Die Sonntagsfrage

Wie altert man gut im Literaturbetrieb, Frau Kühmel?

22. May 2022
von Börsenblatt

Die Lettrétage, die die freie Literaturszene Berlins vernetzt, lädt im Rahmen der Reihe „Berlinclusive!“ zu zwei Abenden zum Thema Alter im Literaturbetrieb ein. Mit dabei ist die Schriftstellerin Miku Sophie Kühmel. Wie der Erfolg im Literaturbetrieb mit dem Alter zusammenhängt und welche Schlüsse sie daraus zieht, erklärt die Autorin in der Sonntagsfrage. 

Miku Sophie Kühmel

Miku Sophie Kühmel

Solange ich mich erinnern kann, habe ich quasi-astrale Sehnsüchte; also den Wunsch, ganz losgelöst von meinem Körper und den mit ihm einhergehenden Verpflichtungen, Manifestationen, Zipperlein, zu existieren. Am besten: immer und immer unter der Decke zu schweben und zu beobachten. Dasein, ohne teilzunehmen. Das hängt neben einem Hang zur tiefempfundenen Andersartigkeit sicher auch irgendwie zusammen mit den Eigenschaften, aus denen sich mein Autorinnendasein speist. Bis jetzt habe ich aber noch nicht heraus gefunden, wie das gehen kann. Und deswegen esse ich brav und trinke und konversiere – wenn ich muss, sogar am Telefon. Und genieße jedes Dazwischen.

Das Altern selbst ist mir bei meiner mühsam akzeptierten irdischen Existenz eigentlich egal; was vielleicht eine hilfreiche Einstellung ist? Weil ich eigentlich nicht für die Jugend oder das Alter gesehen werden möchte. Weil ich nur tun kann, was mir liegt. Vorher und jetzt und nachher.

Allerdings ist es auch schon passiert, dass mir ein Text vorschwebte, von dem ich irgendwann wusste, dass ich noch nicht bereit für ihn war. Dass mir das Handwerkszeug fehlte. Dass ich die Idee liegen lassen und mich gehen lassen musste, noch eine Runde um den Block und vielleicht noch ein paar Jahresverläufe lang, bis das Timing zwischen diesem Roman und mir irgendwann hinhauen würde. Und über diese Erkenntnis und auf diese Zeit und auf dieses Buch und diese Version von mir, die in der Lage gewesen sein wird, dieses Buch zu schreiben, freue ich mich eigentlich – ob der Betrieb diese Vorfreude teilt? Fragen Sie doch den Betrieb!