Interview mit David P. Steel, L-Pub

„Die Gefahr bei innovativen Produkten ist, zu weit in der Zukunft zu sein“

21. Juni 2019
von Börsenblatt
Seit 2016 fördert und prämiert der Börsenvereins-Accelerator CONTENTshift Startups der Buch- und Medienbranche. Was ist aus den Finalisten des Programms geworden? Der KannWas.Club der IG Digital hat nachgefragt. Das Sprachlern-Startup L-Pub stand 2017 auf dem Sieger-Treppchen. David Best hat mit dem Gründer David P. Steel gesprochen.

"Es war ein unangenehm schwüler Tag. Meine Gedanken kreisten um eine frische Meeresbrise, die einem eine leichte Gänsehaut verpasst und leckeres Zitronen-Eis. Im Coworking Space am Frankfurter Hauptbahnhof gab es eine Klima-Anlage. Das war fast genauso gut und so freute ich mich schon sehr auf unsere Präsentation und den Austausch mit der Jury und den Coaches…".

Das schrieb Leonore Kleinkauf, Gründerin beim Sprachlern-Startup L-Pub in einem Blog-Beitrag der Unternehmenswebsite zum Pitch für die Finalrunde von Content-Shift 2017. Das Sprachlern-Startup L-Pub konnte die Jury überzeugen und wurde einer der Finalisten im 2017er-Jahrgang. Wo steht das Startup heute und welche Erfahrungen wurden gemacht? Der Kann.Was-Club sprach mit David P. Steel, einem der Gründer von L-Pub.


Was ist Ihr Produkt bzw. Service? Wie schaffen Sie für Ihre Zielgruppen Mehrwerte?

Wir bieten verschiedene Produkte und Dienstleistungen auf Basis von Textanalyse, Textannotierung und Termbase-Verwaltung an, vor allem im Bereich des Sprachenlernens. Für den B2B-Bereich ist unser Wertversprechen "Apps mit deutlich weniger Aufwand, und großem Mehrwert für die Endnutzer, so dass diese individualisiert lernen können". Für unsere Endkunden lautet unser Wertversprechen "außerhalb des Unterrichts motiviert und effektiv lernen."

Können Sie die Technologie hinter ihren Produkten und Dienstleistungen erläutern?
Wir können jeden Text in ein individualisiertes und kontextualisiertes Lerntool umwandeln. Vom Verlag kommt der Text und oft auch die Termbase, wir verknüpfen diese dann geschickt mit unserer Technologie. Es gibt im Prinzip drei Bausteine: Textanalyse, Textannotierung und daraus dann die Übungserstellung. Textanalyse heißt, dass mittels NLP, also sogenanntem Natural Language Processing, Texte analysiert werden. Dadurch kann der Inhalt z.B. auf Verständlichkeit, Lesbarkeit und Bedeutungen hin analysiert werden oder es können Fachbegriffe aussortiert werden. Textannotierung heißt, auf Basis der Analyse und der Termbase neue Funktionalitäten im Text anzubieten.

Wie gehen Sie vor, wenn keine Termbase mitgeliefert wird?
Liegt keine Termbase vor oder ist diese nicht sauber formatiert, können wir auch bei der Strukturierung der Termbase helfen. Das heißt, dass Wörterbücher oder ähnliche Begriffsdatenbaken so aufgebaut werden, dass sie sinnvoll mit anderen digitalen Schnittstellen kommunizieren können, wie z.B. einem von uns annotierten Text. Ein wichtiges Angebot daraus ist dann vor allem die Übungserstellung, z.B. für individualisierte Sprachlern-Apps als Whitelabel-Apps. Über einen standardisierten Prozess werden z.B. automatisch für den Lernenden Übungen aus dem Satz erzeugt, den er gerade liest. Sowohl das Wort, der Termbase-Eintrag als auch der Kontext des Satzes werden im Lernprozess verwendet: In unterschiedlichen Übungen zum Erkennen und Abrufen von Inhalten werden dann z.B. Fremdsprachenvokabeln gelernt. Die Reihe der Übungen ist progressiv, das heißt, ich bekomme erst schwierigere Übungen, wenn ich die einfacheren erfolgreich gemeistert habe. Die Eingaben des Nutzers werden gespeichert und der Nutzer erhält direktes Feedback und kann Lernstatistiken abrufen. Das kann man auch als KI-gestütztes "adaptives Lernen" bezeichnen. Hauptvorteil hierbei ist nicht nur die starke Individualisierung und Kontextualisierung für die Lernenden, sondern auch, dass Redakteure stark entlastet werden. Redakteure können dann viel schneller, viel mehr Lernangebote erstellen. Mit der gewonnenen Zeit können sich die dann auf rein inhaltliche Übungsarten konzentrieren, die noch nicht durch unsere KI-Komponenten erzeugt werden können.

