Thalia: CEO Michael Busch zur neuen Kampagne

"Wir hoffen, dass die Kollegen schnell dabei sind"

19. September 2018
von Börsenblatt
"Welt, bleib wach" heißt der neue Claim von Thalia, der Bestandteil einer Neupositionierung des Buchhändlers ist. Im Interview wirbt Thalia-Chef Michael Busch dafür, dass sich auch andere Branchenteilnehmer an der Kampagne beteiligen - und lässt hinter die Kulissen eines für ihn ungewöhnlichen Projektablaufs blicken.

Das Projekt "Thalia erfindet sich neu" lief anders als andere Projekte im Haus des größten Sortimentsbuchhändlers. Rund 100 Mitarbeiter aller Hierarchiestufen haben sich ab Februar 2017 mit ihren Ideen in den neuen Gesamtauftritt eingebracht und gemeinsam mit Agenturen daran gefeilt. Für Thalia Chef Michael Busch eine neue Erfahrung. Eine Arbeit ohne Deadline, die fertig ist, wenn sie fertig ist. Zu Beginn dachte man, die erste Filiale nach dem neuen Konzept könne im November 2017 eröffnet werden. Nun wird es zwar auch November, aber eben November 2018. "Macht nichts", sagt Busch, der sich in Geduld und Demut üben musste. Denn wie alle anderen hatte auch er nur eine Stimme. "Musik von vorn", wie er es nennt, gab es nicht. Dafür ist er jetzt mit dem Ergebnis, das sich aus der Teamarbeit entwickelt hat, umso glücklicher.

Ihr Claim "Welt, bleib wach" klingt groß. Hoffen Sie, dass sich auch andere Branchenteilnehmer Ihrer Kampagne anschließen?
Ja, das ist genauso gedacht. Wir haben schon die Hoffnung, dass sich Börsenverein, Buchhändler und Verleger mit in unsere Kampagne für das Lesen einbringen. Lesende Menschen sind für die Herausforderungen der Zukunft besser gerüstet. Mit den aufmerksamkeitsstarken Motiven wollen wir die Menschen zum Nachdenken über ihr Medienverhalten anregen. Zunächst gehen wir aber den gleichen Weg, wie wir ihn damals beim tolino mit unseren Partnern Hugendubel, Weltbild und Bertelsmann gegangen sind. Bei dieser neuen Initiative investiert Thalia jetzt ohnehin und geht voran, und dann öffnen wir uns für weitere Partner. Die Kampagne zahlt ja nicht nur auf Thalia ein, sondern sie leistet einen wichtigen Beitrag dazu, das Lesen wieder populärer zu machen. Mit dem tolino haben Thalia beziehungsweise die Allianz als Ganzes damals bewiesen, dass wir in der Branche kooperativ zusammenarbeiten können. Ich würde mir wünschen, dass dieses Mal nicht so lange diskutiert wird, sondern die Kollegen schnell dabei sind.

Den Claim hat das Thalia-Team gemeinsam mit der Hamburger Kreativagentur Wynken, Blynken & Nod entwickelt. Es habe am Ende des Prozesses nur diesen einen überzeugenden Vorschlag gegeben und man sei schon bei der ersten Präsentation begeistert davon gewesen. Er drücke genau das aus, was man sich bei Thalia vorgestellt habe. Ein Claim, der bewusst offen gehalten ist, die Marke Thalia nicht erwähnt – als Einladung an die Branche, sich ihn zu eigen zu machen.

Wie stellen Sie sich die Beteiligung ihrer Kollegen vor?
Sie könnten beispielsweise Teil der Projektteams sein, das es weiterhin geben wird. Warum soll nicht im Projektteam Ladendesign jemand von Hugendubel oder der Mayerschen und im Projektteam Kommunikation jemand von Osiander vertreten sein? Partner, mit denen wir schon seit langem auf anderen Feldern, wie tolino oder bei der Prozessoptimierung erfolgreich zusammenarbeiten

Weshalb haben Sie sich nicht von Beginn an Partner gesucht?
Wenn wir das getan hätten, hätte es nicht eineinhalb, sondern drei Jahre gedauert, bis die Kampagne steht. Wir denken: Entweder der Erfolg gibt uns Recht, dann werden andere dabei sein wollen. Oder: Wir sind nicht gut, dann hätten wir den Kollegen nur die Zeit gestohlen.

