Vorlesestudie 2016

Kinder fordern: "Lest uns mehr vor!"

14. Oktober 2016
von Börsenblatt
91 Prozent der Kinder in Deutschland gefällt es gut, wenn ihnen vorgelesen wird, bei Kindern, in deren Haushalt eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird, sind es sogar 92 Prozent. Fast jedes dritte Kind, dem vorgelesen wird, wünscht sich, dass dies öfter geschieht (30 Prozent), bei Kindern, denen selten oder nie vorgelesen wird, ist es jedes zweite (49 Prozent). Das sind Ergebnisse aus der Vorlesestudie 2016, die die Stiftung Lesen heute in Berlin vorstellt.

In Haushalten mit mittlerer und niedriger Bildung gefällt es 90 bzw. 86 Prozent der Kinder gut, wenn sie vorgelesen bekommen (hohe Bildung: 94 Prozent). 

Bei der 10. Vorlesestudie wurden 521 repräsentativ ausgewählte Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren und ihre Mütter aus ganz Deutschland vom Marktforschungsinstitut Iconkids & Youth vom 14. Juni bis 8. Juli persönlich befragt. Studienleiterin Simone Ehmig von der Stiftung Lesen wies darauf hin, dass jeder Kindern vorlesen kann. Meist seien es die Eltern und vor allem die Mütter, die diese Aufgabe übernehmen. Kinder schätzten die gemeinsame Zeit und vertraute Atmosphäre mit ihren Eltern. „Aber auch das Vorlesen außerhalb der Familie, zum Beispiel durch Ehrenamtliche, ist wertvoll. Denn gute Geschichten spielen für die Kinder ebenfalls eine große Rolle.“ 55 Prozent der Kinder gefällt die Gemütlichkeit beim Vorlesen, 46 Prozent schätzen tolle Geschichten. Für jüngere Kinder steht dabei der Humor im Mittelpunkt. Bei älteren rücken Spannung und die Identifikation mit den Hauptfiguren in den Vordergrund.

 Vorlesen müsste in Deutschland selbstverständlich sein

"In Deutschland müssten Kinder geradezu ein 'Grundrecht' auf Vorlesen haben, denn hier liegt der Schlüssel zu Bildung - wer nicht lesen und schreiben kann, wird in unserer Gesellschaft durch das Raster fallen", sagte die Vorsitzende Fachkuratorium Bildung Deutsche Bahn Stiftung, Antje Neubauer. Die seit 2007 jährlich durchgeführte Vorlesestudie ist ein gemeinsames Projekt der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung "Die Zeit" und der Deutsche Bahn Stiftung. "Wie sollen sich Kinder oder Jugendliche sonst im Alltag, im Supermarkt, bei Behördengängen oder in den sozialen Netzwerken sicher bewegen? Deshalb muss das Vorlesen in Deutschland, wo die Bildung einen so hohen Stellenwert hat, selbstverständlich sein. Es gibt keinen Grund, den Kindern den Wunsch nach einer guten Vorlesegeschichte nicht jeden Tag neu zu erfüllen", so Neubauer in ihrer Bewertung der Ergebnisse.

Anteil der vorlesenden Eltern steigern

Die Studie zeige, dass fast alle Kinder das Bedürfnis haben, vorgelesen zu bekommen – und alle Eltern können es erfüllen, unabhängig von Bildung und Herkunft", ergänzte Manuel Hartung, Leiter des Ressorts "Chancen" bei der "Zeit". "Das bedeutet: Vorlesen ist für alle da. Es erfordert in erster Linie ein wenig Zeit." Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer Stiftung Lesen, formulierte abschließend ein Ziel: "Wenn Leseförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen wird, können wir bis 2020 den Anteil der Eltern, die zu selten vorlesen, auf 20 Prozent senken, bis 2030 auf 10 Prozent. Dann verfügen neun von zehn Kindern über die Bildungs- und Entwicklungschancen, die ihnen gerechterweise zustehen."

Die Initiatoren riefen auch zur Teilnahme am 13. Bundesweiten Vorlesetag auf, der in diesem Jahr am 18. November stattfindet.