KannWasClub / IG Digital

Wie innovationsfähig ist mein Unternehmen?

8. Januar 2019
von Börsenblatt
Hilfe zur Selbsthilfe - die will das Analyse-Tool "Wie innovationsfähig ist mein Unternehmen?"des KannWasClubs (Peer Group Innovation und Geschäftsmodelle der IG Digital) bieten. Das funktioniert allerdings nur, wenn man bereit ist, sein eigenes Verhalten in Frage zu stellen und sich bewusst ist, dass in einer Organisation alles miteinander zusammenhängt.

Der Fragebogen richtet sich an alle progressiv denkenden Menschen in Unternehmen, insbesondere Verlagen, nicht nur an Unternehmer selbst, denn letztlich kann jeder etwas tun, um „sein“ Unternehmen zukunftsfähiger zu machen.

Tipp-Nr. 1: Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt

Beleuchten Sie mit Hilfe des Fragebogens Ihre Ist-Situation, decken Sie Schwächen und Stärken auf, denken Sie über Ihre Zukunft nach! Der Fragenkatalog bietet den Rahmen, um über

  • das Unternehmen an sich,
  • die Strategie,
  • die Unternehmenskultur,
  • die Prozesse,
  • das Personal,
  • Märkte und Produkte sowie
  • das eigene Werteangebote (seien es Produkte oder Services)

zu reflektieren. Wem die 250 Fragen en block zu viel sind, kann mit einem der Aspekte beginnen und sich Stück für Stück durcharbeiten.


Tipp-Nr. 2: Gehen Sie sich nicht selbst auf den Leim

Vermeiden Sie das „Ja, klar“-Syndrom, indem Sie Ihre eigenen Antworten hinterfragen. Manchmal tut es ganz schön weh, wenn man sich selbst eingestehen muss, dass manches eben nicht mit „Ja, klar“ beantwortet werden kann. Erst, wer hingegen ehrlich und selbstkritisch Schwächen aufdeckt, kann sich überhaupt daran machen, diese auszumerzen.

Beispiel:

Ausgangsfrage: Kennen wir unsere Zielgruppe?
Antwort: „Ja, klar! Wir schreiben unsere Zeitschrift für Ärzte.“

Frage: Für welche Ärzte?

Antwort: Fachärzte Anästhesisten.

Frage: Was ist mit den Ärzten in Weiterbildung?

Antwort: Die sollen das Medium auch nutzen.

Frage: Tun sie es?

Antwort: Nicht alle.

Frage: Welche Medien nutzen die, die es unsere Zeitschrift nicht lesen?

Antwort: Weiß ich nicht.

Frage: Welche Medien nutzen unsere Leser neben unserer Zeitschrift auch noch?

Antwort: Weiß ich auch nicht.

Fazit: Eine Zielgruppe und z.B. die Anzahl Personen zu benennen, die man potentiell mit einem Medium erreichen kann, bedeutet noch lange nicht, die Zielgruppe zu kennen.

 

Tipp-Nr. 3: Involvieren Sie Dritte

Eine weitere Strategie gegen das „Ja, klar“-Syndrom ist, andere um ihre Einschätzung zu bitten (und diese anzunehmen). Was sagen uns unsere Kunden, unsere Zielgruppe(n)? Wie schätzen Mitarbeiter unterschiedlicher Bereiche und Hierarchieebenen einen bestimmten Aspekt ein?

Beispiel:

Ausgangsfrage: Kennen wir unsere Zielgruppe?

Antwort des Chefs: „Ja, klar, ich bin selbst studierter Jurist. Nach dem Referendariat habe ich das 2. Staatsexamen abgelegt.“

Antwort eines Redakteurs: „Ich kenne natürlich die Grundprinzipien der Juristerei, aber selbst bin ich noch nie in einem Gerichtsverfahren involviert gewesen. Und wenn, dann wäre ich aus dem Blickwinkel des Täters oder Geschädigten dabei gewesen. Wie der Alltag eines Anwalts, eines Notars oder Richters genau aussieht, weiß ich gar nicht ganz sicher. Wann er genau welche Informationen braucht, welche Medien er dafür nutzt, welche Trägermedien er überhaupt zur Verfügung hat, kann ich nur vermuten. Für mich wäre es aufschlußreich, wenn ich mal einen Tag mit einem Menschen aus unserer Zielgruppe verbringen könnte.“

Fazit: Häufig verfügen nicht alle Mitarbeiter über den gleichen Wissensstand bzgl. der Zielgruppe. Ggf. ist das auch gar nicht nötig - jedoch schafft ein Mehr an Wissen ein höheres Defizitbewusstsein (im Produkt, im Portfolio) und fördert damit die Weiterentwicklung oder auch den verständnisvolleren Umgang (insbesondere beim Service und Verkauf) mit Lesern und Kunden.

