Gastspiel von Martina Kruse

Eure Gewinnspiele nerven!

20. Juli 2015
von Börsenblatt

Die Verlage schädigen durch übermäßige Marketingaktionen nicht nur den Buchhandel, sondern schneiden sich auch ins eigene Fleisch – meint Martina Kruse von der Buchhandlung Am Markt in Goch. Die Sortimenterin fordert Augenmaß statt Freiexemplare.

Seit einigen Wochen erfahren wir mehr und mehr, wie uns durch das Verhalten von Verlagen in puncto Social Media der Umsatz wegbricht. Dass Blogger Freiexemplare zugesandt bekommen, ist ja ein alter Hut. Die Verlage hoffen, dass der neue Titel XY im Netz tolle Rezensionen bekommt und damit auch größere Verkaufszahlen erzielt. Inzwischen ist es aber wohl auch gang und gäbe, dass ganz normale Leser bedacht werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass Buchhandelskunden auf diversen Internetplattformen Bücher gewinnen können, also quasi geschenkt bekommen – mit der kleinen Vorgabe, eine Bewertung, Rezension oder was auch immer zu schreiben. Und schon haben die Kunden sich den Kauf gespart.

Muss so etwas denn sein?  Wir merken das allein an einer Stammkundin, und da betrifft es besonders das Segment Jugendbuch. Normalerweise legen wir dieser Kundin immer einen Stapel mit Novitäten zurecht, den sie dann durch­sieht, um einiges davon zu kaufen. Neuerdings aber bleibt fast der ganze Stapel liegen. Warum? Weil die Kundin die neuen Bücher immer schon gewonnen hat. Wenn man etwas geübt ist, will heißen, schon ein paarmal an solchen Gewinnspielen teilgenommen hat, ist es ja auch wirklich ein Leichtes, eine Rezension aus dem Ärmel zu schütteln. Ausführlichkeit wird hier ohnehin nicht erwartet – schon darf man das zugesandte Freistück behalten. Und wir Buchhändler bleiben auf unserem Stapel sitzen und sortieren wieder ordentlich ins Regal ein. Die Kundin freut sich natürlich einen Ast, dass sie so ein Glück hat, aber uns ärgert es mehr und mehr. Für das Verhalten der Verlage kann die Kundin ja nichts, jeder freut sich über ein geschenktes Buch. Aber muss so was sein? Darf so was sein?

Der kleine Buchhandel liest Probe, kauft ein, präsentiert, gibt sich Mühe, fragt den Vertreter mal freundlich nach einem Freiexemplar – und die Internetnutzer bekommen es hinterhergeschmissen? Das kann doch nicht richtig sein, besonders nicht bei Spitzentiteln bekannter Autoren, die sehnsüchtig erwartet werden und die wir schon vorab bewerben, um die Kunden neugierig zu machen! Die Kundin steht dann aber in unserem Geschäft und sagt: »Das gewinne ich hoffentlich, das wird verlost.« Wir stehen dann sprachlos daneben und wundern uns, kopfschüttelnd. Und wir ärgern uns, weil so was doch total unnötig ist.

Eine Leseprobe tut’s doch auch  Warum werden Best­seller verschenkt? Bei unbekannten, neuen Autoren ist es ja noch verständlich, wenn der Verlag sich viel von dem neuen Buch verspricht und dementsprechend auch mal etwas über Gebühr die Werbetrommel rührt. Aber bei Toptiteln? Das geht gar nicht!

Liebe Verlage, bitte verteilt eure Bücher im Netz doch nicht so großzügig, als ob sie nichts wert wären! Mit Sicherheit wären viele Leser auch mit Leseproben, Auszügen oder Probe­kapiteln zufrieden. Und bitte, ändert die Voraussetzungen für den Gewinn, damit es den Kunden nicht so leichtfällt, ein paar Bücher im Monat einfach so anzufordern und geschenkt zu bekommen. Wenn ihr das tut, freuen wir uns, verkaufen eure ­Titel besser und bestellen dementsprechend auch mehr nach. Das wäre doch eine Win-win-Situation, mit der beide Seiten gut leben könnten.
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