Arbeitskreis kleinerer Verlage

Titel kleinerer Verlage beziehen Buchhandlungen meist übers Barsortiment

3. März 2015
von Börsenblatt
Kleine unabhängige Verlage und die große unablässige Vertriebsfrage - das war heute das Schwerpunktthema der Jahrestagung des Arbeitskreises kleinerer Verlage AkV, die noch bis Samstag geht. Vor allem über die Funktion der Vertreter wurde auf dem Podium und im Saal angeregt debattiert.

„Vertriebsstrukturen der Zukunft“ - kein einfaches Thema, in das Markus Klose bei der Tagung einführte. „Mit der Zukunft ist das so eine Sache“, meinte der Geschäftsführer Marketing und Vertrieb von Hoffmann und Campe, „die Prognosen waren bislang eigentlich alle falsch.“ Vertrieb sei per se rückwärtsgewandt, weil er immer mit vorher gemachten Erfahrungen abgleiche: Wie sind zum Beispiel die Bücher mit gelben Umschlägen gelaufen, wie die Themen X und Y, was haben die Streifenanzeigen gebracht?

Klose selbst kennt alle Seiten des Vertriebs, weil er als Buchhändler und Vertreter gearbeitet hat, bevor er im Vertrieb andockte. Viele vertriebliche Aktivitäten, so seine Bilanz, erwiesen sich als wirkungslos, andere (Als wievielter Verlag tritt man in der Vertretertasche auf?) ließen sich nicht wirklich kontrollieren. Immer noch beliebt seien Buchkarten im Leseexemplar, verknüpft mit einem Preis, etwa ein Wochenende am Handlungsort eines Romans. „Inzwischen schreiben viele Buchhändler schon so geschliffen, weil sie wissen, dass treffende Sätze dann von Verlagen auf einer Anzeigenseite im Börsenblatt abgedruckt werden“, merkte Klose an.

Fest steht vor allem eines: Die Vertretergebiete sind viel größer geworden, wo früher 14 Vertreter gereist sind, sind’s heute oft nur noch acht. Große Filialisten wollen eigentlich gar keinen Vertreter mehr sehen, auch bei kleinen Sortimenten ist die Zeit bei Buchhandelsbesuchen begrenzt. Der moderne Vertreter, auch gerne „Abverkaufsberater“ genannt, dürfe auf jeden Fall eines nicht: die Titel durchdrücken statt beraten.

„Traditionelle vertriebliche Möglichkeiten wie Vorschau, Vertreter, Key account Management, Faxe, Börsenblatt, Vertriebsbüros, Buchmessen, buchhändlerische Werbemittel“, zählte Klose auf, „werden ergänzt durch neue Mittel: Lesecommunities, Navibooks, Facebook,  Newsletter, Online-Shop, Mailings, Sponsoring, Feedback oder Verlagsabende in der Buchhandlung für Endkunden.“ Kleine Verlage könnten auch über einen Umweg Nachfrage beim Buchhandel schaffen: indem sie Leser für ihr Buch interessierten und sie dazu brächten, als Kunden in Buchhandlungen nach diesem Titel zu fragen.

Entscheidend sei, riet er den Verlegern, auf folgende Punkte zu achten:

  • Klare Schwerpunktsetzung im Programm und in der Vorschau – „man kann nicht alle Titel in der Vorschau gleich präsentieren“
  • eine Versand-, besser noch Fakturgemeinschaft
  • Vertreter, die man unmittelbar steuern kann
  • Personalisieren der wesentlichen Kontakte
  • Komprimierte Auslieferung – „Buchhändler mögen keine vielen Kleinlieferungen, die sie gerade bei kleinen Verlagen fürchten“
  • Konzentration auf die wesentlichen Kunden – „Auf welche Zielgruppe etwa ist Ihre Homepage zugeschnitten?“
  • Mögliche Kooperationen
In der anschließenden großen Diskussion kamen auch die Vertreter des Sortiments zu Wort. „Fast 90 Prozent der Vertreter kommen bei uns von großen Verlagen, die kleineren Verlage werden über die Barsortimente bezogen“, erklärte Uwe Sigismund, Mitglied im Sprecherkreis des Arbeitskreises unabhängiger Buchhandlungen AkS. „Direkte Bezüge von kleineren Verlagen sind selten, das lohnt sich wegen der Rechnung und des Versands nicht.“ Seine Sprecherkreis-Kollegin Katrin Lutze schätzt Newsletter von kleinen Verlagen, „insbesondere bei Regionalia bin ich da sehr interessiert.“ Vorschauen heben beide auf und durchforsten sie auch übers Jahr hin.


