Vorratsdatenspeicherung

Politiker streiten, Provider löschen

4. März 2010
von Börsenblatt
Seit das Bundesverfassungsgericht am Dienstag das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt hat, wird über die zukünftige Ausgestaltung eines neuen Gesetzes bereits heftig gestritten. Einen offenen Dissens gibt es in der Regierungskoalition zwischen Union und FDP. Unterdessen haben Telekommunikationsprovider mit der vom Gericht angeordneten Löschung der Daten begonnen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte Medienberichten zufolge, es sei jetzt "nicht der Zeitpunkt für nationale Schnellschüsse". Zunächst müsse das Urteil in Ruhe ausgewertet und das weitere Vorgehen mit der EU abgestimmt werden. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte angekündigt, die 2006 vom Ministerrat verabschiedete EU-Richtlinie zur vorsorglichen Datenspeicherung zu prüfen. Einen neuen deutschen Gesetzentwurf will die FDP offenbar von der Brüsseler Prüfung abhängig machen. Die "FAZ" beruft sich dabei auf Äußerungen der FDP-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Birgit Homburger. Die Politikerin hatte gesagt, es könne sein, dass die EU-Richtlinie ganz wegfallen oder eingeschränkt werden könne.

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach hingegen sorgt sich um die künftige Verbrechensbekämpfung und warnte vor der Entstehung eines Vakuums, das Straftäter als Einladung für Internetdelikte auffassen könnten. Er sprach damit dem Chef des Bundeskriminalamts und anderen Polizeivertretern aus der Seele, die nach dem Aus für die Vorratsdatenspeicherung eine Sicherheitslücke befürchten.

Gegner einer pauschalen Datenspeicherung wie der Chaos Computer Club und der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung warnen nun davor, in einen neuen Gesetzentwurf abermals die verdachtslose Speicherung von Daten aufzunehmen. Die Speicherung von Telekommunikationsdaten dürfe nur auf Verdacht und nicht ohne Anlass erfolgen.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung forderte in einer Stellungnahme den Stopp der flächendeckenden Überwachung in ganz Europa. "Die verdachtslose Erfassung vertraulicher Verbindungen und Bewegungen der gesamten Bevölkerung muss jetzt von der Politik schnellstens zurückgenommen werden", so Florian Altherr vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Die Bundesregierung kann bei einem entsprechenden Vorstoß auf die Unterstützung vieler Staaten wie Österreich, Schweden und Rumänien zählen, die sich der Vorratsdatenspeicherung bis heute verweigern."

Die Telekom und große Internet-Provider wie 1&1 haben inzwischen damit begonnen, auf Vorrat gespeicherte Daten zu vernichten. Philipp Blank, der Sprecher der Deutschen Telekom, sagte dem IT-Portal Golem.de, man sei gerade dabei, 19 Terabyte Vorratsdaten zu löschen. Auskünfte aufgrund noch vorhandener Datenbestände würde man ab sofort nicht mehr erteilen.

1&1 teilt auf seinem Blog mit, man werde der Aufforderung, die Vorratsdaten zu löschen, unmittelbar nachkommen. In wenigen Tagen wolle man ein Datenvolumen von 25 Terabyte vernichten. Davon seien neben 1&1 auch die Marken Gmx und Web.de betroffen, auf deren Seiten Millionen Kunden einen Webmail-Account unterhalten.