Agenda 2016

Nur eine kleine Vorschau

9. Januar 2016
von Börsenblatt
In Bezug auf die Digitalisierung unserer Branche wird das vergangene Jahr kaum als Aufreger in Erinnerung bleiben. Die Frankfurter Buchmesse verlief unter dem Motto »business as usual«, bei den E-Book-Umsätzen gab es keine nennenswerten Überraschungen, großartige Innovationen ließen auf sich warten. Grund genug, 2016 gelassen anzugehen? Großer Irrtum, denn …

… allein ein kursorischer, also unvollständiger Blick über die Nachrichten der ersten Tage des neuen Jahres zum digitalen Fortschritt zeigt deutlich, dass 2016 allerhand in Bewegung geraten wird – mit Risiken, aber auch Chancen für den Buchmarkt. Beginnen wir unsere kleine Vorschau mit den neuesten Nachrichten aus dem Hause Amazon. Etwa zwanzig Prozent aller in Deutschland auf den Weg gebrachten Pakete kommen aus den Logistikzentren des Internethändlers – wir reden hier von ungefähr 600 Millionen Sendungen pro Jahr. Und um diese noch schneller zum Kunden zu bringen (Same-Day-Delivery) hat Amazon im vergangenen Oktober im Raum München einen – offenbar erfolgreichen – Modellversuch mit regionalen Transportunternehmen gestartet. Berlin, Hamburg, Frankfurt und Köln sollen in Kürze ebenfalls in den Genuss noch schnellerer Lieferungen kommen.

In Großbritannien arbeitet Amazon intensiv an einem Zustelldienst per Drohne, der die Kunden dreißig Minuten (!) nach Bestelleingang beliefern soll. Amazon Prime Air heißt der geplante Service, für den Amazon derzeit zwei Flight Operations Engineers sucht, wie der Online-Dienst Ingenieur.de aus dem VDI-Verlag letzte Woche mitgeteilt hat. Im Osten Londons entsteht derzeit ein technisches Zentrum, dessen Fertigstellung in diesem Jahr geplant ist. Rund fünftausend Mitarbeiter sollen dort beschäftigt werden. Nicht Seattle sondern London ist das Zentrum dieser Entwicklung, da die britischen Luftfahrtbehörden weniger Auflagen als in den USA vorsehen. Der reguläre Drohnenflugbetrieb soll allerdings erst in fünf Jahren beginnen.

Und schließlich denkt Amazon auch in Deutschland über die Eröffnung stationärer Läden nach. Wie man hört, soll deren Premiere in Berlin gefeiert werden.

Kurzgeschichten auf Twitter?

Wie außerdem in diesen Tagen zu erfahren war, wird Twitter in 2016 seine 140-Zeichen-Beschränkung aufgeben und Tweets von einer Länge bis zu 10.000 Zeichen ermöglichen. Das sind etwa sieben Taschenbuchseiten, auf denen sich bequem Kurzgeschichten erzählen lassen. Die Ansicht der Tweets wird sich allerdings nicht ändern. Sie erscheinen dann nach wie vor in der gewohnten Form. Erst ein Klick macht die Langversion sichtbar. Für Verlage eröffnen sich hier jedenfalls interessante Möglichkeiten, neue Leser und potentielle Käufer anzusprechen.

Auf dem Weg zum globalen Fernsehen

»Sie werden gerade Zeuge der Geburt des ersten weltweiten Fernsehsenders«, hat Reed Hastings, der Chef von Netflix, am vergangenen Mittwoch in Las Vegas auf der weltgrößten Technologiemesse CES stolz verkündet – und sein Streamingportal für 130 Märkte freigeschaltet. Netflix ist nun in 190 Ländern zu empfangen. Im vergangenen Jahr haben 70 Millionen Kunden des Dienstes 42,5 Milliarden Stunden Fernsehen gestreamt. Und 2016 wird sich diese Zahl wohl erheblich steigern, denn allein in diesem Jahr stehen 31 Staffeln eigener Serien, zehn Spielfilme, zwölf Dokumentationen und 30 Kinderprogramme auf dem Produktionsplan. Mit anderen Streamingdiensten im Rücken ist Netflix dabei, immer mehr Zeitbudget der Medienkonsumenten zu vereinnahmen. Und mit seinen Premium-Serien wie House of Cards ist Netflix längst in den Wohnzimmern intensiver Buchkäufer und -leser angekommen.

Der neue Hype: Virtual Reality (VR)

Zum 100-Meter-Finale bei den Olympischen Spielen oder bei einem Rockkonzert der Rolling Stones in der ersten Reihe sitzen? Demnächst kein Problem, denn 2016 wird laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom vorletzten Wochenende »das Jahr, in dem Millionen von Menschen erstmals mit Hilfe monströs anmutender Digitalbrillen in die virtuelle Realität eintauchen werden.« Zwar floppte das Projekt Virtual Reality schon in den Neunzigern aufgrund seiner erbärmlichen Projektionsqualität und überteuerten Geräte, aber diese Gründerzeit der neuen Technologie ist längst vergessen. Spätestens seit sich Facebook im Frühjahr 2014 das Start-up Oculus für zwei Milliarden US-Dollar einverleibte, steht VR wieder auf der Agenda. Und nicht nur Facebook, auch Samsung, Vive, HTC, Sony und andere Hightech-Unternehmen rangeln im Rennen um die Marktführerschaft in einem Markt, den (optimistische) Analysten im Jahr 2020 auf 150 Milliarden US-Dollar schätzen.

Ungezählte Start-ups haben sich inzwischen auf den Weg gemacht, um Contentanwendungen, Plattformen und Geschäftsmodelle für eine Technologie zu entwickeln, die zwar noch in den Kinderschuhen steckt, dafür aber den immensen Reiz besitzt, noch von keinem Platzhirschen global okkupiert worden zu sein. VR ist vielleicht The Next Big Thing, auf das alle gewartet haben. Der Anwendung im Business- und Consumer-Bereich sind keine Grenzen gesetzt: Meetings und Messen, Wissenschaft und Forschung, Bildung und Spiel, Hobby und Kultur – für jedes Gebiet sind mehr oder weniger sinnvolle Anwendungen in 3-D denkbar. Der Einstieg in die VR ist allerdings nicht ganz billig. Die Oculus Rift soll Mitte 2016 in den USA für 599 Dollar und in Europa für 699 Euro auf den Markt kommen.

future!publish 2016: Ein Zukunftslabor der Branche

Welche Themen und Entwicklungen das Jahr 2016 letztlich bestimmen werden, kann heute wohl niemand mit Sicherheit sagen. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit werden auf der future!publish am 28. und 29. Januar einige dieser Tendenzen identifiziert und konkretisiert werden. Wenn weit über 250 Experten und Anwender zusammen kommen sind neue Erkenntnisse, clevere Strategie-Entwürfe und innovative Best-Practice-Beispiele nicht auszuschließen. Die digitale Agenda für 2016 könnte in Berlin Gestalt annehmen.