Starship-Roboter statt Paketboten

Ein Bücherwagendienst für Endkunden?

14. August 2016
von Börsenblatt
DHL und Amazon testen seit Jahren die Paketzustellung per Drohnen, Amazon Prime liefert ausgewählte Waren in einigen städtischen Zentren innerhalb einer Stunde – und jetzt startet Hermes im Hamburg die Zustellung an 100 Testhaushalte per Roboter. Lieferzeit dreißig Minuten.

Bereits im November letzten Jahres haben wir hier auf bookbytes über die Möglichkeit einer zukünftigen Lieferung von Waren durch Roboter berichtet. Jetzt ist es in Deutschland soweit. Verschiedenen Medienberichten und eigenen Angaben zufolge will das Logistikunternehmen Hermes noch im August mit der Belieferung von 100 Testhaushalten in den Hamburger Stadtteilen Ottensen und Volksdorf sowie im Grindelviertel beginnen. Die Hard- und Software liefert das estländische Startup Starship Technologies. Dessen Chef Ahti Heinla war schon der Mitbegründer des Video-Telefondienstes Skype.

Der namenlose Roboter

Es sieht niedlich aus, das sechsrädrige Gefährt, und könnte glatt einem Film der Starwars-Reihe entsprungen sein. Vielleicht hat Ahti Heinla ja bei der Namensgebung seines Startups genau daran gedacht. Der nur als Roboter bezeichnete Lieferbot hat bereits 8.000 Probekilometer in London, Washington und Tallin absolviert und soll dort auf große Akzeptanz gestossen sein. Er erreicht eine Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde, fährt also ein wenig schneller als ein Mensch im Normalschritt läuft. Er kann maximal zehn Kilogramm aufladen und ist mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die Unfälle ausschließen sollen. Einem entgegenkommenden Menschen (und anderen beweglichen oder statischen Hindernissen) weicht er aus, Barrieren bis zu einer Höhe von fünfzehn Zentimeter soll er mühelos überwinden.

Hermes wartet noch auf die Zulassung durch den TÜV, dann will das Unternehmen in der Testphase drei Roboter einsetzen. »Ich freue mich sehr, dass sich das Unternehmen Hermes dazu entschieden hat, diese innovative Art der Paketzustellung in Hamburg zu testen«, lässt sich Andreas Rieckhof, Staatsrat der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, im Hermes-Newsroom zitieren. »Dieser Pilotversuch ist ein wichtiger Baustein für Hamburg auf dem Weg zu einer Modellregion für eine emissionsarme innerstädtische Belieferung«. Wie lange die Testphase dauern soll, teilte Hermes bisher nicht genau mit. Vermutlich wird sie mit dem ersten nennenswerten Schneefall enden, unkte das Hamburger Abendblatt Anfang des Monats.

Lieferzeit nach Kundenwunsch

Die Kunden können laut Hermes die Lieferzeit über eine App selbst bestimmen, geliefert wird dann innerhalb von dreißig Minuten. Per SMS erhalten die Kunden einen individuellen Code, mit dem sie den Roboter öffnen und ihr Paket entnehmen können. Ein Diebstahl der Waren scheint ausgeschlossen, denn jeder Roboter steht auf seinem Weg zum Kunden per konstantem GPS-Signal mit der Zentrale in Verbindung und schlägt beim Versuch einer gewaltsamen Öffnung umgehend Alarm. Der Datenschutz sei schon deshalb gewährleistet, weil keine kundenbezogenen Daten gespeichert werden – versichert Starship-Chef Heinla. Hermes-Geschäftsführer Frank Rausch erklärte bei der Präsentation des Roboters in Hamburg, dass sein Unternehmen vor allem »Daten und Erkenntnisse sammeln« wolle. »Es ist kein fertiges Produkt, es ist ein Test«. Und wie man hört, haben schon andere Unternehmen Interesse angemeldet. So will Media Markt den Roboter testweise in Düsseldorf einsetzen.

Ein Bücherwagendienst für Endkunden?

Warum nicht? Kunden können krank sein oder gebrechlich, keine Zeit für einen Ladenbesuch haben oder  Bücher sehr eilig benötigen. Selbstverständlich ist es in solchen Fällen heute schon möglich, Fahrradboten zu beauftragen oder Mitarbeiter auf den Weg zu bringen. Und selbst wenn der Starship-Roboter die Testphase erfolgreich durchläuft, dürfte sein Einsatz vorerst nur für große Handelsketten erschwinglich sein. (Über die Zustellkosten hüllt sich Hermes noch in Schweigen.) Aber wer weiß, vielleicht generiert ja der Plattform-Kapitalismus schon in naher Zukunft ein Geschäftsmodell, das es kleinen und mittleren Unternehmen, also auch Buchhandlungen ermöglicht, den Starship-Roboter als Bücherwagendienst für Endkunden zu nutzen – wenn sich die Menschheit an die rollenden Paketboten gewöhnt hat. Heute ist das noch eine Vision. Aber nicht vergessen: Vor weniger als zehn Jahren wurde das iPhone auf den Markt gebracht. Und es hat die Welt verändert. Also Startups, schon mal darüber nachdenken!