David Mesche über die Vorteile des Miteinanders

Steiniger Weg, viele Begleiter

5. November 2019
von Börsenblatt
Die Zukunft liegt im Miteinander – nicht im Gegeneinander: David Mesche, Initiator der Woche unabhängiger Buchhandlungen, über eine kleine Idee, die im Lauf der Jahre groß geworden ist. 

2014 machte ich einen Ausflug nach Brake und besuchte dort die Buchhandlung meiner Eltern. Sie liegt in der wunderschönen Altstadt, direkt an der Weser. Ich war geschockt: Ungefähr jeder zweite Laden stand leer, weder das Spielzeuggeschäft noch die Drogerie waren noch da. Die Buchhandlung war so was wie das tapfere gallische Dorf. Wie in vielen Kleinstädten, ist sie das kulturelle Zentrum. Konzerte, Lesungen und Buchempfehlungsabende werden dort gestemmt, ebenso ein Großteil der Leseförderung am Ort.

Im ganzen Land beobachtete ich eine ähnliche Entwicklung. Läden, die durch die erdrückende Übermacht eines Internet­giganten und großer Ketten aufgegeben werden mussten, weil die einst florierenden Einkaufsviertel keine Laufkundschaft mehr anlocken und veröden. In meiner Wut und Trauer über diesen Trend sprach ich auch mit Buchhändler*innen aus anderen Ländern und stieß auf erstaunliche Projekte, die Mut machen. Am besten gefiel mir die "independent booksellers week" in Großbritannien, einem der Länder, die durch die fehlende Buchpreisbindung früher und heftiger von der Marktmacht der "neuen Giganten" getroffen wurden.

Seit meiner Ausbildung zum Buchhändler hatte ich stets gehört, man solle sich von den anderen stationären Buchläden nichts vom Kuchen wegnehmen lassen. Mit einem Mal war mir klar geworden: Das Gegenteil ist der Fall. Nur wenn wir kleinen "Indies" gemeinsam auf die Pauke hauen, uns zusammenschließen und gemeinsame Aktionen auf die Reihe bekommen, werden wir Gehör finden und unser Überleben sichern. Ich schilderte dem Berliner Literaturpapst Thomas Böhm mein Vorhaben und startete mit seiner Rückendeckung durch. Ich meldete eine Facebookseite an, legte sieben Tage im November fest und trommelte für eine deutsche Woche unabhängiger Buchhandlungen. Ich reservierte einen Saal im Berliner Admiralspalast und fand mit Roger Willemsen einen begeisterten Laudator der allerersten Veranstaltung.

Dann die Ernüchterung: Es kamen nur eine Handvoll Leute, die Technik streikte, alles war sehr improvisiert. Doch Willemsen, der mich schon im Vorfeld zur WUB ermutigte hatte, fand wundervolle Worte. Über sein Gespräch vom Vormittag mit Bundestagsabgeordneten sagte er: "Ich habe versucht zu vermitteln, dass das eine Initiative ist, von der man noch hören wird." Und er sollte Recht behalten.

Doch der Weg zu den 750 Buchläden, die in diesem Jahr an der WUB teilnehmen, war steinig. Wegen der wahnsinnigen Arbeit im ersten Jahr hätte ich fast das Handtuch geworfen. Nur, weil sich mit Michael Riethmüller und Dorothee Junck zwei engagierte Kolleg*innen fanden, die mich bei der Planung seither unterstützen, konnte die WUB weitergehen. Nur, weil mir Siv Bublitz Rückenwind gab und mit Ullstein ein erster Verlag das Projekt auch finanziell unterstützte. Nur, weil sich weitere Verlage fanden, die sich nach den vielen Konzessionen an die großen Player wieder auf ihre treuesten und begeistertsten Partner zurückbe­sannen und die WUB seither finanziell unterstützen. Nur, weil das Börsenblatt und der "Buchmarkt" der Aktion vom ersten Tag an Raum gaben und nur, weil wir mit Kathrin Haas, Birgit Politycki und Wibke Ladwig weitere Enthusiastinnen gewinnen konnten, die das Projekt mit viel Herzblut unterstützen, ist die WUB zu dem geworden, was sie heute ist: eine Woche voller Fröhlichkeit, Feierei und kultureller Ereignisse, mit der wir unabhängigen Sortimente unser Engagement und unsere Leidenschaft geballt in die Öffentlichkeit tragen.

Es macht mich wahnsinnig stolz, was aus der kleinen Idee geworden ist – und ich hoffe sehr, dass es ein kleines bisschen auch an der WUB liegt, wenn viele Kleine wieder neue Hoffnung schöpfen und mit noch mehr Energie und Enthusiasmus dem schönsten Beruf der Welt nachgehen.

David Mesche ist Inhaber der Berliner Buchhandlung Buchbox! und hat 2014 die WUB ins Leben gerufen.