Verlage gestalten Marketingaktionen oft am Bedarf vorbei

"Hättet Ihr doch mal vorher uns Buchhändler gefragt"

12. Oktober 2017
von Börsenblatt
"Nicht noch eine Aktion!", stöhnen Buchhändler unisono, wenn die Marketingabteilungen der Verlage sie becircen. Dass viele Werbeanstrengungen komplett ins Leere laufen, machte eine Podiumsdiskussion der IG Regionalia auf der Frankfurter Buchmesse deutlich.

"Vielleicht sind die Buchhändler zu große Individualisten und jeder hat seine eigene Vorstellungen, was in seinen Laden passt", meinte Dieter Dausien vom Buchladen am Freiheitsplatz in Hanau. Die Verlage unternähmen unglaublich große Marketinganstrengungen − "aber das meiste geht an uns vorbei", konstatierte er nüchtern. Denn viele Aktionen zielten auf die Breite, was unweigerlich nach sich ziehe, dass die Werbemittel "nicht zu unserer Art der Kundenansprache passen. Wir bieten eben nicht den Mainstream, sondern unsere eigenen Programme." Stünden in seiner Buchhandlung dieselben Stapel wie bei den Filialisten, "dann wäre das für uns fast schädlich, weil unsere Kunden anderes  bei uns suchen", stellte Dausien fest. Die ja auch monetär teure Manpower der Marketingabteilungen könne man wesentlich effektiver investieren.

Individuelle Werbemittel als Pluspunkt

Der Sortimenter nannte aber positive Gegenbeispiele: Hermann Schmidt in Mainz etwa unterstütze die Buchhandlung mit sehr individuellen Werbemittteln, "wir bekommen tolle Andrucke für die Dekoration, es gibt schöne Veranstaltungen mit der Verlegerin − das sind keine vorgefertigten Instant-Konzepte und es funktioniert durch die individuelle Ansprache sehr gut.""Ich muss mir immer bewusst sein, wie viele E-Mails, Telefonate und Anschreiben der Buchhändler innerhalb seines sehr langen Arbeitstags bekommt", überlegte Sewestos Sampsounis vom Größenwahn Verlag. "Aber ich muss trotzdem alles versuchen, um in das Schaufenster der Buchhandlung oder in den Laden zu kommen" − als Verleger stehe er ja auch unter Druck, die Autoren fragten ihn: Was tue er, um die Schriftsteller bekanntn zu machen? Er appellierte gerade an die unabhängigen Sortimenter, im Laden Platz für die Bücher unabhängiger Verlage freizuräumen, das passe doch zum individuellen Angebot jenseits des Mainstreams.

"Das Fünf-Meter-Plakat am Bahnhof nutzt mir nichts"

"Jeder Regalmeter muss Umsatz machen, und das ist mit kleinen Verlagen erstmal schwer", entgegnete ihm Daniel Lager von der Bücherstube am Krohnsstieg in Hamburg. Mit den wenigsten Büchern könne man viel Geld verdienen, das gelinge mit einer Handvoll Titel wie denen von Dan Brown oder Ken Follett − "aber für die braucht man noch einmal groß Werbung, die haben eine große Fangemeinde." Die riesigen Werbeaktionen von Verlagen brächten ihm meist sehr wenig: "Das Fünf-Meter-Plakat am Bahnhof nutzt mir nichts, das fotografieren die Reisenden ab und bestellen das Buch bei Amazon oder kaufen es gleich in der Bahnhofsbuchhandlung", konstatierte der Sortimnter, der auch im Sprecherkreis der IG unabhängiges Sortiment ist.

Aktionen laufen am Bedarf vorbei

Bei vielen Marketingaktionen denke er wie viele seiner Kollegen: "Hättet Ihr doch mal vorher uns Buchhändler gefragt! So viele Aktionen zeigen einfach eine große Realitätsferne zum Buchhändleralltag". Lager habe noch nie eine Aktion 1 zu 1 übernommen, wie sich der Verlag das vorgestellt habe: "Da müsste ich alle zwei Tage bei uns komplett umräumen."

Keine guten Noten für die Marketingabteilungen der Verlagen stellten die Sortimenter aus: Sie produzieren am tatsächlichen Bedarf vorbei, so ihr Befund. "Jede Buchhandlung ist ein Wirtschaftsbetrieb", ermunterte Lager aber auch zur "intelligenten" Zusammenarbeit, "denn wenn der Laden gut läuft, gibt es auch Freiräume zum Ausprobieren."