Spannendes aus Italien

Dunkle Wege

28. Januar 2016
von Börsenblatt
Der italienische Gegenwartskrimi lebt von der Anschauung: Seine Autoren kennen die Milieus und sind selbst den Abgründen entstiegen, in die sie ihre Helden schauen lassen. Eine aktuelle Auswahl.

Der Geburtsort entscheidet oft über das Schicksal eines Menschen – wie im Falle des Bergdorfs Africo im Aspromonte (wörtlich: "rauer Berg"), einer schwer zugänglichen Re­gion in Südkalabrien. Entweder man erliegt der Faszination des schnellen Gelds und gerät in die Fänge der 'Ndrangheta oder man sucht das Weite und macht anderswo eine bürgerliche Karriere. So war es bei Gioacchino Criaco, der 1965 in eine Familie von Ziegenhirten hineingeboren wurde und es später zum Rechtsanwalt in Mailand brachte. Wieder in seine Heimat zurückgekehrt, schrieb Criaco, dessen Bruder Pietro zu den 30 meistgesuchten Verbrechern Italiens gehörte, einen Roman über das Schicksal dreier Jungen, die sich für den dunklen Weg entscheiden: "Schwarze Seelen" ("Anime nere"). 2008 im italienischen Original erschienen, hat der Folio Verlag das 2014 verfilmte Buch nun für das deutschsprachige Lesepublikum entdeckt. Als das Trio, das seine fragwürdige Existenz zunächst mit Diebstählen und Entführungen finanziert, in das internationale Drogengeschäft einsteigt, kommt es mächtigeren Gangstern in die Quere. Die düstere Weltsicht, die das Buch verbreitet, macht es zum "kalabrischen Noir" (März, 229 S., ca. 22,90 Euro).

Erfahrungsgesättigt sind die meisten Krimis italienischer Autoren – so auch Massimo Carlottos nächster Roman "Am Ende eines öden Tages", der im Februar bei Tropen / Klett-Cotta erscheint. Carlotto, der in den 70er Jahren mit den linksextremen Brigate Rosse sympathisierte und zu Unrecht wegen Mordes verurteilt wurde, war Jahre auf der Flucht und saß sechs Jahre im Gefängnis, bevor er 1993 begnadigt wurde. In seinem neuen Buch geht es um den Exterroristen und Verbrecher Giorgio Pellegrini, der es mithilfe eines Gönners in bürgerliche Kreise geschafft hat. Als dieser sich gegen ihn wendet, setzt Pellegrini alle Hebel in Bewegung, um seinen Status nicht zu verlieren.

Auch Gianrico Carofiglio, langjähriger Antimafia-Staatsanwalt in Bari und Berater des italienischen Parlaments in Sachen organisierte Kriminalität, weiß, wovon er schreibt. Im März erscheinen gleich zwei seiner Romane erstmals auf Deutsch: "Trügerische Gewissheit" bei Folio (144 S., ca. 14,90 Euro) und "Eine Frage der Würde. Ein Fall für Avvocato Guerrieri" bei Goldmann (ca. 288 S., ca. 19,99 Euro). Der Anwalt soll im aktuellen Fall einem früheren Kommilitonen aus der Patsche helfen, der den Eindruck hat, dass gegen ihn wegen Bestechlichkeit ermittelt wird. In dem Moment, in dem Guerrieri das Gericht von der Unschuld seines Mandanten überzeugt, be­ginnt er selbst zu zweifeln. In "Trügerische Gewissheit", einer klassisch gebauten Detective Story, geht es um einen Mord, dessen Täterschaft auf der Hand zu liegen scheint. Doch je weiter der Fall aufgeklärt wird, desto mehr schält sich eine neue Täterhypothese heraus. Carofiglio erzählt wirklichkeitsnah, sehr authentisch – man spürt förmlich den Atem seiner Protagonisten.

"Das Labyrinth der Spiegel" ist Andrea Camilleris 23. Roman um den sizilianischen Commissario Montalbano. Diesmal kreuzt eine neue Nachbarin, die mit ungeklärten Bomben­attenaten in Verbindung stehen könnte, mehrfach seinen Weg (Lübbe, Mai, 272 S., 22 Euro).

Den ersten Fall des früheren Polizeipsychologen Matteo Basso, der in seine Heimat am Lago Maggiore zurückgekehrt ist, um die Metzgerei seines Vaters zu übernehmen, erzählt Bruno Varese – das Pseudonym eines deutschsprachigen Autors – in seinem Roman "Die Tote am Lago Maggiore" (Kiepenheuer & Witsch, Februar, 304 S., 9,99 Euro). Gute, leichte Unterhaltung, die natürlich besonders den Lesern Spaß macht, die den Lago zu ihrer Wahlheimat erkoren haben.