Kommen jetzt die vertikalen Shop-Plattformen?

Buchlichter - mit Spezialisierung und Kuratierung gegen Amazon & Co.?

6. Oktober 2015
von Börsenblatt
Sparte gegen Vollsortiment – diese Frage stellt sich nicht nur dem Buchhandel, sondern auch Shop-Betreibern. Zumal den großen Platzhirschen, deren umfassendes Angebot nicht mehr zu überbieten ist, an diesem Punkt kaum Paroli geboten werden kann. Warum dann nicht buchhändlerische Tugenden wie Auswahl, Beratung, aber auch Spezialisierung ins Digitale übertragen? Buchlichter, eine Shop-Plattform für digitale Kinder- und Jugendliteratur, wagt den Versuch.

Zeit also, sich das Projekt Buchlichter einmal genauer anzusehen und einen der Initiatoren, Caspar Armster, in Personalunion Verleger des Tilda Marleen-Verlags, zu interviewen. Das Gespräch führte Steffen Meier.

E-Books für Kinder und Jugendliche, Empfehlung durch Blogger – was genau verbirgt sich hinter dem Buchlichter-Konzept?

Wir verstehen Buchlichter als eine Kinder- und Jugend-»E-Book-Handlung«. Wir möchten die Vorzüge, die eine gut sortiere Spartenbuchhandlung vor Ort bietet, online abbilden. Das bedeutet ansprechendes Ambiente, übersichtliche Sortierung, ein kuratiertes Angebot und fachlich fundierte Beratung – von Menschen für Menschen.

Wie kommt man heutzutage auf die Idee, abseits von Amazon, der Tolino-Allianz und Apple einen eigenen Direktvertrieb aufzubauen, und dann noch als Sparten-, nicht als Vollsortiment?

Nachdem wir, Anna Karina Birkenstock und ich, 2011 den Tilda Marleen Verlag für digitale Kinderbücher gegründet hatten merkten wir schnell, dass das Problem der E-Books für Kinder weniger die Auswahl an guten Büchern war - in diesem Bereich gibt es schon einige innovative Ansätze – als vielmehr der Vertrieb. Im stationären Buchhandel sind wir in einer Kinderbuchabteilung eine besondere Form der ansprechenden Präsentation, Sortierung und der Beratung gewohnt. Gerade im Umgang mit digitalen Medien sind Eltern sehr vorsichtig und benötigen ein Gefühl der Sicherheit, welches sich deutlich einfacher erreichen lässt wenn man nur die Sparte der Kinder- und Jugendliteratur bedient. Diese speziellen Anforderungen sehen wir in keinem der bisherigen Online Shops abgebildet. Hinzu kommt die Problematik, ein Enhanced E-Book plattformübergreifend auf allen Geräten darzustellen, hier hinkt gerade der deutsche Markt leider noch deutlich hinterher.
Im Gespräch mit anderen Verlagen, auch traditionelle Print-Verlagen, die im E-Book Bereich aktiv sind, wurde schnell klar, dass alle vor diesem Problem standen. Die Verlage sind gewohnt, Buchhandlungen mit Plakaten, Aufstellern und Werbematerialien zu versorgen, mit Buchhändlern persönlich oder über ihre Vertreter zu kommunizieren. Dagegen kann man bei einigen E-Book Shops kaum mehr tun, als die E-Books hochzuladen und zu hoffen, dass sie irgendwer entdeckt. Uns ist daher auch die direkte Kommunikation mit den Verlagen sehr wichtig.

Auch technologisch verbirgt sich ja einiges hinter Buchlichter, plattformunabhängige Technologien, nächstes Jahr eine App?

