Von Startups lernen

Innovationsmanagement in Verlagen

20. Dezember 2015
von Börsenblatt
EuGH-Urteil, VG Wort, Urhebervertragsrecht – viele Rechtsentscheidungen in 2015, lassen einige Branchenvertreter von einem annus horribilis für die Verlage in Deutschland sprechen. Doch sie fördern ein grundlegendes Problem der Branche zutage: Ein stattlicher Anteil der Verlagserlöse stammt aus lange sicher geglaubten Rechten, die nun durch die Veränderungen des rechtlichen Umfelds dahin zu schmelzen drohen.

Ergänzt man dies weiterhin um die  Aussichten auf eine Harmonisierung des europäischen Urheberrechts, wie von der Europäischen Kommission im Programm Horizon 2020 formuliert, scheinen die Zukunftsaussichten nicht rosig. Szenenwechsel: In Gesprächen mit verlagsnahen Startups erfährt man von deren Sorgen, zu den Verlegern, mit denen die Gründer gern innovative Geschäftsideen diskutieren würden, nicht mehr vorgelassen zu werden. Immer häufiger heißt es aus den Häusern der Branche, Verlage (und auch Bibliotheken) seien mit der schieren Anzahl neuer Ideen überlastet. Wenngleich sie die Potenziale für ihr eigenes Geschäft sähen, es sei einfach keine Zeit zur intensiven Auseinandersetzung mit Neuerungen.

Es ist verständlich, dass Verlagschefs jetzt viel Zeit investieren müssen, um erodierende Erlöse zu retten. Dabei sollten sie nicht vergessen, dass auch die Schwalbe eines vielleicht noch möglichen gerichtlichen Obsiegens keinen verlegerischen Sommer machen wird. Denn was die Diskussionen zeigen, deutete sich für Wissenschaftsverlage schon länger an: Einem reinen Verkauf von Inhalten, die die Wissenschaftler geschrieben haben, gehört die Zukunft schwerlich allein. Versuche wie beispielsweise eine Miturheberschaft zu konstruieren, um so das Urhebervertragsrecht zum Teil zu umgehen, werden kaum Abhilfe schaffen. Klar ist: Servicegeschäften rund um den heutigen verlegerischen Prozess gehört die Zukunft. 

Auf dem Weg in diese Zukunft können und werden Startups helfen – denn ballastfrei von den Denkblockaden mancher Brancheninsider setzen sie oft um, was den Etablierten aus der Bredouille helfen kann. Zeit also für Verlage, sich über Innovationsmanagement Gedanken zu machen. Ein paar einfache Tipps aus der Praxis können bei den ersten Schritten helfen:

Veränderung ist immer Chefsache  Das wird zwar für Vieles behauptet, in diesem Fall stimmt es aber. Management-Guru Alan G. Lafley hat in einem kurzen Artikel der Kollegenwelt ins Stammbuch geschrieben: Der CEO ist derjenige im Unternehmen, der Veränderungen der Umwelt als relevant für seinen Verlag erkennen und dafür sorgen muss, dass sie in den eigenen Prozessen Berücksichtigung finden.
Eigenes Knowhow effizient einsetzen  Viele Mitarbeiter haben großes Interesse daran, die Zukunftsfähigkeit »ihres Verlags« zu erhalten und setzen sich energisch dafür ein. Eine strukturierte und bedarfsgerechte Annäherung an Startups setzt interne Veränderungsimpulse effizienter ein und etabliert daraus entstehendes Wissen langfristig im Verlag.
Bedarfsanalyse vor Aktionismus  Viele Unternehmer sind von Startups fasziniert, weil sie häufig ohne großen Apparat beeindruckende Ergebnisse liefern können. Damit das auch im größeren (Verlags-)Kontext funktionieren kann, muss eine sorgfältige Bedarfsanalyse im eigenen Unternehmen Gesprächen mit Gründern voraus gehen.
In Prozessen denken, nicht in Abteilungen  Kleine Unternehmen wie Startups scheitern in der Zusammenarbeit häufig an Abteilungsstrukturen, die in Verlagen oft stärker sind als die Orientierung an Prozessen. Schaffen Sie unter Einbeziehung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine abteilungsübergreifende Innovationsgruppe, um dieses und andere Probleme ansprechen und möglichst abstellen zu können
Schnell entscheiden  Startups sind größtenteils auf rasche Entscheidungen in der Zusammenarbeit angewiesen, denn oft brauchen sie Belege für ein funktionierendes Geschäftsmodell, um ihre Investoren zu überzeugen und zu halten. Die vielerorts behäbige Innovationsgeschwindigkeit der Verlagsbranche erhöht den Druck auf junge Gründer, ohne dass es den Verlagen nützen würde. Zügige Prozesse helfen, zahlreiche angefangene Projekte auch zu Ende zu bringen.
Innovation kostet Zeit und Geld  Unternehmen reagieren in dieser Hinsicht einerseits oft (zu) spontan auf Kooperationsanfragen und sehen andererseits  in ihrer Planung häufig weder Geld noch Zeit von Mitarbeitern vor, um sich mit innovativen Projekten zu beschäftigen. Ein kleines Budget hilft, den Stress abzubauen und Innovation einen angemessenen Raum zu geben.
Startups funktionieren anders  Junge Unternehmen, die relativ häufig von frisch gebackenen Hochschulabsolventen gegründet werden, sprechen oft nicht die Fachsprache der Branche, haben selten Interesse am ganz großen Zusammenhang und bringen immer Antworten auf Fragen mit, denen Verlage bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben – sonst gäbe es sie schlicht nicht. Meine Erfahrung als »Übersetzer« zwischen Startups und etablierten Unternehmen zeigt: Dem kulturellen Aspekt der gegenseitigen Annäherung wird noch zu wenig Beachtung geschenkt.

Der Druck auf die Profitabilität von Verlagen wird weiter wachsen, die Veränderungsgeschwindigkeit wird nicht abnehmen. Innovativen Ideen eine Tür ins eigene Unternehmen zu öffnen, wird künftig notwendiger denn je. Verlage sind im eigenen Interesse und auch dem ihrer möglichen Partner gut beraten, ihre Neugierde auf frische Ideen von Gründern in professionelle Bahnen zu lenken und systematischer als bisher mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ein Smalltalk am Rande einer Fachkonferenz jedenfalls wird künftig nicht mehr reichen, um Unternehmen neu auszurichten – Konzerne wie Axel Springer oder jetzt auch Siemens machen es vor, wie es funktionieren kann.