Weimarer Appell

Mehr Geld und Know-how gegen den Papierzerfall

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Vor genau zehn Jahren brannte am 2. September 2004 Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar: Nun haben Bibliotheken und Archive in einem "Weimarer Appell" mehr Geld für den Erhalt alter Bücher und Dokumente gefordert. Modedesigner Karl Lagerfeld, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt und auch Verlegerin Friede Springer unterzeichneten die Erklärung.
Getragen wird der Appell von der "Allianz schriftliches Kulturgut erhalten", der zwölf große deutsche Bibliotheken und Archive angehören. Unter den prominenten Erstunterzeichnern sind Altbundeskanzler Helmut Schmidt, Ex-Hanser-Verleger Michael Krüger, Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und Karl Lagerfeld. Der Aufruf kann im Internet mitunterzeichnet werden.

 

Hier der Wortlaut des Weimarer Appells vom 20. August:

"Vor zehn Jahren, am 2. September 2004, brannte die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Vor fünf Jahren, am 3. März 2009, stürzte das Historische Archiv der Stadt Köln ein. Auch das Hochwasser an Elbe und Donau im Jahr 2013 hat, wie zuvor schon 2002, Archive und Bibliotheken in Mitleidenschaft gezogen.

Die schriftliche Überlieferung ist durch Vernachlässigung zunehmend gefährdet. Eine Stadtgründungsurkunde, ein barockes Buch, eine alte Landkarte, das Fotoalbum eines Exilschriftstellers oder eine Notenhandschrift sind unverwechselbare Zeugnisse unserer Kulturgeschichte. Wir brauchen diese Originale weiterhin, auch wenn Abbilder davon für das Internet hergestellt sind. Nur die Originale sichern dauerhaft die Möglichkeit des wissenschaftlichen Verstehens. Originalerhalt und Digitalisierung ergänzen sich.

Im Einzelnen fordern wir:

1.       Die bewahrenden Kultureinrichtungen müssen mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um Bücher und Dokumente vor dem Papierzerfall zu retten und historische Bucheinbände in den Bibliotheken zu erhalten.

2.       Das Forschungsnetzwerk auf dem Gebiet der Restaurierung und des Kulturgüterschutzes muss ausgebaut werden.

3.       Bund und Länder müssen die zentrale Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Berlin dauerhaft absichern und mit den nötigen Finanzmitteln ausstatten, damit eine nationale Strategie umgesetzt werden kann.

4.       Auch wenn die Zuständigkeit für Kultur bei den Ländern liegt, muss die Initialzündung für die dringend benötigte Initiative von der Bundesebene ausgehen.

5.       Der Katastrophenschutz muss auf nationaler Ebene um den Schutz der Kulturgüter erweitert werden.

Wir appellieren an die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden, in Kirchen, Vereinen und Stiftungen, in gleicher Weise wie die baulichen Denkmäler auch die gefährdeten Originale der reichen kulturellen und wissenschaftlichen Überlieferung in Deutschland zu sichern!"