Wie und warum setzen Verlage AR-Anwendungen um?

Augmented Reality bei Haufe und Westermann

15. Mai 2017
von Börsenblatt
Immer mehr Verlage arbeiten an Produkten mit Augmented Reality-Anreicherungen. Aber welche inhaltlichen und technischen Schwierigkeiten sind zu bewältigen, wie sehen die digitalen Strategien aus? Von Steffen Meier.

In multimedialen Zeiten kommt das gute alte Papier mitunter an seine Grenzen – vor allem wenn es darum geht, medienkanalgerecht Inhalte darzubieten. Der Westermann-Verlag hat sich schon vor einiger Zeit um das Sprengen dieser Grenzen, das »Enhancement« mittels Augmented Reality (AR) und seiner Zoom-App bemüht. Was auch mit dem geänderten Lern- und Nutzungsverhalten der Schüler zu tun hat, die neue Darbietungsformen möchten: »Das sind zum Beispiel Hörtexte, die je nach Leistungsstand vor- und zurückgespult werden können, methodische Anregungen durch Audio-Lerntipps, audiovisuelle Grammatik-Erklärfilme, landeskundliche Aspekte in Slideshows oder die korrekte Aussprache von fremdsprachlichen Begriffen. Entscheidend ist, dass durch die Erweiterung des Buches weniger denn je im Gleichschritt gelernt werden muss«, so Christoph Golla, Redaktionsleiter für Fremdsprachen bei der Westermann Gruppe in Braunschweig. Zuvor war er viele Jahre Gruppenleiter für Digitale Medien und in dieser Zeit maßgeblich an der Konzeption der Zoom-App beteiligt, die solche Anreicherungen ermöglicht.

Aber auch er sieht kein Entweder-Oder: »Zurzeit stellt das Schulbuch nach wie vor das Leitmedium im Unterricht dar. Nach meiner Einschätzung wird sich das auch in den nächsten Jahren nicht grundlegend ändern. Gerade deshalb finde ich eine Hybrid-Lösung wie Zoom so charmant: Sie verbindet das Beste aus beiden Welten«. Aber die zukünftigen Entwicklungen, technisch wie User-seitig, bleiben für ihn spannend: »Wir alle haben die Möglichkeiten, die in Augmented Reality liegt, noch lange nicht ausgeschöpft.«

Der Haufe-Verlag bringt jetzt als einer der ersten Fachverlage AR in seine Bücher. Auch hier sieht man kein Entweder-Oder, sondern ein sinnvolles Ergänzen: »Im Mai starten wir jetzt mit dem ersten angereicherten Buch, ›Die Kunst der Kommunikation‹. Beim Thema Kommunikation bot sich AR geradezu an. Die Tipps und Verhaltensweisen prägen sich viel besser und schneller ein, wenn der Leser sie in einem Video vorgeführt bekommt oder sich auf eine Verhandlung mit einer Checkliste vorbereiten kann. Insgesamt gibt es beim ersten Buch über hundert zusätzliche digitale Features«, so Melanie Schaller, Marketing Managerin bei Haufe und Mitglied der internen AR-Gruppe.

Aber als Verlag muss man auch Themen wie Finanzierung, Budget und Skalierung im Auge haben: »Wir haben eine gebrandete Haufe-App (smARt Haufe), für die wir eine jährliche Lizenz zahlen und dafür eine unbegrenzte Anzahl an AR-erweiterten Büchern (oder andere Produkte) in die App stellen können«. Aber bei aller technischen Faszination ist klar, so Melanie Schaller: »In der App steht nicht der technische Effekt von AR im Vordergrund, sondern der Kundennutzen«.

Zwei Beispiele also von immer mehr zunehmenden Anwendungen im Bereich Augmented Reality seitens deutscher Verlage. Interessant wird mittelfristig die Akzeptanz der Nutzer sein, vor allem die monetäre Königsfrage: Muss man, um die ursprünglichen Kern-Produkte (also Print) überhaupt verkaufen zu können immer mehr Brückentechnologien einsetzen? Oder lassen sich dadurch neue Erlösmodelle und/oder neue Kunden finden? Aktuell gilt: Tee trinken und abwarten.

Teaserbild: Copyright Jisc and Matt Lincoln CC BY-NC-ND

Interviews mit den Kollegen von Haufe und Westermann zu Augmented Reality sind auch Schwerpunkt der neuesten Ausgabe des »digital publishing report«. Dazu Tipps für die E-Mail-Adressgenerierung, Update-Strategien für digitale Inhalte, ein Blick in den soeben neu erschienen Global eBook Report 2017, Social Media beim Ankerherz Verlag und vieles mehr. Das digitale Magazin ist kostenlos erhältlich. E-Mail an info@digital-publishing-report.de schicken, fertig.