„Ich kenne viele Buchhändler, die mir sagen: ‚Verschont mich mit den ganzen Newslettern …‘“, sagte der Verleger Dietrich zu Klampen. „Wir versuchen diese Anschreiben dann zu individualisieren, nutzt aber auch nicht viel.“ Man müsse eine gewisse Frustrationsbereitschaft haben, riet Peter Klug vom gleichnamigen Vertriebsbüro, der eine Sortimenter wolle es mal mit elektronischen Vorschauen versuchen, drei andere sagten: Bloß nicht, ich brauche Papiervorschauen! „Entscheidend ist, den berühmten ‚Fuß in die Tür‘ zu bekommen“, meinte Klug.

Die Mehrheit der 56 an der Tagung teilnehmenden Verlegern arbeitet mit Vertretern zusammen, mit den Ergebnissen dieser Zusammenarbeit war jedoch nur ein einziger Verleger zufrieden: „Das wäre also noch optimierungsfähig“, merkte Klose trocken an. Die Erfahrungen sind unterschiedlich: „In Deutschland haben wir drei Vertreter, die 600 Buchhandlungen besuchen“, teilte Thomas Heilmann vom Rotpunktverlag mit, zu Klampen hatte mit Vertretern 800 Buchhandlungen besucht, „aber die Umsatzsteigerungen haben sich mit den Kosten für die Vertreter gedeckt, das hat sich dann nicht wirklich gelohnt.“ Im Vergleich zu einem „großen“ Verlag: Vertreter von Hoffmann und Campe besuchen 2500 Buchhandlungen. Es sei schlechterdings nicht möglich, dass die kleinen Buchhandlungen so viele Vertreter empfangen könnten, urteilte Verleger Dietrich zu Klampen, der selbst eine Buchhandlung in Lüneburg hat.

Was stört die Buchhändler an Vertretern? „Ich wundere mich manchmal, wenn Vertreter schnurstracks mit mir ins Büro wandern, ohne sich den Laden und dessen Struktur überhaupt einmal anzuschauen – ich habe keine Kunstbuchabteilung und brauche deshalb dann auch keine entsprechenden Titel…“, sagte Uwe Sigismund vom Bendorfer Buchladen. „Und was ich gar nicht leiden kann, ist der Versuch, Titel reinzudrücken – ein Nein ist ein Nein!“

Es gebe Vertreter, die extrem anstrengend seien, resümierte Katrin Lutz von BuchMeyer in Reinheim, „und wenn ich die Vertreter als mühselig empfinde, dann mache ich mit ihnen auch keine Termine mehr.“ Beide empfangen rund 20 Vertreter pro Saison - je nachdem wie groß die Programmtaschen sind, dauert ein Vertreterbesuch zwischen anderthalb bis drei Stunden, dazu kommt noch eine Vorbereitungszeit.

„Warum findet man eigentlich in einer Großbuchhandlung mehr Titel von Independent-Verlagen als in einer Independent-Buchhandlung?“ fragte Markus Klose. „Gäbe es nicht geradezu eine moralische Verpflichtung, sich da besonders zu engagieren?“ „Wir kaufen jährlich 3000 Novitäten ein, lassen also 80000 Novitäten weg“, entgegnete Sigismund, und Lutz erklärte, letztlich gehe es darum, ob der Wurm dem Fisch oder Angler schmecken solle. „Wir haben zum Beispiel Shades of Grey gnadenlos unterschätzt – das haben die Kunden in hohen Stückzahlen gekauft. Ich muss ja immer die Balance finden: Was suchen unsere Kunden? Und was würde ich gern selbst verkaufen?“

Dem hielt Umbreit-Barsortimenter Thomas Bez  entgegen: „Aber als kleinere Buchhandlungen müssen Sie sich mit einem besonderen Profil präsentieren – und sich von den Filialisten gerade durch besondere Titel von nicht so bekannten Verlagen unterscheiden.“

Die Debattanten lobten den offenen Umgang miteinander - manch gute Idee ist schon im gemeinsamen Gedankenaustausch entstanden, der Ende des Monats in einem großen Workshop auf dem Mediacampus noch einmal intensiviert werden soll, gab Verlegerin Britta Blottner vom AkV-Sprecherkreis bekannt.