Videos im wissenschaftlichen Publizieren

Academic Content für die Generation Y

26. März 2018
von Börsenblatt
Videos als innovative Form wissenschaftlicher Kommunikation gewinnen an Bedeutung. Sie nutzen die Potenziale der Digitalität deutlich intensiver als ältere und längst etablierte Modelle der Digitalisierung, wie etwa Ebooks oder EJournals. Vor allem sprechen sie neue Zielgruppen an, die in ihrer Mediennutzung ganz anders sozialisiert sind und jetzt in die Forschung eintreten.

Das wissenschaftliche Publizieren ist an digitalen Innovationen fürwahr nicht arm. Deren Inhalte- wie Geschäftsmodelle sind schon lange die einzigen Wachstumstreiber der Branche, auch wenn Gedrucktes in vielen Sparten noch für einen wesentlichen Umsatzanteil der Verlage steht. Gleichwohl: Ebooks und digitale Zeitschriften, die den Löwenanteil der digitalen Produktion ausmachen, nutzen nur einen kleinen Teil der Potenziale aktueller Technologien. Einen vielversprechenden Weg gehen junge Unternehmen – sie nutzen die Anschaulichkeit von Videomaterial, um komplexe Fragestellungen und Prozesse anschaulich darzustellen.

Videoinhalte haben in einigen Wissenschaftsbereichen schon Tradition. Die großen filmhistorischen Sammlungen von Anbietern wie Alexander Street Press, Bloomsbury und Gale sind mittlerweile in vielen Bibliotheken weltweit vertreten.

Ähnliches gilt für verschiedene Fächer der Natur- und Ingenieurswissenschaften, insbesondere die Medizin. JoVE (www.jove.com), das Journal of Visual Experiments, erweiterte diesen Ansatz allerdings schon vor mehr als 10 Jahren, indem es auch andere Disziplinen abdeckte. Ähnlich wie das Journal of Medical Insight (www.jomi.com) führen Experten ihres Faches durch Operationen oder den Ablauf von Versuchsreihen, um Fachkollegen und Studierenden komplexe Abläufe am konkreten Beispiel zu illustrieren. Videos in der wissenschaftlichen Kommunikation sind also weit mehr als eine Spielerei, sie erleichtern das Verständnis von Prozessen und sparen für Lernende wertvolle Zeit. Zudem erschließen sie unterschiedlichen Zielgruppen quasi barrierefrei Wissenschaft – in Zeiten sinkender attention span als eine negative Folge der Digitalisierung ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Einen besonders innovativen Weg bei der Erklärung der Welt geht ein Startup aus Hamburg. Latest Thinking (www.lt.org) bietet Videos zu zahlreichen Disziplinen, die sich jeweils mit einer konkreten Forschungsfrage beschäftigen. Der Anspruch: Die neuesten Erkenntnisse, durchaus mit Blick auf aktuelle Debatten, anschaulich durch Top-Wissenschaftler darzustellen. Durchgängig in englischer Sprache, wird ein breites Spektrum an Themen von Stammzellenforschung bis zu gesundheitlichen Folgen von Luftverschmutzung in kapitelweise strukturierten Videos von etwa 10 Minuten Länge vorgestellt. Zuschauer, die Leser von gestern, können bequem und vor allem schnell zu den für sie interessanten Abschnitten navigieren, die sich mit Forschungsfrage, Methodologie, Ergebnissen, der allgemeinen Relevanz und einem allgemeineren Ausblick beschäftigen.

Besonders interessant für Nutzer (und die Wissenschaftler, die im Video ihre Forschung erläutern): Latest Thinking macht alle Inhalte im Open Access verfügbar. Die wissenschaftlichen Einrichtungen, an denen Forscher arbeiten, übernehmen die Finanzierung der Videoproduktion und ermöglichen dem innovativen Konzept so eine maximale Reichweite.

Die Entwicklung spricht für sich: Latest Thinking ist 2017 an den Start gegangen und erfreut sich schon reger Aktivität auf seiner Website.

Videos sind, nicht zuletzt durch einfachen digitalen Vertrieb, ein ernstzunehmender Kanal in der Wissenschaftskommunikation geworden, der gerade die Generation Y, die audiovisuelle Medien mit der Muttermilch verabreicht bekommen hat, zielgruppenadäquat bedient.