future!publish 2019

Frisch, unfromm, fröhlich, frei

26. Januar 2019
von Börsenblatt
Bereits zum vierten Mal intonierte die future!publish im Januar in einer Ouvertüre die Themen, die im Lauf des Jahres in der Branche auf der Agenda stehen werden. Die Schwerpunkte 2019: Vertrieb und Marketing, Workflow und Personalentwicklung, Big Data und KI-Anwendungen, technische und inhaltliche Innovationen beim Publizieren.

Augenfällig ist auch ein anderer Unterschied zu vergleichbaren Konferenzen und Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum: Exakt 58% der Besuchenden sind weiblich. Und bei den Vortragenden beträgt der Frauenanteil immerhin noch 36% – eine Quote, die nach Auskunft des Veranstalters Literaturtest in den kommenden Jahren noch erhöht werden soll. Ferner fällt beim Besuch der future!publish sofort der nicht geringe Anteil von Branchenmenschen der mittleren und jüngeren Generation auf. All dies macht die Konferenz schon in Bezug auf die Besuchenden zu einem spannenden Mix unterschiedlicher und wohltuend bunter Erfahrungen, Einstellungen und Meinungen.

Eine ermunternde Keynote von Frank Eilers

Für das Opening der Konferenz konnte der Keynote-Speaker Frank Eilers gewonnen werden, der ansonsten eher in anderen Branchen unterwegs ist. In seinem munteren, das Auditorium immer wieder einbeziehenden Vortrag ging er auch auf ein Thema ein, das in einigen Vorträgen und Workshops auf dem Programm stand. Wir investieren, so sein Credo, sehr viel Geld in Technik und Prozesse, verwenden aber viel zu wenig Zeit in die Entwicklung und Bewusstwerdung unserer grundsätzlichen Haltung. Wie stehen wir ganz persönlich zu unseren Unternehmen, ihren Zielen und den technischen und gesellschaftlichen Implikationen der Digitalisierung? Wir müssen dazu eine entschiedene innere Haltung einnehmen – und Freiräume schaffen, diese gemeinsam mit anderen zu entwickeln. Frank Eilers Keynote wurde von vielen als gelungene Einstimmung in die future!publish empfunden.

Workshops und Vorträge

Mit insgesamt 28 Sessions bot die future!publish diesmal weniger Veranstaltungen als im vergangenen Jahr an, was allerdings von den TeilnehmerInnen und ReferentInnen einhellig begrüßt wurde. Die neun angebotenen Workshops waren diesmal auch tatsächlich als Workshops konzipiert und fanden regen Zuspruch. Die Möglichkeit zur kollaborativen Arbeit an den Themen wurde aktiv und kreativ genutzt.

Die Taktung der Session und die eingeplanten Pausen ließen allen auch genug Zeit, um sich während der zweitägigen Veranstaltung auszutauschen, zu vernetzen und über das Gehörte miteinander zu diskutieren.

Auch der Umzug der Konferenz ins Mercure Hotel MOA Berlin, im trendigen Bezirk Moabit gelegen, kam bei den TeilnehmerInnen gut an. Der professionelle Service, die kurzen Wege zu den einzelnen Konferenzräumen und nicht zuletzt die Möglichkeit, preiswert im Tagungshotel zu übernachten hat viele TeilnehmerInnen überzeugt.

Reizwort Kannibalisierung

Wie verhindern wir, dass wir durch neuartige Produkte, zusätzliche Vertriebskanäle oder sonstige Maßnahmen unseren eigenen Content kannibalisieren? Diese Frage wurde in einigen Sessions wenigstens kurz reflektiert. Am ausführlichsten hat sich dazu Kilian Kissling, Geschäftsführer von argon hörbuch und Vorsitzender des LV Berlin-Brandenburg, in seinem Vortrag »Wie wir unser Publikum gefunden haben. Werkstattbericht eines Hörbuchverlags« geäußert.

Im Jahr der Einführung des iPad, also 2010, verkaufte Apple im III. Quartal weltweit 2,9 Millionen MacBooks. Die meisten Wirtschaftsanalytiker prognostizierten einen Kannibalisierungseffekt, vermuteten also, dass der Verkauf von MacBooks nach der Einführung des iPad langfristig deutliche Einbußen hinnehmen muss. Denn wozu sollte man zwei in ihrem Funktionsumfang doch recht ähnliche Geräte anschaffen? Sieben Jahre später, also im III. Quartal 2017 verkaufte Apple 4,3 Millionen MacBooks und 14,3 Millionen iPads. Von Kannibalisierung konnte also keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Käufer sind viel tiefer als erwartet in das Apple-Universum eingestiegen.

Kilian Kissling führte ferner aus, dass Argon 2017 mit Lizenzerlösen im Streaming und mit Download-Subskriptionen (also den angeblichen Kannibalisierungskanälen) anderthalb mehr an Umsatz generiert hat wie mit den klassischen Geschäftsfeldern, also CD-Verkäufen und Einzel-Downloads.

Und überhaupt, so Kilian Kissling: Bedeutet nicht eigentlich jeder neue Titel in unseren Programmen Kannibalisierung für den Rest unserer Titel? Und wenn ich Hörbücher an eine Buchhandlung liefere, kannibalisiert das nicht den Umsatz mit anderen Buchhandlungen? Warum denken wir eigentlich immer zuerst an Kannibalisierung, wenn neue Vertriebswege entstehen? Er äußerte an dieser Stelle seines Vortrages die Vermutung, dass in unserer Branche vieles nur geglaubt, aber nicht gewußt wird. Und der Glaube an unsere traditionellen Geschäftsfelder scheint bei vielen von uns nahezu kanonischen Charakter zu haben.

Der Deutsche Buchtrailer Award

… wurde auf der future!publish in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben. Diesmal zusätzlich in der Kategorie Kinder- und Jugendbuch. Gewonnen haben die Trailer zum Buch »Tel Aviv« von Haya Molcho (Brandstätter) und zum Kinderbuch »Der Panther« nach dem Gedicht von Rainer Maria Rilke aus dem Kindermann Verlag. Herzlichen Glückwunsch! Die beiden Siegertrailer werden eine Woche lang in allen Kinos und allen Vorstellungen der Berliner Yorck-Kinogruppe gezeigt.

Bleibt nur noch anzumerken, dass die nächste future!publish am 30. und 31. Januar 2020 stattfinden wird – im kommenden Jahr dann hoffentlich nicht gleichzeitig mit dem Treffen der IG Belletristik und Sachbuch in München.