 

Tipp-Nr. 4: Bleiben Sie schlank

Sinn und Zweck des Leitfadens ist, Sie zu sensibilisieren, wo Potentiale brach liegen. Notieren Sie Ihre Gedanken, halten Sie Antworten anderer fest, aber erstellen Sie kein wissenschaftliches, theoretisches Konvolut, das dokumentiert, dass Sie sich mit den Fragen beschäftigt haben. Halten Sie den Aufwand für alle Beteiligten so gering wie möglich, versuchen Sie gleichzeitig den Erkenntnisgewinn so groß wie möglich werden zu lassen. Innovationsthemen kommen bei allen Mitarbeitern zum Tagesgeschäft hinzu - sie müssen sie „on top“ bewältigen. Tun Sie nur das, was Ihnen für die Praxis nützlich ist.


Beispiel:

Um Personas zu erstellen, entwickeln Sie intern einen standardisierten Fragebogen, mit dem die beteiligten Kollegen Tiefeninterviews durchführen. Alle Kollegen protokollieren ihre Gespräche handschriftlich in dieser Vorlage. Rufen Sie anschließend alle Kollegen zum Erfahrungsaustausch zusammen, bereiten Sie die Ergebnisse gemeinsam auf und ziehen Sie gemeinsam Schlüsse! Das bleibt den Mitarbeitern deutlicher im Gedächtnis als die Protokolle der anderen zu lesen.

Zur Dokumentation: Sind die Mitschriften leserlich und ausführlich, so genügt es, diese anschließend einzuscannen und an einem gemeinsamen Speicherplatz zu sammeln. Nur, wenn sie unleserlich und noch zu ergänzen sind, sollte ein Mitarbeiter sein Protokoll nochmal abtippen.

 

Tipp-Nr. 5: Seien Sie empathisch

Werte ändern sich. Heutzutage treffen Digital Natives, Millenials und (fassen wir die anderen mal grob zusammen) Digital Immigrants im Berufsleben aufeinander - ob nun auf Mitarbeiter- oder Kundenseite. Um innovationsfähig zu sein, bedarf es eines wertschätzenden Umgangs bzw. Blick für die Stärken und Bedürfnisse über die Generationsgrenzen hinweg.

 

Beispiel:

Unternehmensinhaber (50 Jahre) schaut regelmäßig eine TV-Nachrichtensendung eines öffentlichen Rundfunkanbieters, um sich tiefgehend(er) mit gesellschafts- und politischen Themen auseinander zu setzen.

Ein Geologiestudent (23 Jahre) surft - wenn er sich denn unspezifisch dafür interessiert - kurz mal auf einem Onlinenachrichten-Kanal bei „Aktuelles“ vorbei (wenn’s hoch kommt, fünf Minuten täglich) und vergräbt sich sonst durch gezielte Suche zu einem Thema, das ihn gerade interessiert, in entsprechende (Online-)Quellen - und blendet den Rest aus, bis ihn etwas anderes interessiert.

Fazit: Wenn ich als Verleger (oder wenn meine Autoren/Hrsg./Redakteure etc.) auf der althergebrachten Darstellungsart von Informationen beharre(n), weil ich (sie) es richtig und wichtig finde(n), sich tiefgehend mit etwas auseinanderzusetzen, so verliere ich die Personen als Kunden, für die Nachschlagen und Wissen-wo-ich-was-finde-wenn-ich-es-brauche wichtiger geworden ist als das Wissen selbst.

Widerstrebt es Ihnen von Ihren Werten abzurücken? Versuchen Sie die Perspektive zu ändern: Wie soll ein junger Mensch heutzutage der Informationsflut und den Anforderungen der Welt überhaupt noch gerecht werden, wenn sich das Wissen alle fünf bis zwölf Jahre verdoppelt? Egal ob Ihnen selbst dieser Just-in-time-Bedarf widerstrebt, Kernfrage ist: Wie kann ich das Leben der Menschen meiner Zielgruppe, z.B. Berufsanfängern, durch realitätsnahe Angebote verbessern?

 

Tipp-Nr. 6: Innovationsfähigkeit hängt am Innovationswillen

Persönlichkeiten spielen überall eine Rolle. Es gibt risikofreudige und eher sicherheitsbedachte Menschen. Innovationen sind i.d.R. schlecht kontrollierbar - selbst, wenn es ein neuartiges Produkt von Unternehmen A bereits auf dem Markt gibt, weiß Unternehmen B häufig wenig über dessen Wirtschaftlichkeit, die Herstellkonditionen, die Finanzierung, die Markteintrittsstrategie, das Marketing etc. Man kann nun versuchen, möglichst umfassend für sich selbst den Wettbewerb, die Zielgruppe, die Herstellungskosten, die Absatzchancen etc. zu ermitteln, doch trotzdem bleibt bei einem Werteangebot, das noch nicht zum Standardportfolio eines Unternehmens gehört, stets ein Zweifel, ob es erfolgreich sein wird.

