Veranstaltungen und Austausch neu denken mit Barcamps

Schon mal was von Barcamps gehört?

28. März 2018
von Börsenblatt
Frontal funktioniert nicht mehr. Im Rahmen einer digitalisierten Informationsgesellschaft ist es wichtig, sich über Grenzen und Silos hinweg auszutauschen – unternehmensintern über Organisationseinheiten hinweg oder mit anderen Organisationen. Aber auch über Alters- und Hierarchiestufen im Zeitalter hochgradiger Spezialisierung hinweg. Offene Formate für offenen Austausch müssen her – eines davon sind die sogenannten Barcamps.

Am Anfang war das FooCamp
Wie vieles im Digitalen unterliegt auch der Ursprung der Barcamps einer gewissen Legendenbildung. „Der Name ist eine Anspielung auf eine von Tim O’Reilly initiierte Veranstaltungsreihe namens FooCamp, bei der ausgewählte Personen (Friends of O'Reilly) sich zum Austausch und zur Übernachtung (Camping) trafen. Während man zur Teilnahme am FooCamp eine Einladung von O'Reilly benötigt, kann an Barcamps ohne Einladung teilgenommen werden. Mit Foo und Bar werden in der Informatik Platzhalter bezeichnet.“ (Wikipedia). Nerd-Humor eben. Prinzipiell sind solche Formate nichts Neues, aber durch die aufkommende digitale Vernetzung bekamen diese eine andere Reichweite, einen „Markennamen“ und auch Regeln.

Und wie läuft ein Barcamp eigentlich ab?
"Barcamps, auch ‚Unkonferenz‘ genannt, unterscheiden sich deutlich von klassischen Konferenzen. Während herkömmlich Referenten gebucht werden, gibt es auf Barcamps nur Teilnehmer. Diese stellen am Morgen des Veranstaltungstags spontan ein gemeinsames Programm auf, wobei alle Anwesenden eingebunden werden. In dieser sogenannten Sessionplanung werden Vorträge angekündigt, Diskussionen vereinbart und Workshops angeboten. So entwickelt sich ein vielseitiges Programm, das ganz den Wünschen der Teilnehmer entspricht." Soweit Jan Theofel, der seit 2008 das Format „Barcamp“ in Deutschland vorantreibt und prägt.

Inzwischen hat sich oft ein eher „gelenktes“ Format etabliert. Neben einer globalen Themensetzung (beim in der Medienbranche bekannten „eBookCamp“ alles rund um diese digitale Produktform) werden vorab „Call for Papers“ veranstaltet, also Teilnehmer dazu aufgerufen, im Vorfeld Themen-Slots vorzuschlagen und zu formulieren. Das gibt Veranstaltern und Teilnehmern eine gewisse Sicherheit und Vorschau darüber, was am Tag des BarCamps inhaltlich passiert, und verkürzt die Sessionplanung zu Veranstaltungsbeginn enorm.

Anders als im Angloamerikanischen ist es in Deutschland üblich und eigentlich nötig, sich auf Barcamps zu duzen. Jeder und jede. Das dient sinnvollerweise dazu, organisatorische oder hierarchische Grenzen einzuebnen, sich auf Augenhöhe zu begegnen, ist aber teilweise eine echte Herausforderung für die Teilnehmer. Was mitunter zu skurrilen Szenen führt – insofern ist es gut, vorab zu klären, ob man den Chef am nächsten Arbeitstag weiter duzt oder doch besser siezt.

Den digitalen Zungeneinschlag von Barcamps merkt man auch daran, dass aus diesen ausdrücklich zur Nutzung der sozialen Netzwerke ermuntert wird und hinter Hashtags wie #ebookcamp oder #dmcmuc auch im Internet Diskussionen zu den bespielten Themen stattfinden – sozusagen eine digitale Verlängerung des lokalen Raums.

Barcamps in der Medienbranche
Barcamps waren hierzulande zunächst stark von IT-Themen geprägt, bald aber erweiterten sich diese, z. B. in Form der sogenannten „stARTcamps“, die sich Kunst, Kultur und Social Media widmeten. Der Börsenverein organisierte in den Jahren 2010 bis 2013 das sogenannte „BuchCamp“ („das erste und größte BarCamp der Buchbranche“), das durchaus Initialcharakter für viele ähnliche Formate hatte, etwa die monothematischen „eBookCamps“, die zunächst in Hamburg von einer Gruppe engagierter Verlagskollegen und -kolleginnen durchgeführt wurden und bald auch in München einen Ableger erhielten.

Daneben haben sich viele weitere Formate etabliert, etwa zu den Themen „Kinder, Jugend und Medien“ oder eher aus dem Zeitschriftenbereich wie das „Digital Media Camp“ des Media Lab Bayern, das dieses Jahr im Februar im Gebäude der Süddeutschen stattfand.

Auch auf dem diesjährigen „Kongress der Deutschen Fachpresse“ soll erstmal zumindest teilweise mit diesem Format experimentiert werden: „Wir bieten beim Kongress der Deutschen Fachpresse am 16. und 17. Mai in Berlin erstmals ein kongressinternes Barcamp mit eigener Moderation an. Den Fachmedienmachern vor Ort geben wir damit die Möglichkeit, als Besucher das Kongressprogramm aktiv und durchaus auch spontan selbst zu gestalten. Wir versprechen uns davon neue, inspirierende Themen sowie eine intensive Interaktion der Teilnehmer. Barcamps sind ein sehr kommunikatives Format, bei dem klassische Hierarchien bewusst nicht gelten und neue Ideen mit Spaß generiert werden“, so Bernd Adam, Geschäftsführer Verein Deutsche Fachpresse.

Organisationsinterne Barcamps
Informations-Silos gibt es in Unternehmen zuhauf, da liegt es nahe, auch innerhalb eines Unternehmens mit solchen Formaten zu experimentieren. Der Vorteil ist, dass durch den Rahmen einer Organisation und deren Unternehmensziele meist eine klarere Fokussierung, möglicherweise auch eine pragmatischere Umsetzung der im Barcamp erarbeiteten Themen stattfinden kann. Der Nachteil ist eine stärkere persönliche Nähe: Während man sich auf großen Barcamps neutral austauscht und dann mitunter auch längere Zeit aus dem Weg gehen kann, mag es auf firmeninternen Barcamps auch Situationen geben, in denen sich angestaute Animositäten Bahn brechen können – und viel Fingerspitzengefühl seitens der Moderatoren erforderlich wird.

Gerade bei firmeninternen BarCamps muss auch auf eine gewisse Nachhaltigkeit geachtet werden. Gerne erzeugen solche Veranstaltungen eine gewisse Aufbruchstimmung – die genutzt werden, aber auch schnell verpuffen kann, wenn etwa neue Ideen und Projekte in operativen Mühlsteinen zerrieben werden.

Lust auf mehr Barcamps?
Eine Übersicht vieler in Deutschland stattfindenden Barcamps findet sich hier: http://www.barcamp-liste.de/ Man ist immer wieder überrascht, welche Themen dort im Mittelpunkt stehen – natürlich beschäftigen sich die meisten schon historisch bedingt mit digitalen Themen, es finden sich aber auch GrillCamps oder Barcamps zu Naturkosmetik oder „Fürsorge, Politik und Vernetzung“.

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