Betrügerische Machenschaften

Google Play Books und die Piraten

3. Juni 2015
von Börsenblatt
Auch Google ist nicht davor gefeit, von Piraten okkupiert zu werden. Unser Autor Harald Henzler berichtet von einem derartigen Vorgang und von Googles Kapitulation.

Erst kürzlich haben wir bei smart digits über die Neuerungen bei Google Play Books berichtet und den Anspruch von Google, das Lesen über alle Geräte attraktiver zu machen. Google schien wieder Fahrt aufnehmen zu wollen mit seinem Buchangebot, nachdem dort in den letzten Jahren wenig passiert war und die Buchverkäufe im Vergleich zu Amazon und Apple weit hinterherhinkten. Aber jetzt musste Google einen kleinen Dämpfer hinnehmen. Trittbrettfahrer nutzten nämlich bekannte Autoren und deren Werke, um Geld in die eigenen Taschen zu lenken. In den USA stellten diese Piraten angeblich Bestseller ein, lieferten jedoch falsche Inhalte, Spam oder gar Viren, betrogen und schädigten somit Kunden, Autoren und Verlage, wie unter anderem Michael Kozlowki und Liam Spradlin berichteten. Diese Masche hatte es bis in die International Business Times gebracht und für einigen Pressewirbel gesorgt. Und dazu geführt, dass Google vorläufig keine Google Play Books Partner mehr akquiriert. Unter diesem Namen konnte jeder seine eigenen Bücher hochladen und anbieten. Damit sollte die Plattform für Selfpublisher attraktiv gemacht werden. Google wollte sich von den Verlagen unabhängiger machen und den Content der Crowd für sich nutzen, ähnlich wie Amazon mit seinem eigenen Buchprogramm. Dieses Angebot von Google wurde jetzt bis auf weiteres geschlossen.

Sicher wird es Google bald gelingen, einen neuen Ansatz zu finden. Denn man setzt auf die Mitwirkung vieler, um den eigenen Traffic zu steigern. Google ist bekanntlich ein Unternehmen, das die Kraft aller nutzt, um Märkte disruptiv zu verändern. Und dabei ist die crowd unersetzbar. Dumm nur, wenn diese Mechanismen unterlaufen werden und andere davon profitieren. Dann funktioniert Googles Motto »do no evil« einfach nicht mehr.


Die Achtung der Urheberrechte hat bei Google nicht die höchste Priorität. Das Geschäftsmodell fußt vor allem auf Werbeeinnahmen und nicht auf dem Verkauf von Content. Anders als Amazon verdient Google »nur« mit den Daten seiner Kunden. Würde Google das Urheberrecht ernst nehmen, hätte man schneller auf das betrügerische Verhalten der Trittbrettfahrer reagiert.

Crowdsourcing ist für die meisten Geschäftsmodelle relevant. Und Google versteht sich darauf ja sehr gut. Wir hatten vor längerem bei reCAPTCHA schon einmal auf das geschickte Vorgehen bei Google hingewiesen. Doch das bedeutet im Falle von Content auch, dass man geschickte Kontrollmechanismen einbauen muss, um nicht Betrügern Raum zu lassen. Die Masse allein macht noch keinen Sommer. Jede Selfpublishing-Plattform weiß ein Lied davon zu singen, wie schwierig es ist, eine gute Marke aufzubauen, die der Kunde sucht. Allein die Öffnung für die Angebote aller lockt heute niemanden hervor.

Und dieser Aufbau von Marken gelingt der Verlagsindustrie nach wie vor. Doch wenn bestimmte Autoren oder Werke oder Serien einen Namen errungen haben, rufen sie in der digitalen Welt Trittbrettfahrer auf den Plan. Deshalb reicht das Einrichten von Plattformen allein nicht aus. Man muss die Mechanismen der Verlage beherrschen, um in diesem Markt erfolgreich sein zu können. Man muss eine Ahnung haben, wie man auswählt, wie man ein Programm zusammenstellt, für wen man eine Marke sein will. Man muss in die Inhalte einsteigen. Deshalb greift Amazon auf Spezialisten aus der Branche zurück, um sein Kindle direct-Programm erfolgreich ausbauen. Das scheint Google nicht auf dem Radar zu haben. Google Play Books dümpelt jetzt also vor sich hin.

Immerhin bereitet den Verlagen der aktuelle Vorfall keine Bauchschmerzen, denn deren Erlöse über diese Plattform waren unbedeutend. Nate Hoffelder zufolge war auch NUV aus den Niederlanden der Treiber, der wichtigste der Verlagsindustrie, der Google zum Einlenken gegen die Piraterie gebracht hat. Und das ist keiner der Großen.