Fachkräftemangel so groß wie nie

Jede zweite Firma sucht vergeblich

3. August 2022
von Börsenblatt

Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind händeringend gesucht: Laut ifo-Institut fehlen so viele Fachkräfte in Deutschland wie nie zuvor – und das Problem wird größer.

Der Fachkräftemangel erreicht in Deutschland einen neuen Höchststand, meldet das ifo-Institut. Im Juli war im Schnitt jedes zweite Unternehmen betroffen (49,7 Prozent). Das geht aus einer Erhebung im Rahmen der ifo Konjunkturumfragen seit dem Jahr 2009 hervor. Der bisherige Rekord vom April (43,6 Prozent) wurde damit deutlich übertroffen. „Immer mehr Unternehmen müssen ihre Geschäfte einschränken, weil sie einfach nicht genug Personal finden“, fasst Stefan Sauer, Arbeitsmarktexperte am ifo Institut zusammen. Und er warnt: „Mittel- und langfristig dürfte dieses Problem noch schwerwiegender werden.“

Diese Branchen sind besonders betroffen

Dienstleister trifft es am härtesten

  • Mit einem Anteil von 54,2 Prozent zeigten sich die Dienstleister am stärksten von knappen Fachkräften betroffen, nach 47,7 Prozent im April.
  • Im Einzelhandel mussten 41,9 Prozent der Unternehmen mit Einschränkungen weiterarbeiten
  • der Bau mit 39,3 Prozent
  • und im Großhandel meldeten 36,3 Prozent der Firmen einen Mangel an Fachkräften.

Hotel und Gastro sind ein Hotspot

Die Beherbergungsbetriebe und die Veranstaltungsbranche lagen mit rund 64 Prozent über diesem Branchendurchschnitt, hier sind mutmaßlich während der Coronalockdowns viele Mitarbeitende entlassen worden und in andere Branchen abgewandert. In der Lagerei waren 62,4 Prozent der Betriebe von einem Mangel betroffen. Auch die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten und von Metallerzeugnissen finden nur schwer fachkundiges Personal (rund 57 Prozent).

Forscher fordern Bildungsreform

Laut KfW-ifo-Fachkräftebarometer verstärken demografische Faktoren und ungleiche Bildungschancen das Problem für die Wirtschaft: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation gehen allmählich in Rente, Materialmangel sorgt für Auftragsstau, zu wenige qualifizierte Einwander:innen kommen ins Land – oder können nicht als Fachkräfte arbeiten, weil Abschlüsse nicht anerkannt werden.

Die Forschenden warnen, die Uhr beim Thema Fachkräftemangel stehe auf „fünf nach zwölf“ und fordern:

  • Gewährleistung einfacher und schneller Verfahren zur Erlangung von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen.
  • Kostenlose oder kostengünstige Deutschkurse
  • Mehr Praxisnähe bei Hochschulausbildungen
  • Eine deutschlandweite Bildungsinitiative
  • Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für produktivitäts- steigernde Investitionen, Innovationen, und innovative Gründungen