Normdaten

Über den Autor zum Produkt

22. Januar 2018
von Börsenblatt
Verlage investieren zunehmend in qualitativ hochwertige Produktbeschreibungen. Denn die Annahme, dass gute Metadaten Bücher verkaufen, hat sich längst bestätigt. Steigende Verkaufszahlen beweisen den Mehrwert von optimal gepflegten Produktinformationen. Welche etablierten Standards für die Erschließung von Inhalten und den Austausch von Metadaten gibt es und welche sind gerade im Kommen? Wie erreicht man eine bessere Auffindbarkeit und Präsentation von Autoren durch den Einsatz von Normdaten?

Markenbildung via Metadatenmanagement

Für die Einführung von ONIX 3.0 als neues Austauschformat für Metadaten hat die Buchbranche die aktuellen technischen Möglichkeiten genau unter die Lupe genommen. Ergebnis: Eine Reihe neuer  Möglichkeiten, wie Produkte noch besser beschrieben werden können als bisher. Dabei rückten zwei Aspekte in den letzten Monaten besonders in den Fokus: einerseits unterschiedliche Beschreibungen für ein und dasselbe Produkt je nach Zielgruppe (Endkunde, Buchhändler, Journalist) zu erstellen und andererseits Marketingmaterialien und weiterführende Informationen noch besser sichtbar zu machen.

Was dabei auffiel: Bislang konzentrieren sich Metadaten sehr auf das einzelne Produkt. Um die Markenbildung weiter zu professionalisieren, müssen Verlage ihre Marketingmaterialien aber produktübergreifend platzieren. Gleichzeitig gilt es, vor allem den Autor als Marke bzw. als oft gewählten Sucheinstieg mehr in den Mittelpunkt des Metadatenmanagements zu stellen.

Warum ein Name nicht genug ist

Um einen Autor in Online-Auftritten adäquat präsentieren zu können, reicht  die reine Nennung des Namens längst nicht aus. Neben Fotos der Person sollten vor allem weiterführende Angaben wie Biografien, aber auch Informationen zu aktuellen Events wie Lesungen in Form von Metadaten verfügbar sein. Da man dies als Verlag nicht mit jedem Titel mitsenden und vor allem nicht an jedem Backlist-Titel aktualisieren möchte, ist es erstrebenswert, Personendaten zentral zu pflegen.

Auch muss klar sein, an welchen Werken die Person mitgearbeitet hat. Kunden, die sich für diese Person interessieren, möchten natürlich keine Produkte namensgleicher Urheber empfohlen bekommen. Da sich in Produktbeschreibungen in der Regel nur der Name des Urhebers findet, stellt sich hier die erste Problematik. Wer Michael Schmidt oder Thomas Müller heißt, hat viele Namensvetter. In China wird das Problem noch deutlicher: der Großteil der Bevölkerung trägt einen der 20 häufigsten Familiennamen. Welche der gleichnamigen Personen nun tatsächlich an einem Werk mitgearbeitet hat, ist so nicht nachvollziehbar.

Vorbilder: Bibliothekswesen und Wissenschaft

In der Bibliothekswelt ist man sich des Problems der Namensgleichheit schon lange bewusst. Deshalb weisen so genannte Normdaten jedem Urheber eine eindeutige Identifikationsnummer – ähnlich einer ISBN für Bücher – zu. Identifizierende Merkmale stellen sicher, dass sich der Urheber von namensgleichen Urhebern unterscheidet. Dazu gehören neben den Namensvarianten auch die biografischen Informationen wie die Lebensdaten, Beruf etc. oder ein kurzer beschreibender Text. Das deutschsprachige Bibliothekswesen hat in der Gemeinsamen Normdatei (GND) auf diese Weise bereits über vier Millionen Personen eindeutig beschrieben. Bisher werden die Urhebereinträge in der GND in erster Linie von Bibliothekaren gepflegt.

Auch für Wissenschaftler und Forscher spielt die eindeutige Zuordnung ihrer Publikationen eine wichtige Rolle, da jede Publikation und besonders deren Zitierung ihre Reputation steigern. Entsprechend ist man im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens einen Schritt weitergegangen. Wissenschaftler können sich selbst für eine Open Researcher and Contributor ID (ORCID) registrieren und auf dem zugehörigen Webportal selbst Angaben zu ihrem Lebenslauf hinterlegen. Bei jeder ihrer Publikationen geben sie die ORCID an. So ist die eindeutige Zuordnung gesichert, und Rückschlüsse auf bisherige Arbeitsfelder des Wissenschaftlers können direkt gezogen werden.