Wie verdienen Sie Geld?
Bei unseren Produkten und Dienstleistungen gibt es unterschiedliche Erlösströme. Im B2B-Bereich sind das direkte Erlöse durch Dienstleistungen und Produkte für Verlage sowie anteilige Erlöse an den verkauften Apps, die mit unserer Technologie gebaut worden sind. Im B2C-Bereich kommen die Erlöse durch den Vertrieb eigener Apps.

Wo stehen Sie heute als Unternehmen bei der Finanzierung?
Wir sind vier Mitarbeiter. Es gibt zudem bereits ein Funding, d.h. es wurden Anteile an Business Angels verkauft und es gibt eine Beteiligung von Hessen Kapital 1. Aktuell befinden wir uns zwischen einer Seed- und einer Series A-Finanzierung. Den Break-Even haben wir noch nicht erreicht.

Hat sich Ihr Geschäftsmodell seit dem Content-Shift-Wettbewerb geändert?
Ja. Zu Zeiten des Content-Shift-Wettbewerbs (2017) ging es noch eher breitflächiger um annotierte Inhalte und kontextsensitives Nachschlagen nach Informationen und das Lernen insgesamt (das "L" in L-Pub steht für "Lernen"), mittlerweile liegt der Fokus erkennbar auf dem Bereich Sprachenlernen. Das liegt vor allem daran, dass es im Bereich der Sprachlehrbücher bei Verlagen und Käufern gelernt ist, unterschiedliche Produkte und "Add-ons" zu einem Thema zu verkaufen, wie Übungshefte zu Lehrbüchern. Existierende Produkte können damit leicht und gut vermarktbar aufgewertet werden.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Marktbearbeitung gemacht?
Bei der Entwicklung der Produkte und Dienstleistungen und dem Vertrieb spielt "Trial-and-Error" eine wichtige Rolle. Ein Beispiel: Mit "L-Book" gibt es einen eigenen Standard, der jedoch für einige zu proprietär klingt und deshalb nicht mehr so stark kommuniziert wird. Den Begriff "App" versteht dagegen jeder. Im Bildungsbereich sind die Zielgruppen und relevante Ansprechpartner gut bekannt. Im Bereich der Fachverlage muss mehr Zeit in die Akquise gesteckt werden; hier gibt es zudem nicht "das" Referenzprodukt analog zu den Whitelabel-Sprachlern-Apps, sondern eher individuelle Dienstleistungen und Bedarfe, die erst ermittelt werden müssen. Es ist also eine Mischung aus Kaltakquise, Messebesuchen aber vor allem Mundpropaganda.

Was sind bei Ihrem Geschäftsmodell die größten Herausforderungen?
Die Gefahr bei innovativen Produkten und Dienstleistungen ist immer, zu weit in der Zukunft zu sein. Ziel muss sein, nur einen "Schritt" vor dem "Jetzt" zu sein. Eine konkrete Herausforderung ist, dass die Verlagsbranche noch zu sehr am Print und PDF hängt und die Monetisierung von Apps noch nicht so viele große Erfolge erzielt hat, zumindest in der Verlagsbranche. Die Kunden sind aber vorwiegend in Apps unterwegs.

Ein Blick in die Zukunft: von welchen neuen Produkten versprechen Sie sich besonders viel?
Wir erhoffen uns viel von StoryPlanet, unsere App zum Sprachenlernen auf Basis von Kurzgeschichten. StoryPlanet ist vor allem für Publikumsverlage spannend, weil neue Zielgruppen erreicht werden können, die gerne Bücher in der Originalsprache lesen möchten, aber noch nicht über einen genügend großen Wortschatz verfügen und deshalb mit unseren Anreicherungen und Übungen perfekt abgeholt werden. Wir hoffen im Laufe von 2019 soweit zu sein, dass wir Verlagsinhalte in der App mitverkaufen können. Im Moment entstehen alle Stories bei uns intern im Haus.

Der KannWas.Club ist Teil der IG Digital im Börsenverein.