Tier-Ratgeber

Dolmetscher für Vierbeiner

6. Oktober 2016
von Börsenblatt
Tier-Ratgeber gibt es zu allen erdenklichen Spezialthemen. Und doch fallen den Verlagen immer wieder neue Ansätze ein, vor allem bei der Frage: Wie kommunizieren Tier und Mensch miteinander? 

Seit 14 000 Jahren leben Hunde in Gemeinschaft mit Menschen. Da sind die gut 500 Bücher, die das VLB zu dieser Beziehung listet, gar nicht so viel ... 

Spaß beiseite: Der Markt an Tier-­Ratgebern – etwa im Hunde-, Katzen- oder Pferdebereich – ist mehr als gesättigt. Trotzdem erscheinen auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Novitäten oder werden bewährte Titel von den Verlagen neu aufgelegt. Kosmos etwa bringt im November eine überarbeitete Version von »Was denkt mein Hund?« heraus. Der »Fotodolmetscher« von ­Heike Schmidt-Röger setzt auf aussagekräftige Abbildungen, unterlegt mit ­erklärendem Text. »Durch die visuelle Darstellung können Hundebesitzer die Körpersprache ihres Hundes leicht verstehen lernen«, sagt Hilke Heinemann, Lektorin für Hunde und Heimtiere.

Analog dazu schickt Kosmos auch »Was denkt meine Katze?« von Brigitte Rauth-Widmann mit einer Neuauflage ins Rennen. Bei Katzenbesitzern sei der Informationsbedarf nicht ganz so groß, weiß Heinemann. »Sie schätzen an ihren Tieren oft die Individualität und scheinbare Nicht-Erziehbarkeit und stehen nicht so in der Öffentlichkeit wie mit einem Hund.« Daher würden sie eher Bücher zur Problemlösung suchen, aber natürlich auch zum besseren Verständnis von Katzen allgemein.

Hunde- und Pferdehalter hingegen ­lesen besonders gern und viele Bücher über ihre Lieblinge und sind laufend an der Erweiterung ihres Wissens über Trends und neue Entwicklungen interessiert. »Sie wollen ernst genommen werden und erwarten für ihre spezifischen Fragen spezifische Lösungen und verlässliche Informationen«, sagt Birgitta Barlet, Programmleitung Buch bei Kosmos. »Für beide ist die Harmonie mit dem Tier ein zentraler Bestandteil.«

Hund und Pferd im Plus  
Das führt dazu, dass beide Segmente seit Jahren stabil sind und bei Kosmos zuletzt sogar ein leichtes Plus verzeichnen konnten. Das Portfolio, das vom Einsteigerband bis zu umfangreichen wissenschaftlichen Büchern reicht, wird laufend erweitert – zuletzt um Titel wie »Kommt nicht, gibt’s nicht: So klappt der Rückruf bei jedem Hund« von Claudia Toll, »Körpersprache von Hund und Mensch« von ­Johanna Esser, »Sprachkurs Hund« von »Pfoten-Papst« Martin Rütter oder »Freie Bodenarbeit mit dem Pferd« von Andrea und Markus Eschbach.

»Das Pferde-Segment nimmt dieses Jahr auch durch Olympia Fahrt auf«, sagt Barlet – im Juli erschien passend dazu das neue Buch zur Reitphilosophie von Ingrid Klimke. Außerdem hat Kosmos seine Pferdebücher mit einer Buchhandelsaktion flankiert.

Je spezieller ein Tier-Thema, desto besser funktioniere es, heißt es aus der Branche übereinstimmend. Allgemeinere Bücher, die quasi den Rundumschlag durch die Welt einer bestimmten Gattung machen, bleiben dagegen oft austauschbar. Neben der inhaltlichen Ausrichtung ist der Name des Autors wichtig. Viele bekannte Experten haben eine feste Verlagsheimat. Sie schreiben immer wieder Bücher und bringen ihre Fan­gemeinde idealerweise mit – selbst wenn sich an einigen, wie zum Beispiel Martin Rütter oder dem US-Hundetrainer Cesar Millan, den Goldmann im Programm hat, die Geister scheiden.

