Adelbert-von-Chamisso-Preis soll eingestellt werden

War's das?

20. September 2016
von Börsenblatt
Die Robert Bosch-Stiftung sieht ihren Auftrag erfüllt und legt den Adalbert-von-Chamisso-Preis zu den Akten – 2017 soll er zum letzten Mal vergeben werden. Schriftsteller kritisieren die Entscheidung.

Der mit 15.000 Euro dotierte Preis ehrte herausragende auf Deutsch schreibende Autoren, deren Werk von einem Kulturwechsel geprägt ist. Autoren mit Migrationsgeschichte zählten heute selbstverständlich zu den Favoriten für die meisten der über 300 Literaturpreise in Deutschland. "Das belegen die Auszeichnungen zahlreicher Chamisso-Preisträger mit anderen Literaturpreisen wie dem Deutschen Buchpreis", begründet Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung, die Entscheidung. Damit habe der Preis seine Zielsetzung erreicht. Zudem, so Dürig: "Viele dieser Autoren wollen heute nur für ihre literarischen Leistungen gewürdigt werden, und nicht wegen ihres biografischen Hintergrunds."

Sich aus der Literaturförderung zurückzuziehen, plant die Stiftung aber wohl nicht: Die bisherige Chamisso-Begleitförderung soll trotz Preis-Aus weitergeführt und sogar ausgebaut werden −  Programme zur Förderung kultureller Teilhabe durch Literaturvermittlung, insbesondere für Kinder und Jugendliche, wolle man künftig stärker in den Mittelpunkt rücken, heißt es. "Dazu entstehen in den kommenden Monaten Konzepte in Zusammenarbeit mit Partnern."

Ilija Trojanow und José F. A. Oliver: "Da bleibt einem die Spucke weg"

Seit dem Bestehen des Preises (seit 1985) haben 75 Autoren den Literaturpreis erhalten, darunter Feridun ZaimogluGyörgy Dalos, Yoko TawadaTerézia MoraIlija Trojanow und José F. A. Oliver. Den beiden letztgenannten stößt die Entscheidung der Stiftung besonders schwer auf: "Da bleibt einem die Spucke weg", schreiben sie heute in einer gemeinsamen Stellungnahme in der "FAZ" − und fragen, indigniert: "Weil der Literaturbetrieb anfängliche Ressentiments gegen eingewanderte Autorinnen und Autoren abgelegt hat, soll dieses Phänomen nicht mehr beleuchtet werden?" Sie hoffen darauf, dass der Preis, den die Bosch-Stiftung 2017 letztmalig verleihen will, gerettet werden kann – denken dabei unter anderen an den Gründer des Preises, den Romanisten Harald Weinrich.