Es ist absolut widersinnig, dass sich ein Leser ein bestimmtes Gerät kaufen muss, um bestimmte Bücher zu lesen. Das digitale Lesen muss so unkompliziert sein wie das analoge und wir müssen uns natürlich an den Marktführeren orientieren, wenn es um Einstiegshürden geht. Ein E-Book als Datei zu verschicken ist heute nicht mehr zeitgemäß, unsere Kunden verlangen nach einer integrierten cloudbasierten Lösung, ohne aber die Freiheit, DRM-frei, oder mit Wasserzeichen, der Wahl der Leseplattform aufgeben zu wollen. Ab dem Alter von 13 Jahren verfügt ein Großteil der Jugendlichen über ein Smartphone und geht damit regelmäßig Online. Man muss zu diesem Thema nur mal einen Blick in die aktuelle JIM-Studie werfen. Jüngere Kinder nutzen mobile Geräte, auch Tabletts, zusammen mit ihren Eltern. Daher stand für uns die Einbindung einer plattformunabhängigen, browserbasierten Online-Lesefunktion, basierend auf Readium, an erster Stelle. Eine eigene Lese-App, mit der man die Bücher dann auch offline lesen kann, planen wir für das nächste Jahr.

Könnte ein solches Konzept einer kuratierten vertikalen Shop-Plattform Muster für andere Themen sein?

Es existieren schon viele Online Plattformen und Communities, die sich einem bestimmten Genre widmen, rezensieren und diskutieren. Die meisten davon schließen sich mit einem Affiliate Programm an einen der großen Online-Buchhändler an, vor allem vermutlich, weil es das Einfachste ist. Wir würden uns wünschen, ein Vorbild für andere zu werden, den Schritt weg von den großen Online-Riesen zur Unabhängigkeit zu vollziehen. Wir glauben, daß es dort draußen noch genügend Nischen gibt, die groß genug sind um auch als Spartenvertrieb erfolgreich zu sein. In der analogen Welt trotzten doch auch genau diese hochspezialisierten und gut in ihre Community eingebundenen Einzelhändler erst den großen Kaufhäusern und jetzt den Onlineversendern, warum dann nicht auch im Internet?

Und wie sieht das Team hinter Buchlichter aus?

Als Gründer von Buchlichter bringen wir Erfahrung aus unterschiedlichen Bereichen, auch von außerhalb der Buchbranche mit. Ähnlich wie bei einem klassischen Startup verfügen wir über interne Entwicklungskapazitäten:
Anna Karina Birkenstock arbeitet als Autorin und Illustratorin für namhafte deutsche Verlage (u.a. arsEdition, Haba, Esslinger, Coppenrath) und hat bereits über 70 Bücher illustriert, die in mehreren Sprachen erschienen sind. 
Ich selbst, Caspar Armster, bin »Fernsehmensch« seit 1995, erst im Design (TV, Web) bei diversen Agenturen in Köln, dann selbstständig und nun als Setdesigner für alle Fernsehanstalten in Deutschland. Die Buchbranche betrat ich 2011 mit der Gründung des Tilda Marleen Verlags, einer der ersten Verlage, die konsequent »digital first« denken und umsetzen, im Bereich der enhanced E-Books. 
Dann Jürgen Novotny, Gründer und Geschäftsführer von vivia – er erkannte bereits 1993 in seiner Tätigkeit als Internet-Experte beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR das Potenzial des Internets; damals steckte das weltumspannende Netz noch in den Kinderschuhen. Erfahrungen in der Buchbranche konnte er schon sammeln mit der Entwicklung epedio® App »Rangas Welt«, welche vivia gemeinsam mit dem Verlag Kiepenheuer & Witsch, mit Ranga Yogeshwar und Computerexperten der KI AG entwickelt hat.
Last not least Michael Korte, er ist Softwareentwickler, Webentwickler und Datenbankspezialist. 
Hinzu kommt noch eine Kooperation mit dem Team von René Kohl, die bei uns Lücken füllen konnte, die eher Buchbranchenspezifisch sind, wie zum Beispiel der Umgang mit Onix Metadaten.
Neben diesem Gründungsteam ist für uns die Vernetzung mit Bloggern aus der Kinder- und Jugendliteraturszene sehr wichtig. Als Beispiel sei hier Wenke Bönisch genannt mit ihrem Blog »Kinderbibliothek« und als Mitinitiatorin des Buchpreises »Der Buchkönig«.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wer die Intiatoren der Buchlichter-Plattform persönlich kennenlernen will, hat auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse Gelegenheit dazu, un zwar am 16.10.2015 um 10:00 - 10:30 Uhr mit der Veranstaltung »Spartensortiment: Chancen im Vertrieb von E-Books« auf der Bühne im Kinderbuch-Zentrum, 3.0 K137, Messegelände.