Vernetzung von Personenbeschreibungen

EDItEUR bringt im International Standard Name Identifier (ISNI) weltweite Aktivitäten an Normdaten in einem System zusammen. Der ISNI-Datensatz eines Urhebers beschränkt sich dabei eher auf rudimentäre identifizierende Angaben, erlaubt es aber durch die Verlinkung der verschiedenen IDs zu den jeweiligen nationalen Anbietern und den sprachspezifischen Inhalten zu gelangen. Das bedeutet, wenn der Verlag in seiner Produktbeschreibung eine ISNI angegeben hat, könnte ein Shop z. B. Lebensdaten und deutschsprachige Informationen aus der GND sowie Angaben zu Arbeitgebern oder Förderern aus ORCID beziehen.

Man sieht, es gibt bereits eine Vielzahl von Bemühungen, Autorenbeschreibungen zentral zur Verfügung zu stellen. Was allerdings auch deutlich wird: Verlage schöpfen das Potenzial dieser Metadaten noch nicht aus.

Was Verlage jetzt machen müssen

Um Kunden einen spezifischen Autor als funktionierenden Sucheinstieg anzubieten, muss ein Shop ihn als unverwechselbare Person identifizieren können. Dies ist nur möglich, wenn sich in den Produktmetadaten nicht nur der Urhebername findet, sondern auch für jeden Urheber eine Urheber-ID (GND, ORCID, ISNI) hinterlegt ist. Die Eintragung einer Urheber-ID muss folglich fester Bestandteil des Metadatenmanagements in jedem Verlag werden.

Das Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) nimmt Urheber-IDs bereits entgegen und gibt sie an Handelsplattformen weiter. Darüber hinaus werden 2018 über zwei Millionen Urhebereintragungen im VLB automatisch mit den zugehörigen GND-Nummern versehen. Diese Zuordnungen stammen aus der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und erlauben Shops auf einen Schlag, eine Vielzahl von Backlist-Titeln Personen eindeutig zuzuordnen. Unabhängig davon sollten Verlage die Backlist auch in ihren Verlagssystemen mit eindeutigen Urheberzuordnungen versehen. Die vom VLB bereitgestellten Verknüpfungen können hierfür ein hilfreicher Einstieg sein.

Ausblick: Was ein Verlag zukünftig können soll

Ziel muss es sein, dass ein Verlag nicht nur Urheber-IDs in seinen Produktmetadaten angeben kann, sondern auch alle für ihn relevanten Informationen zur Person an zentraler Stelle pflegt. Neben den biografischen Angaben, wie Geburtsdatum, Beruf oder einem kurzen Text gehören hierzu vor allem die Marketinginformationen wie Autorenfotos oder Lesungstermine. Ein Online-Shop würde bei der Suche nach einem Autor somit nicht nur dessen Produkte anzeigen, sondern auch alle vom Verlag bereitgestellten ergänzenden Informationen.

In einem Kooperationsprojekt der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH werden derzeit Verlage verschiedenster Größe in persönlichen Interviews befragt, welche Rolle Urheberdaten derzeit für sie spielen, welche Angaben sie zu ihren Urhebern gern an den Handel weitergeben möchten und was für sie praktikable Wege für die Datenbereitstellung aber auch für die Nachnutzung bestehender Urheberdaten sind. Darüber hinaus werden Gespräche mit Shop-Betreibern und der VG WORT geführt, um Workflows zu finden, von denen die gesamte Buchbranche profitieren kann.

Die gesammelten Anforderungen dienen dazu, eine Infrastruktur zu konzipieren und umzusetzen, die Personendaten bestehender Portale wie der GND, ORCID oder ISNI einbezieht, Verlagen eine Anreicherung an zentraler Stelle einfach möglich macht (aus dem eigenen Verlagssystem oder auf einer Online-Plattform) und vor allem Händlern den Zugriff zu den urheberbezogenen Marketinginformationen gibt.

Mehr zu diesem Thema ist im Workshop »Metadaten, Standards, Datenströme – pain or gain?« auf der future!publish 2018 in Berlin zu erfahren.