Wie ein US-Start-up mit der Blockchain den Journalismus retten will

Das Civil-Netzwerk

3. Januar 2019
von Börsenblatt
Das junge Unternehmen Civil aus Brooklyn tüftelt an einer "neuen Ökonomie des Journalismus". Ende November hat Co-Gründerin Christine Mohan ihre Plattform auf dem Tech Summit des Zeitschriftenverlegerverbands VDZ in Hamburg vorgestellt. Civil möchte mithilfe der Blockchain gleich mehrere Probleme von Publishern auf einmal lösen: die Emanzipation von Werbeeinnahmen, die effiziente Lizenzierung von Inhalten an Dritte und die Wiederherstellung von Vertrauen bei den Lesern.

Zunächst müssen Redaktionen Teil des Civil-Netzwerks werden und sich zur "Civil Constitution" bekennen, einer Art Regelwerk, das den richtigen Umgang mit Quellen anmahnt oder Desinformation und Fake News ächtet. 15 Newsrooms, wie Civil sie nennt, sind bereits an Bord. "Wir konzentrieren uns auf die chronisch unterfinanzierten Bereiche im Journalismus", sagt Christine Mohan: lokale, investigative, internationale und
Politikberichterstattung. Für diese Ressorts ist die Blockchain schon allein deshalb interessant, weil unliebsame Geschichten, nicht mehr verändert oder manipuliert werden können.

Auf bis zu 1 000 Newsrooms soll die Community innerhalb des nächsten Jahrs wachsen, heißt es bei Civil. Eventuell auch mit deutschen Mitgliedern? "Wir haben uns mit dem Axel Springer Verlag ausgetauscht und mit dem ›Spiegel‹", sagt Mohan, die bei Civil für die globalen Partnerschaften zuständig ist. Hiesige
Kooperationen kann sie noch nicht vermelden, nur so viel: "Derzeit beschäftigen sich alle Häuser mit Blockchain." Mohan wird das Geschäft ab dem kommenden Jahr von Berlin aus vorantreiben.

Die Ziele, die Civil mit dem Journalismus verfolgt, lassen sich grob mit Nachhaltigkeit und Vertrauen zusammenfassen. Über die Kryptowährung Civil Token (CVL) können User favorisierte Newsrooms finanziell unterstützen oder bei Verstößen gegen die "Civil Constitution" ihr Stimmrecht ausüben, um die betreffende Organisation zu "hinterfragen". In einem kollektiven Abstimmungsprozess kann diese dann aus dem Civil-Netzwerk entfernt werden, oder – falls sie genug Fürsprecher findet – ihre Position sogar stärken und Civil Token verdienen.

Insgesamt gehen diese Prozesse weit über bisherige Communitys mit Kommentarfunktionen hinaus und erschaffen so etwas wie eine "digitale Identität" für alle Akteure – Journalisten, Publisher und Publikum – gleichermaßen. Mit seiner Kryptowährung als Grundlage möchte Civil einen "Goldstandard" für journalistische Qualität etablieren, die nur noch dem Leser und nicht mehr der Werbeindustrie verpflichtet ist.

Ein weiteres Einsatzgebiet von Civil ist das Lizenzmanagement. "Forbes" und die Nachrichtenagentur Associated Press überwachen künftig mithilfe des Start-ups, von wem ihre Inhalte genutzt und ob sie korrekt lizenziert werden. Die Transaktionen sind so detailliert darstellbar, "wie man es bisher nur von Bankkonten kannte", sagt Mohan. Die Blockchain hilft, Verstöße zu identifizieren – aber auch im Alltagsgeschäft bei der effizienten Verwaltung und Abrechnung von Lizenzen über "Smart Contracts".

"Im Prinzip handelt es sich bei smarten Verträgen und Lizenzen um eine permanent bewegliche 'Wenn-dann-Gleichung', sagt Christine Mohan. "Wir werden in der Lage sein, viel effizientere Geschäftsmodelle als bisher zu kreieren. Gerade kleineren Publishern eröffnet das bislang unerschlossene Märkte, weil sie ihre Inhalte viel gezielter distribuieren können, und zwar in vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen." Civil will die Errungenschaften seines Netzwerks regelmäßig all seinen Mitgliedern zugänglich machen. Technisch angedockt sind die Newsrooms über Wordpress und ein Blockchain-Plug-in. Civil bietet Schulungen an. "Wir sind eine Plattform, kein Publisher", stellt Christine Mohan klar. Alle Redaktionen behalten maximale Autonomie bei der Ausgestaltung von Verträgen, Preismodellen und dergleichen. "Wir helfen nur dabei, Reibungsverluste im täglichen Geschäft zu beseitigen."