»Da unsere Lektoren Teil der Zielgruppe sind, selbst Tiere haben und die Szene gut kennen, wissen sie sehr früh, welche neuen Beschäftigungsideen, ­Erziehungsmethoden oder wissenschaftlichen Erkenntnisse diskutiert werden, und können einschätzen, ob ein Produkt dazu sinnvoll ist«, sagt Birgitta Barlet. Dabei versuche man einen Überblick über unterschiedliche Aus­bildungsmethoden zu geben, natürlich immer auch im Hinblick auf tierschutzrechtliche Aspekte.

Vom Trainer zum Autor  Auf Autoren, die selbst Hundeschulen betreiben, setzt auch der Reutlinger Verlag Oertel + Spörer. Dort ist gerade das Buch »Sozialpartner Hund« von Silvia Küng erschienen. Den inhaltlichen Anspruch seiner Sach- und Fachbücher hält Oertel + Spörer für höher als bei den »Hansi- und ­Bubi-Ratgebern« manch anderer Verlage, »die oft bloß irgendwo abgeschrieben wurden«, wie Gabriele Lehari, Leiterin des Verlagsbereichs Tierbuch, über einige Konkurrenten sagt. Aus ihrer Sicht gibt es zwei Arten von Hundebesitzern: »Die einen kaufen kein Buch, weil sie alle Informationen im Internet finden. Die anderen interessieren sich, aber meist nur für die Spezialthemen.« Besonders gut laufen bei Oertel + Spörer derzeit Sport- und Gesundheitstitel, etwa über Flyball-Spiele oder Heilpflanzen für Haustiere. »Im Idealfall ist ein Titel bei uns nach ein bis zwei Jahren abverkauft«, so Lehari. 

Mit einer ganzen Reihe Novitäten warten in diesem Herbst auch die Paul Pietsch Verlage (mit dem Imprint Müller Rüschlikon) auf. Der Spezialist für klassische »Männerthemen« wie Auto, Motor, Militär pflegt schon länger ein größeres Portfolio an Hunde-, Katzen- und Pferde-Ratgebern.

Das seit Kurzem erhältliche Buch »Mein Hund hat Angst« von Petra Krivy und Udo Gansloßer richtet sich naturgemäß an eine eher kleine Zielgruppe und ist kein klassisches Trainingsbuch. Vielmehr will es Hintergrundwissen aus der Verhaltensbiologie vermitteln und dem Hundehalter anhand von Fallbeispielen und Erfahrungsberichten ermöglichen,  daraus praktische Lehren für sich und seinen Hund zu ziehen. Ebenfalls in diesen Tagen erscheint bei den Stuttgartern »Gelassenheits-Training. Pferde-Typen richtig trainieren« von Yvonne Gutsche, das auf einzelne Charaktere und Stress­situationen eingeht.

Fit für die Stadt  
Und was macht der Platzhirsch Gräfe und Unzer, seit Jahrzehnten Gast in den Bücherregalen von Nymphensittich-, Goldhamster- und Hundebesitzern? Dort geht es ab Ende Oktober um »Hundeerziehung in der Stadt«. Kirsten Wolf und Anja Mack ­erklären, wie Herrchen und Frauchen ihre Vierbeiner an klassische Alltagssituationen wie Busfahren oder das Durch­queren von Menschenmassen gewöhnen.

Beim Thema »Katzensprache« setzt GU seit dem Frühjahr auf die Dienste des Zoologen Gerd Ludwig, der zuvor bereits andere GU-Bücher geschrieben hat. Dass der Band bei Kosmos und sogar bei GU selbst eine gleichnamige Entsprechung hat – aus der Feder der Diplom-Biologin Helga Hofmann mit insgesamt vier Auflagen –, spielt offenbar in diesem grenzen- und zeitlos nachgefragten Genre der Tierratgeber keine Rolle. Trends und Erziehungsmethoden kommen und gehen. Das Bedürfnis, unseren vierbeinigen Gefährten über Bücher näherzukommen, wird aber sicher noch ein Weilchen anhalten.