Podcast ist mehr als ein Hype

Warum Buchverlage in einen Podcast investieren sollten

14. Juni 2018
von Börsenblatt
»Podcast« ist zwar schon lange kein Frendwort mehr in der Branche. Aber warum nutzen Verlage dieses Instrument zur Kundengewinnung und Kundenbindung nicht viel stärker? bookbytes-Bloggerin Yvonne de Andrés plädiert für einen stärkeren Einsatz dieses Mediums und nennt die Gründe.

Leserinnen und Leser bestimmen (schon immer) selbst, was, wann, wo und wie sie lesen. Für Verlage wird es (gerade deshalb) immer wichtiger, mit ihren Büchern und Inhalten auffindbar und stärker sichtbar zu sein.

Storytelling in der Verlagsbranche

In Verlagen sind Geschichten zu Hause. Die Geschichten können zwischen zwei Buchdeckeln, in diversen elektronischen Formaten oder einem Blick hinter die Kulissen der eigenen Arbeit zu finden sein.  

Ob im Lektorat, in der Presseabteilung oder im Vertrieb: Immer wieder werden Geschichten über Autorinnen und Autoren und ihre Bücher erzählt. Es beginnt bereits in der Lektoratskonferenz bei der Einschätzung einer Geschichte und geht weiter beim Verkaufsgespräch in der Buchhandlung. Menschen hören gerne Geschichten, besonders wenn diese neu, interessant und gut erzählt werden. So wie es bei diversen Podcasts der Fall ist.

Warum die Audio-Formate so beliebt sind, hat mehrere Gründe. Einer der Hauptgründe des jetzigen Erfolges sind die kaum vorhandenen technischen Barrieren und die einfache Verbreitung. Podcasts existieren seit 2000, waren vorher eher eine Nischenerscheinung. Seit 2017 ist erstaunlich viel Bewegung in den Markt gekommen. Das hat damit zu tun, dass Apple seine Podcast-App auf jedem neuen iPhone vorinstalliert hat. Podcasts sind heute überall dabei. Beim Pendeln mit Auto oder Zug, beim Joggen oder zu Hause: 73 Prozent der Hörer*innen nutzen Podcasts auf ihrem Smartphone.

Rund 20 Mio. Frauen und Männer in Deutschland hören Podcasts, die meisten am liebsten am Abend zur TV-Primetime. »Bei Podcast geht es um eine gute Zielgruppenansprache und hohes Involvement der Hörer«, so Christoph Arras aus dem Marketing-Team der AS&S-Audiovermarkter.

Hörer*innen profitieren von der Bündelung der Audio-Inhalte nach speziellen Themen, die größere Vielfalt der Geräteausstattung und die schnellere Marktdurchdringung von neuen Devices, wie der Ausbau der Distributions- und Zugangswege wie Mediatheken, Apps, Streamingdienste etc. als auch die wachsende mobile Nutzung. Podcasts sind grundsätzlich kostenlos. Sie werden vom Betreiber durch Werbung, durch ihre Rundfunkbeiträge oder durch den Erlös auf Plattformen finanziert.

Podcasts sind ein optimales Format für Buchverlage. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

1. Es geht um Inhalte

Hörer*innen erwarten relevante Information, interessante Geschichten und ein professionell kuratiertes Entertainment. Die Themen können mannigfaltig sein: Interviews mit Autor*innen, Eindrücke über ein Buch, Gespräche über die Arbeit im Verlag, Vorstellung von Mitarbeiter*innen, Schwerpunkte der Arbeit, Zusammenhänge oder der Blick hinter die Kulissen eines Verlages etc. Verlage sind hautnah an den Autorinnen und Autoren und ihren Geschichten dran. Dass interessiert Menschen. Sie freuen sich über die direkte Ansprache und ihre Einbindung.

Verlage  verfügen einerseits über spannende relevante Inhalte in großem Umfang, andererseits haben sie viel Erfahrung in der Organisation und der Dramaturgie von Lesungen. Das sind gute Voraussetzungen für einen unterhaltsamen Podcast. Da diese vorwiegend unterwegs konsumiert werden, ist das zeitliche Investment deutlich geringer als bei anderen Medien, bei gleichzeitig potenziell höherem Wertetransfer durch den Fokus auf Inhalte und nicht auf Äußerlichkeiten.

2. Authentizität

Podcasts fokussieren sich auf die Stimme. Die direkte Ansprache ermöglicht es daher eher, locker, ehrlich und gelöst zu kommunizieren, als wenn gefilmt wird. Im Zentrum steht die Information, die inhaltliche Aussage, und weniger die Person. Es geht darum, die Menschen direkt anzusprechen,  um die Einbindung von Personen zu erreichen. 

