Uwe-Johnson-Preis geht an Ralf Rothmann

Wie der Krieg die Seele angreift

20. Juli 2018
von Börsenblatt
Der in Berlin lebende Schriftsteller Ralf Rothmann erhält den mit 20.000 Euro dotierten Uwe-Johnson-Preis 2018 für seinen Roman "Der Gott jenes Sommers" (Suhrkamp). Die Jury hob zudem die "unbestechliche Erinnerungsarbeit" in Rothmanns Gesamtwerk hervor.

Die sechsköpfige Jury hatte Rothmanns Roman aus mehr als 100 Texten und Manuskripten ausgewählt. Die Preisverleihung findet während der Uwe-Johnson-Tage am 21. September 2018 in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin statt.

 

Die Jury begründet ihre Entscheidung folgendermaßen:

"Mit ihrem Votum für 'Der Gott jenes Sommers' verleihen die Stifter den Uwe-Johnson-Preis 2018 an einen Autor, in dessen Gesamtwerk die unbestechliche Erinnerungsarbeit eine zentrale Rolle spielt. In seinem neuen Roman zeigt Ralf Rothmann aus der Sicht eines dreizehnjährigen Mädchens, dass Krieg nicht allein Tod und Verletzung, Entbehrung und Angst oder die Sorge um die Angehörigen bedeuten. Es geht ihm nicht nur um die Darstellung der äußeren Gewalt. Rothmann beschreibt eindrucksvoll, wie der Krieg die Seele angreift und die 'ethische Sicherheit' des einzelnen bedroht.

'Der Gott jenes Sommers' ist geprägt von einer Schreibweise, in der die präzise Darstellung des tagtäglichen Lebens vordringt zu einem minutiösen Abwägen zwischen Freiheit und Zwang, zwischen Widerstand und Resignation, Erlaubtem und Verbrechen – und deren Zwischenstufen. Indem der Autor in seinen Roman Erzählstücke hineinwebt, die im Dreißigjährigen Krieg angesiedelt sind, stellt er eine Verbindung der Zeiten her und wirft die existenzielle Frage auf, ob der Mensch aus den Kriegen 'gelernt' hat.

Die außergewöhnliche Fülle an Details und die Art der Darstellung lassen uns staunend erfahren, wie das letzte Kriegsjahr und der Sommer 1945, die still und leise aus den Berichten von Zeitzeugen zu verschwinden drohen, durch das literarische Erinnern erneut wichtig werden für die Gegenwart. Ralf Rothmanns Kunst besteht darin, dem Individuum Rechnung zu tragen und es zugleich in den gesellschaftlichen Zeitläuften zu verorten, in die es – oft gegen seinen Willen – hineingezogen wird. Das impliziert neben dem Realismus des Erzählens, wie bei Uwe Johnson, die Wort für Wort artikulierte Hoffnung: Das private und allgemeine Verhängnis dürfen nicht das letzte Wort behalten."

Die Jury

Die diesjährige Jury besteht aus Andrea Gottke, Leiterin der Redaktion Kultur beim NDR Landesfunkhaus Mecklenburg-Vorpommern, Suhrkamp-Cheflektor Raimund Fellinger, Carsten Gansel, Professor für Neuere deutsche Literatur und Literatur- und Mediendidaktik an der Universität Gießen (Sprecher), Michael Hametner, ehemals leitender Literaturredakteur und Moderator bei MDR FIGARO; Thomas Hummitzsch, freier Kritiker und Pressesprecher im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR sowie René Strien, ehemaliger Geschäftsführer des Aufbau Verlags und seit 2018 Geschäftsführer des Okapi Verlags Berlin.

Der Uwe-Johnson-Preis wird von der Mecklenburgischen Literatur­gesellschaft e.V. (Neubrandenburg) gemeinsam mit der Kanzlei Gentz und Partner Rechtsanwälte mbB (Berlin) und dem Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR im jährlichen Wechsel mit dem Uwe-Johnson-Förderpreis vergeben.