiten. 

„Ich will einen Katalog, der lieferbare Titel in allen Formaten anzeigt, der eine intelligente Suche ermöglicht und viele Zusatzinformationen auflistet, damit ich mich im Netz profilieren kann“, formulierte Clausen. Dafür sei die geplante Metadatenbank genau das Richtige. 

Contra zu Clausens Vorgehen kam von Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller: „Ich bin mittelmäßig entsetzt, wenn man das Internet nicht weiterbetreibt“, so der Sortimenter. „Wenn wir keine Internetshops bieten, dann kaufen die Kunden erst recht bei Amazon.“ „Machen Sie den Fehler nicht und geben Sie diesen Markt auf“, appellierte Riethmüller. 

Verlage müssen liefern

Annette Beetz (Rowohlt) befasste sich mit der Rolle der Verlage, die Informationen für die Metadatenbank liefern und bereitstellen müssten. „Damit ein Titel Erfolg haben kann, muss er gefunden werden“, betonte Beetz. „Wir müssen verstehen, wie Leser ihre Bücher online suchen und finden und wie wir unsere Titel für Suchmaschinen und auf Webseiten sichtbar machen.“ Die Daten würden sich vom Einkauf bis zur Verfügbarkeit ständig ändern – und müssten permanent gepflegt werden. 

Um zu unterstreichen, wie wichtig eine Metadatenbank ist, hatte Beetz Zahlen aus dem US-Markt mitgebracht. So erhöht sich beispielsweise der Verkauf eines Titels um 268 Prozent, wenn die Basis-Metadaten vollständig und korrekt gepflegt sind. Nochmals 55 Prozent kämen hinzu, wenn die Metadaten angereichert werden. Und ein Titel, dessen Metadaten gut gepflegt sind, verkauft sich um 700 Prozent besser als einer, dessen Daten schlecht gepflegt sind.

Die Verlage hätten eine hohe Verantwortung dafür, dass die Anzahl von Kontaktpunkten mit den Büchern möglichst hoch sei. Das sei ein Beitrag, den die Verlage leisten möchten. „Damit sichern wir den Erhalt unserer vitalen Buchkultur“, so Beetz. 

Task-Force-Ergebnisse

Von der Task Force Metadatenbank berichtete Ronald Schild (MVB). Ziel sei es, einen spartenübergreifenden Konsens zu finden, nicht zuletzt dafür sei die Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die in den vergangenen Monaten sehr intensiv getagt hatte.

Geeinigt hat sich die Task Force, wie berichtet, auf Meldegebühren in Abhängigkeit von der Datenqualität, sprich: auf ein monetäres Anreizsystem. Je besser die Daten, desto geringer die Meldegebühren. „Metadaten verkaufen Bücher“, unterstrich Ronald Schild. Eine besondere Rolle komme dabei den Lieferbarkeitsinformationen zu. „Die Lieferbarkeit ist für den Verkauf existenziell, das überragende Kriterium“, sagte Schild. Bislang hätten von den älteren Titeln nur 57 Prozent eine Lieferbarkeitsinformation, bei den neuen seien es 73 Prozent. 

Auch über eine unabhängige Bewertungsdatenbank war in der Taskforce diskutiert worden. Sie soll an den Start gebracht werden, wenn sich mindestens 350 Buchhändler bereit erklären, sie zu füttern und täglich 50 neue Rezensionen einzustellen. Das Grobkonzept dafür stehe bereits, so Schild. Die Bewertungen sollen in die Shop-Systeme integriert werden. „Produktbewertungen sind ein wichtiger Wettbewerbsvorteil“, machte er deutlich. 

Digitale Vorschauen standen bei der Taskforce ebenfalls auf der Agenda, „ sie machen es möglich, dass jede Zielgruppe die Information erhält, die sie benötigt“, sagte Schild. Streuverluste würden verringert, die Kosten für teure Printvorschauen gesenkt. Hier habe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. 

Weiterer Datendienstleister nötig?

Detlef Bauer (Libri) stellte dar, dass sich die Barsortimente nach wie vor als Wettbewerber in Sachen Datenbank sehen. Vieles, was für die Metadatenbank geplant sei, könnten sie schon, daher sollte zusammengearbeitet werden. Die Abstufung der Meldegebühren nach Qualität bezeichnete er als „Albtraum“, da die Kontrolle sehr aufwendig sei. Und dazu führen würde, dass vor allem kleinere und mittlere Verlage mehr zahlen müssten.

Kritik übte er auch an der Anzahl der Pflichtfelder, die nicht hoch genug sei. Unter dem Strich bezeichnete er die Metadatenbank VLB + als beherztes Ziel, den Beginn jedoch als halbherzig.

Michael Jens (Decius) sprang Bauer bei und stellte die Frage: „Brauchen wir tatsächlich einen weiteren Datendienstleister?“

Bei der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass die Sortimenter ein großes Interesse an einer hohen Datenqualität haben. „Wenn wir nicht über gute Daten verfügen, sind wir bald nicht mehr da und verschwinden vom Markt“, sagte etwa Thomas Wrensch (Buchhandlung Graff, Braunschweig). Iris Hunscheid vom AkS appellierte an die Barsortimente, ihre Daten weiterzugeben.

Uneinig waren sich die Buchhändler hingegen bei den digitalen Vorschauen. Das Meinungsspektrum reichte von „Ich fände es göttlich, wenn die Vorschauen digital wären“ (Sara Willwerth), bis hin zu „Wollen wir eigentlich nur noch vor digitalen Informationen sitzen?“ (Andrea Nunne). Bei einer Abfrage per Handzeichen gingen jedoch deutlich mehr Hände pro digitale Vorschau in die Höhe. 

Und so geht es weiter mit der Metadatenbank:

In der kommenden Woche wird das Metadatenbank-Konzept dem Branchenparlament vorgestellt und dort diskutiert.

Es wird ein Preis- und Finanzierungsmodell erarbeitet.

Das Gesamtkonzept wird im Juni bei den Buchtagen in Berlin präsentiert.