230 Jahre Perthes Verlag

Das Ende einer Verlagstradition

15. April 2016
von Börsenblatt
Ende März ist – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – ein 230 Jahre langes Kapitel der Verlagsgeschichte zu Ende gegangen: Der Ernst Klett Verlag schloss zu diesem Zeitpunkt seine „Niederlassung Gotha“ und verlagerte deren restliche Aktivitäten zum Ernst Klett Verlag Leipzig. Was nicht mehr alle wissen: Diese Klett'sche "Niederlassung Gotha" ging aus dem Verlag Justus Perthes hervor.

Mit ihr enden sieben Generationen verlegerischer Tätigkeit in Gotha, bei einem der ältesten Verlage Deutschlands: Perthes. Das Traditionshaus wurde im September 1785 von Johann Georg Justus Perthes (1749-1816), dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, in Gotha gegründet. Im Januar 1953 wurde der Verlag in der damaligen DDR enteignet und als "VEB Hermann Haack Gotha" (umbenannt Oktober 1955) bis 1992 weitergeführt. Ebenfalls 1953 wurde der Verlag in der Bundesrepublik als "Justus Perthes' Geographische Verlagsanstalt Darmstadt" neu gegründet.

Nach der Reprivatisierung des Gothaer Stammhauses 1992 wurde der Verlag zusammen mit Justus Perthes Darmstadt an den damaligen Ernst Klett Schulbuchverlag Stuttgart veräußert.
1994 folgte die Zusammenführung der geographisch-kartographischen Verlagsfelder aus Stuttgart, Gotha und Darmstadt, zentral bei der "Justus Perthes Verlag Gotha GmbH". Weitere Umfirmierungen folgten, ebenso wie inhaltliche Neuorientierungen bei Klett (dazu www.perthes.de/geschichte_justus_perthes/zeittafel.html).

Rund 24 Jahre hat sich Klett in Gotha verlegerisch engagiert. Sicher nicht alle "Visionen" aus den überaus schwierigen ersten Jahren nach der Wende konnten realisiert werden. Der "Haack Weltatlas" und der "Perthes World Atlas" sind neben vielen weiteren neuen kartographischen und Schulbuch-Publikationen für die Schulfächer Geographie und Geschichte erwähnenswert.

Immerhin konnte eines der bedeutendsten Verlagsarchive in Europa, gespeist aus den zwei Standorten des Verlags Justus Perthes (Gotha und Darmstadt) bzw. VEB Hermann Haack Gotha, geschlossen erhalten werden - auch dank der Unterstützung durch Michael Klett in den 1990er Jahren: das Firmenarchiv (ca. 800 laufende Meter Akten), die Bibliothek (ca. 120.000 Bände) sowie die Kartensammlung (ca. 185.000 Blätter). Die "Sammlung Perthes" wurde 2003 nach jahrelangen Verhandlungen durch den Freistaat Thüringen übernommen, mit großer Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder (https://www.uni-erfurt.de/sammlung-perthes/).

Und das "Perthes-Forum" bewahrt seit 2015 auf höchstem inhaltlichen wie bautechnischen Niveau auf Dauer nicht nur diese gewaltigen Archivbestände als "Sammlung Perthes Gotha" für Wissenschaft und Öffentlichkeit, sondern gibt den guten Namen in der Gothaer Justus-Perthes-Straße darüber hinaus für runde 11.000 Quadratmeter und damit eines der größten "Kulturhäuser" im Freistaat Thüringen, mit Nutzungen durch die Forschungsbibliothek Gotha, das Zentraldepot der Stiftung Schloss Friedenstein, und das Thüringische Staatsarchiv Gotha. Tausende von Zugriffen (mit steigender Tendenz) aus dem In- und Ausland über persönliche Besuche, Ausleihen, Führungen weisen Jahr für Jahr die große Bedeutung der Sammlung Perthes nach.

Stephan Perthes, dem wir die hier wiedergegebene Chronik des Verlags verdanken, war von 1980 bis 1994 im Haus in Darmstadt und Gotha verlegerisch tätig sowie danach bis 1999 selbständig bei Klett im damals neuen Bereich Multimedia. Es folgten branchenfremde Aktivitäten wie "perthes.de internet service". Perthes ist bis heute der "Sammlung Perthes" bzw. der Forschungsbibliothek Gotha persönlich und als Förderer verbunden.