Über die Digitalisierung des Buchmarktes in …

Brasilien

29. Oktober 2018
von Börsenblatt
Mit diesem Beitrag setzen wir unsere lockere Artikelserie über den Stand der Digitalisierung der Buchmärkte in anderer europäischen und in außereuropäischen Ländern fort. Diese Blicke über den Tellerrand des deutschen Buchmarktes wollen nicht allein informieren, sie stellen auch die Frage, ob wir von den Marktentwicklungen in anderen Ländern etwas lernen können.

Der brasilianische Buchmarkt hat ein Volumen von 1,25 Mrd. Euro mit etwa 250.000 aktiven Titeln. Einerseits erscheint die Marktgröße im Verhältnis zur Einwohnerzahl von 200 Millionen Menschen zwar eher begrenzt, andererseits zeigt sie aber das Potenzial, das der brasilianische Markt in Bezug auf Wachstum und Entwicklung aufweist. Es ist zu erwarten, dass der Markt sich mit zunehmendem Bildungsniveau deutlich erweitern wird. Nach einer 2015 erschienenen Studie des Instituts Pro-Livro (einer gemeinnützigen Organisation zur Messung von Alphabetisierung und Leseverhalten) lesen Brasilianer und Brasilianerinnen 2,5 Bücher pro Jahr, wobei diese Zahl die Pflichtlektüren in Schulen beinhaltet. Nimmt man diese aus, beläuft sich die Zahl der gelesenen Bücher auf 1,6 pro Jahr und Kopf.

Zahlen zum Buchmarkt in Brasilien

Die Zahl der aktiven Verlage liegt bei etwa 800 mit mehr als 1.200 Imprints. Handelsseitig finden sich nahezu 3.000 Buchverkaufsstellen, darunter etwa 1.000 Buchhändler. Wie in vielen anderen Ländern entwickelt sich der digitale Absatzkanal rasant. Während die E-Commerce-Quote branchenübergreifend bei etwa 30 % liegt, schätzt das Markforschungsunternehmen Nielsen, dass ca. 40 % aller Bücher online verkauft werden. Große Buchhandelsketten erzielen nach eigenen Aussagen über ihre Webshops höhere Umsätze als in jedem einzelnen Ladengeschäft.
Die o. g. Zahlen beziehen sich allerdings allgemein auf digitale Verkaufskanäle, unabhängig davon, ob es sich um den Online-Verkauf von gedruckten Büchern oder E-Books handelt. In einer Umfrage der Stiftung für Wirtschaftsforschung (FIPE) im Auftrag der beiden Verlegerverbände CBL und SNEL aus dem Jahr 2017 (basierend auf Marktzahlen von 2016) wurden 800 Verlage befragt. 37 % oder 294 von ihnen gaben an, digitalen Content zu produzieren und zu verkaufen. Der größte E-Book-Distributor Brasiliens, Bookwire, vertreibt nach eigenen Angaben E-Books von 340 Verlagen. Insgesamt kann konstatiert werden, dass der E-Book-Markt sich noch in einer frühen Phase befindet. Die Studie von FIPE kommt zu dem Schluss, dass die höchsten Umsatzanteile von E-Books in den Bereichen ‚Trade‘ (allgemeines Sortiment) und ‚STM‘ (Science, Technologie, Medicine) zu finden sind. Im allgemeinen Sortiment wird nahezu jedes zwanzigste Buch als E-Book verkauft (4,51 %), über den gesamten Markt hinweg liegt die Quote aber nur bei 1,09 %.

E-Books in Brasilien

Dabei sind die Aussagen einzelner Marktteilnehmer ebenso unterschiedlich wie im deutschen Markt. Für einzelne Titel wird von einer E-Book-Quote von mehr als 25 % berichtet, und auch saisonal sind hohe Schwankungen zu verzeichnen. Bezieht man den Self-Publishing-Bereich sowie weitere, nicht in der Studie enthaltene Verkaufskanäle mit ein, so wird die E-Book-Quote insgesamt auf etwa 4 % taxiert. Die Entwicklung ist allerdings rasant: Schätzungen sprechen von einem E-Book-Umsatz in 2016 von etwa 14 Millionen Euro, der in 2017 auf nahezu 35 Millionen Euro gestiegen ist. 2018 werden Umsätze zwischen 40 und 45 Millionen Euro erwartet.

Über das brasilianische VlB

Auch in anderen Bereichen entwickelt sich die Digitalisierung rasant. So gab es bis 2017 kein Pendant zum deutschen Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB). Daten wurden zwischen Verlagen und Buchhandlungen völlig unstandardisiert mittels Excel-Dateien ausgetauscht. Da jede größere Buchhandlung mit eigenen, proprietären Formaten arbeitete, mussten Verlage für jede Änderung von Preisen, Lieferbarkeiten oder inhaltlichen Angaben bis zu 30 verschiedene Excel-Dateien versenden. Dies führte regelmäßig zu langen Verzögerungen bei der Novitätenbestellung, zu vielfältigen Fehlern und einem hohen Kostenaufwand durch die weitestgehend manuelle Bearbeitung.
2017 wurde dann Metabooks lanciert, einem Gemeinschaftsunternehmen von MVB und Frankfurter Buchmesse sowie dem Verlegerverband CBL. Bereits 15 Monate nach Markteintritt werden über Metabooks die Daten von ca. 80.000 Titeln weitestgehend automatisiert zwischen Verlagen und Buchhandlungen ausgetauscht, was zu einem deutlichen Gewinn auf Effizienz und Qualität geführt hat. In Planung ist derzeit die Einführung einer digitalen Bestellplattform, basierend auf den US-Plattformen Pubnet und PubEasy (ebenfalls in Besitz von MVB).

Ausblick

Insgesamt kann Brasilien als vielversprechender Wachstumsmarkt mit hohem Potenzial bezeichnet werden. Gleichwohl verläuft die Entwicklung keineswegs geradlinig. Der rasche Aufstieg von Amazon in Verbindung mit Preiskämpfen schwächt den Handel und reduziert die Margen von Verlagen. Ein Preisbindungsgesetz ist seit Jahren in der Diskussion, derzeit aber nicht absehbar. Gleichzeitig ist der Wechselkurs des brasilianischen Real aufgrund von allgemeinen Wirtschaftskrisen immer wieder unter Druck und auch die politische Lage ist durch weitreichende Korruptionsskandale alles andere als klar.
Kurzum bietet der brasilianische Markt viele Chancen, ein wirtschaftliches Engagement erfordert aber starke Nerven.