3. Gesprächstiefe

Kaum jemand schaut sich ein zehn minütiges Youtube-Video bis zu Ende an. Die Länge von Podcasts bewegt sich jedoch durchschnittlich zwischen 30 bis 80 Minuten. Das ist eine ungestörte Möglichkeit, die Zielgruppe zu erreichen. Die Tiefe und Präzision, die eine Podcast-Folge zu beliebigen Themen anbieten kann, ist unvergleichbar. Häufig vermittelt sich der Eindruck, als säße man direkt dabei und wäre ein Teil der Gesprächsrunde.

4. Ergänzung zum Marketing-Mix

Podcaster*innen (Podcast-Gastgeber*innen) entwickeln unterschiedliche Marketing-Strategien, um ihre Reichweite zu erhöhen und mehr Kund*innen zu gewinnen.

Podcasts sind ein kostengünstiges Positionierungsinstrument und eine Möglichkeit, um Verlage und Bücher sichtbarer, erfahrbarer und bekannter zu machen. Dieses Medium generiert neue Kontakte und stellt diese auf eine stabile Vertrauensbasis. Menschen kaufen von den Personen, die sie für loyale Expert*innen halten.

Die Verknüpfung des Marketing-Mix ist wesentlich. Verlage sollten daher ihren Podcast mit den anderen Aktivitäten in den Sozialen Medien verbinden. Wenn Verlage dort nicht oder kaum stattfinden, ob auf Facebook oder in anderen Sozialen Medien, dann findet man Verlage irgendwann nicht mehr. Eine morgendliche Fahrt in Bussen und U-Bahn zeigt, wie viel über das Smartphone konsumiert wird. Beim »Drüberwischen« sollte der Verlag gefunden werden. Nutzer*innen-Interaktion und die Verknüpfung der Sozialen Medien sind daher sehr wichtig. Verlage sollten an ihrer Sichtbarkeit arbeiten und diese dahin übertragen, wo diese stattfindet, nämlich heute verstärkt im Netz.

5. Geringe technische Anforderungen und Kosten

Um einen Podcast zu produzieren, braucht es kein großes Equipment. Die technischen Anforderungen sind gering und auch der finanzielle Rahmen ist überschaubar. Dadurch bieten sie eine rasche Möglichkeit, die Kommunikation mit neuen potenziellen Leser*innen und Kund*innen aufzunehmen.

6. Zielgruppe

Podcast-Hörer*innen sind treue Abonnent*innen. Sie hören statistisch belegbar in über 90 Prozent der Fälle jede Folge! Die Tatsache, dass jede neue Hörer*in, jeder neue Hörer alle Folgen (ab Folge 1) hört, führt zu exponentiellem Wachstum gemessen an »Listens« (Anzahl der Male, die einzelne Folgen gehört werden). Wer die Generation Y für seine Inhalte erreichen möchte, kann feststellen welchen hohen Stellenwert Audio bei dieser Zielgruppe hat und wie hier dieser Markt zunehmend wächst.

Ein paar Zahlen

73 Prozent der deutschen Bevölkerung hören Podcasts mit dem Smartphone. Das ergibt zumindest die ARD/ZDF Onlinestudie von 2017. 61 Prozent nutzen einen Laptop zum Hören. Laut der Studie »SPOT ON PODCAST – Hörer und Nutzung in Deutschland 2017/18« des ARD-Vermarkters AS&S Radio nutzen 15 Prozent der deutschen Bevölkerung  mindestens einmal wöchentlich die Audio-Angebote.

Ebenfalls sagt die Studie aus, dass 56 Prozent der Bevölkerung den Begriff Podcast kennen. Von denen wiederum 29 Prozent angaben, innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens einmal einen Audio-Podcasts gehört zu haben.

Ein weiterer Indikator für die rasante Marktentwicklung sind die steigenden Absatzzahlen von  Smart-Speaker. Alexa, Google Home und Siri gehörten im letzten Weihnachtgeschäft zu den Verkaufsschlagern. Laut einer Untersuchung von Strategy Analytics vom Dezember 2017 wurden weltweit im dritten Quartal 2017 7,4 Millionen Smartspeaker abgesetzt. Die Zahlen des Vorjahrs aller verkauften schlauen Boxen lagen noch bei 900.000.

Zeitungsverlage haben Audio-Podcasts entdeckt

Viele Zeitungsverlage sind im letzten Jahr in die Podcast-Produktion eingestiegen. Die öffentlich-rechtlichen Radiosender, aber auch private,  bieten Podcasts bereits schon länger an. Damit bieten sie ihren Hörer*innen einen Mehrwert undarbeiten gezielt am Communitybuilding. Buchverlage könnten sich in diesen relativ jungen Märkten noch gut positionieren. 

Bei den Buchverlagen sind es bis jetzt nur wenige, die ihren eigenen Podcast betreiben. Das finde ich ausgesprochen schade und schätze dies als eine verschenkte Möglichkeit ein. In Gesprächen mit Verleger*innen habe ich von unterschiedlichen Überlegungen zum Thema erfahren. Auf die verstärkte Entdeckung von Podcasts durch Buchverlage und die vielen Geschichten, die darauf warten, in einem Podcast erzählt zu werden, freue ich mich bereits jetzt.