 

Beispiel:

Frage: „Ist Ihr Unternehmen innovationswillig, weil Sie einen Business Development Manager angestellt haben?“

Antwort: „Ja, klar! Wir leisten uns jemanden, der das Thema ‚Neue Geschäftsmodelle‘ beleuchtet. Wenn der nichts findet, was wir neu, anders, besser machen können, weil sich ‚nichts rechnet‘ oder der Anfangsinvest zu hoch ist und der ROI (Return on investment)  in zu weiter Ferne liegt, dann machen wir alles richtig.“

Nachfrage: „Was aber, wenn Sie (zu) vorsichtig sind - z.B. die ROI-Zeiten pauschal (sehr) gering ansetzt und deswegen kein neues Produkt auf den Markt bringt, dessen ROI relativ sicher wäre, jedoch in größerer Zukunft läge?“

Fazit: Der Grat ist schmal, auf dem man sich bewegt zwischen einem geschäftsfördernden / innovativen Verhalten und Stillstand aus Angst ein Risiko einzugehen. 

 

Tipp-Nr. 7: Innovationsfähigkeit geht alle an

Wie organisieren Sie Innovation in Ihrem Unternehmen? Nehmen Sie alle Mitarbeiter mit auf den Weg in die Zukunft oder denken Sie, es gibt Positionen, da findet das Alltagsgeschäft statt und andere, da wird innoviert? Und wer „macht“ dann die neuen Produkte, wenn die „alten“ Mitarbeiter nicht beteiligten waren an ihrer Entwicklung? Sie nicht einzubeziehen, bedeutet

1. Sie haben Vorbehalte, weil Neues immer erst mal Angst macht,

2. sie wissen gar nicht, was zu tun ist - inhaltlich, wie vom Prozess her

3. sie identifizieren sich nicht mit dem Neuen.

Ein klassischer Fall von „Change Management“ - und damit, wenn wir uns eingehender damit beschäftigen, von klassischer, althergebrachter Personalentwicklung.

 

Kleines Gedankenspiel:

Frage: „Was passiert, wenn wir in Personalentwicklung investieren und diese Mitarbeiter uns dann verlassen?“

Antwort: „Was passiert, wenn wir nicht in Personalentwicklung investieren - und diese Mitarbeiter dann bleiben?“

Fazit: Lernen macht Spaß. Lernen lassen und Lernen fördern, bedeutet Mitarbeiter zu motivieren und zu qualifizieren - ziemlich sicher führt es sogar zu Innovationsideen. Nicht bei jedem, nicht immer und nicht sofort: Es kommt natürlich auf den Lernstoff, das Einsatzgebiet und das Potential eines jeden einzelnen an. Dem Gedanken „Wenn ich meine Mitarbeiter qualifiziere, dann wollen sie am Ende noch einen anspruchsvolleren Job, den ich nicht habe, und mehr Geld.“ können Sie getrost begegnen mit z.B. Jobrotation, wenn es keine Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Mehr Gehalt müssen Sie dann nicht unbedingt zahlen, während gleichzeitig Arbeitszufriedenheit und das Vertretungspotential im Hause steigt. Sobald ein Mehr an Qualifikation zu Kostensenkung oder Umsatzsteigerung führt, hindert Sie aber auch niemand daran, ihre Mitarbeiter finanziell zu beteiligen.


Tipp-Nr. 8: Berücksichtigen Sie die Bedürfnisse von Alt und Neu

Wenn Sie ein neues Geschätsmodell etablieren wollen, z.B. Corporate Publishing (CP) in einem Fachverlag, und diese Projekte von den gleichen Mitarbeitern umgesetzt werden sollen, die auch z.B. das Buchprogramm produzieren, so seien Sie sich bewußt, dass das zu Konflikten führen kann, da die Kundenanforderungen unterschiedlich sind.


Beispiel:

Während ein Endkunde ein Buch im Buchhandel kauft, ist der zahlende Kunde bei einem CP-Projekt nicht der Leser, sondern ein Unternehmen. Während es dem Endkunden schnuppe ist, wie lange z.B. eine Kalkulation intern benötigt, braucht der Mitarbeiter, der das CP-Projekt akquirieren soll, diese Kalkulation recht schnell, da er ja noch ein Angebot schreiben muss für seinen Kunden. Wenn nun die interne Richtlinie für Kalkulationen z.B. 7 Werktage benötigt, so muss der potentielle Kunde über eine Woche auf ein Angebot warten. Glauben Sie, dass ihr Mitarbeiter damit erfolgreich sein wird? Nein, wird er nicht; heutzutage ist kein Kunde mehr bereit auf so wenig komplexe Produktangebote derart lange zu warten.

Fazit: Passen Sie Ihre Prozesse auf alle Geschäftsprozesse an, die Sie realisieren möchten. Andernfalls erzeugen Sie Frust (kein Erfolg bei dem Salesmitarbeiter), Spannungen im Team (Salesmitarbeiter, der seine Kollegen permanent bittet, seine Anfragen schneller und mit höherer Priorität zu bearbeiten, als die Vorgaben fürs Bestandsgeschäft vorgeben) und sind nicht wettbewerbsfähig (die Kunden kaufen bei Ihren Konkurrenten).