Die Finanzierung stemmen Sie auch komplett alleine?
Bisher ja, wir haben von niemandem eine Anschubfinanzierung oder Unterstützung erhalten.

Wieviel Geld stecken Sie in die Kampagne?
Wenn man alles zusammenrechnet, auch die Arbeitszeit der rund 100 Mitarbeiter, die in den verschiedenen Projektgruppen tätig waren, kommen da bisher schon fast vier Millionen Euro zusammen. Die Medialeistung der nächsten 15 Monate ist natürlich noch on top zu rechnen.

Bei welchen Ergebnissen wird die Kampagne für Sie erfolgreich gewesen sein?
Noch haben wir keine genauen Kennzahlen definiert. Das machen wir Anfang des kommenden Jahres, wenn unsere Testfilialen in Düsseldorf, Hagen und Leipzig drei bis vier Monate in Betrieb sind. Es geht hier zunächst einmal nicht um harte Zahlen. Wir nähern uns dem Thema von einer anderen Seite und fragen uns: Erreichen wir nachhaltig mehr Kunden, wie entwickeln sich Frequenz, Verweildauer, Wiederkaufrate, Interaktion über die sozialen Medien? Wenn wir auf diesen Feldern positive Fortschritte sehen, brauchen wir uns über die Steigerung der Umsätze keine Gedanken mehr zu machen.

Die neuen Thalia Filialen sollen "Der Treffpunkt in Deiner Nähe" sein. Spielecke, Coffee und Coworking sollen die Kunden zum Verweilen einladen, die Bücher werden luftig präsentiert. Auch Exklusives soll es geben: Gemeinsam mit Partnern will Thalia beispielsweise zu acht Themen im Jahr exklusive Bücher und Non-Books anbieten. Den Auftakt macht zu Weihnachten eine Loriot-Kollektion.

Wollen Sie alle knapp 300 Thalia-Filialen nach dem neuen Konzept gestalten?
Wir werden grundsätzliche Services definieren, die es in allen Buchhandlungen gibt. Parallel dazu werden Service-Leuchttürme getestet, die unser gesamtes Spektrum zeigen. Jetzt zu Beginn wird immer mal wieder nachgesteuert werden müssen. Bis alle Buchhandlungen da sind, wo wir sie haben wollen, werden sicher zwei bis drei Jahre vergehen.

Und auch diese Investitionen stemmen Sie alleine?
Auf jeden Fall ohne Banken! Unsere gute finanzielle Ausgangslage ermöglicht es uns überhaupt erst, diesen ersten Schritt zu gehen und innerhalb der Branche den Anstoß zu geben. Angesichts der Höhe der Investitionen ist jedoch klar, dass wir die Initiative nicht ohne die Unterstützung unserer Partner stemmen können.

Das Geschäftsjahr von Thalia endet zwar erst am 30. September, aber so viel hat Busch in Düsseldorf bereits verraten: Umsatz und Ergebnis haben sich gegenüber dem Vorjahr verbessert. Das Ergebnis sei sogar das beste der letzten sieben Jahre und Thalia sei wirtschaftlich gesund, zum Ende des Geschäftsjahres sogar komplett schuldenfrei. Die anstehenden Investitionen könne man aus dem cash-flow tätigen. Auch für zehn und mehr Neueröffnungen sowie Übernahmen im Jahr 2019 reiche das Geld.

Warum kommt der Neuauftritt ausgerechnet jetzt, ein Jahr vor dem Thalia-Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen?
Für uns beginnt nun eine neue Zeitrechnung. Auf der einen Seite haben wir eine traditionsreiche Geschichte, auf die wir gern zurückblicken. Auf der anderen Seite wollen wir die nächsten 100 Jahre auch noch relevant für die Menschen sein. Unser Umfeld hat sich in den vergangenen Jahren so sehr geändert - da musste man sich einfach fragen, wie es langfristig für Thalia weitergehen wird. Das war für uns alle, der Ausgangspunkt, in diesen Prozess einzutreten – unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Und jetzt werden wir 15 Monate lang ein Feuerwerk zünden und versuchen, den Menschen wieder Lust aufs Lesen zu machen.