Börsenverein

Heute: Weichenstellung in NRW. Die Hintergründe

14. April 2011
von Börsenblatt
Fusion mit dem Bundesverband: Ja oder Nein? Über diese Frage stimmt heute der Landesverband Nordrhein-Westfalen ab – bei seiner Jahreshauptversammlung in Essen. Die Diskussion können Sie hier auf boersenblatt.net verfolgen, im Live-Ticker ab 14 Uhr.

Auf der Hauptversammlung vor einem Jahr hatten die Mitglieder den Vorstand des Landesverbands damit beauftragt, eine Fusion mit dem Bundesverband zu prüfen. Der Prüfbericht wurde im Februar abgeschlossen, jetzt steht die Entscheidung an.

Zur Tagung haben sich Teilnehmer aus 67 Mitgliedsfirmen angemeldet (34 Sortimente, 28 Verlage, fünf Zwischenbuchhändler). Dazu kommen 32 Stimmübertragungen - alles in allem wird der Beschluss für oder gegen die Fusion also mit 99 Stimmen gefasst. Notwendig ist eine Dreiviertelmehrheit.

Die Mitglieder müssen den Weg zur neuen Verbandsstruktur mit zwei Beschlüssen ebnen, in dem sie

  • eine entsprechende Satzungsänderung einleiten
  • dem Vorstand den Auftrag erteilen, die Verschmelzung des Landesverbands mit dem Börsenverein in Frankfurt entsprechend vorzubereiten.

Parallel dazu ist über eine Beitragserhöhung ab 2012 zu entscheiden - falls sich die Hauptversammlung des Bundesverbands in Berlin im Juni gegen die geplante Fusion mit dem Landesverband aussprechen sollte. Oder die Basis in NRW den Zusammenschluss mehrheitlich ablehnt. Turnusgemäß stehen in Essen auch Vorstandswahlen auf der Tagesordnung.

Das weitere Prozedere:

  • Stimmt die NRW-Basis zu, dann steht die Fusion am 10. Juni auch beim Bundesverband auf der Agenda. Die Hauptversammlung des Börsenvereins befasst sich bei den Buchtagen in Berlin mit den notwendigen Satzungsänderungen.
  • Auf der Buchmesse im Oktober würden sich Bundes- und Landesverband zu außerordentlichen Hauptversammlungen treffen, um den endgültigen Verschmelzungsbeschluss zu fassen und den Verschmelzungsvertrag freizugeben.
  • Zum 1. Januar 2012 könnte die Fusion dann in Kraft treten.

Die Eckdaten aus dem offiziellen Prüfbericht der Fusion:

  • Bei 683 000 Euro liegen die jährlichen Kosten in NRW, die aus Mitgliedsbeiträgen und weiteren Einnahmen finanziert werden. Nach einer Fusion sollen es noch 499 000 Euro sein. Erweiterte Dienstleis­tungen für die Mitglieder in NRW (mehr Regionaltreffen und zwei Großveranstaltungen als Ersatz für das Rahmenprogramm der Hauptversammlungen) sind dabei schon eingerechnet. Der größte Spar­effekt soll sich bei der Gremienarbeit zeigen.
  • Auf mindestens 184 000 Euro beläuft sich damit nach Vorstands-Angaben das mögliche Einsparvolumen, falls die Nordrhein-Westfalen die rechtliche Eigenständigkeit aufgeben und Aufgaben in die Frankfurter Zentrale auslagern. Das sind 27 Prozent aller Kosten.
  • Der Spareffekt soll an die NRW-Mitglieder weitergerecht werden - über eine Beitragssenkung von 20 Prozent, sobald die Fusion in Kraft tritt. Weitere Details unter www.boersenverein.de/verbandsreformnrw.

Das geplante Regionalbüro:

  • Die Geschäftsstelle des nordrhein-westfälischen Landesverbands in Düsseldorf wandelt sich im Fall der Fusion zur Regionaldirektion: als neue Schaltstelle zwischen den Mitgliedern in NRW und der Geschäftsleitung des Börsenvereins in Frankfurt. Das Düsseldorfer Büro betreut die Mitglieder in der Region, fragt Mitgliedermeinungen ab, trägt grundsätzliche Themen aus NRW in die Gremien des Börsenvereins hinein.
  • Der Regionaldirektor (die Regionaldirektorin) leitet das Büro Düsseldorf und ist Mitglied der Geschäftsleitung des Börsenvereins.
  • Administrative Aufgaben sollen nach Frankfurt verlagert werden – etwa Buchhaltung, Inkasso, Controlling, Mitgliederverwaltung, Personalwesen.
  • NRW-Aktivitäten wie die jährliche Azubi-Schifffahrt oder die Gründerrunden bleiben erhalten. Auch »echt & gut«, die Imagekampagne für den Buchhandel, soll über 2011 hinaus fortgeführt und mit den Frankfurter Kollegen vorangetrieben werden.
  • Aus den Regionaltreffen, bislang Netzwerk-Angebote mit Fortbildungscharakter, soll eine dezentrale Plattform für die Willensbildung in NRW werden. Pro Jahr sind zehn bis zwölf solcher Treffen geplant – derzeit sind es fünf. Die jährliche Hauptversammlung entfällt.
  • Taskforces sollen künftig Themen diskutieren, klären und aufbereiten, die sich in den Regionaltreffen herauskristallisieren oder die direkt von den Mitgliedern an das Regionalbüro herangetragen werden. Sprecher der Taskforces haben Gast- und Rederecht in allen Gremien des Bundesverbands.

Motive und Ziele der Fusion:

  • Durch den Strukturwandel sind die Mitgliederzahlen in Nordrhein-Westfalen deutlich gesunken – 2001 zählte der Verband noch 1 541 Mitglieder, heute sind es noch 1 327, gut 200 Firmen weniger.
  • Setzt sich der Abwärtstrend so fort, hätte der Landesverband weiterhin deutliche Rückgänge bei den Mitgliedsbeiträgen zu verkraften (Beiträge 2001: 565 000 Euro, 2011: 499 000 Euro, trotz Beitragserhöhung 2009).
  • Ohne Fusion müssten die Leistungen des Landesverbands ab 2012 gemindert werden, heißt es im Prüfbericht. Sparpotenziale in der Geschäftsstelle und zusätzliche Einnahmequellen seien bereits ausgeschöpft worden, um die erheblichen Einbußen der vergangenen zehn Jahre aufzufangen.
  • Um Mitgliederservice und Lobbyarbeit halten und ausbauen zu können, will der Landesverband NRW durch Verschmelzung mit dem Bundesverband eine gemeinsame Infrastruktur nutzen, Kosten und Arbeitszeit im administrativen Bereich sparen. Bei Seminaren ist eine Zusammenarbeit mit dem Mediacampus Frankfurt geplant.

Zur Vorgeschichte:

  • 10. Februar 2010: Die Vorstände in Düsseldorf und Frankfurt geben eine Absichtserklärung für die Verschmelzung von Bundes- und Landesverband – wenn die Mitglieder zustimmen
  • 6. Mai 2010: Die Mitglieder in NRW erteilen den Auftrag, eine solche Fusion genauer zu prüfen – mit 66 Ja-Stimmen, einer Gegenstimme, zwei Enthaltungen. Danach analysiert eine Arbeitsgruppe aus Vertretern beider Geschäftsstellen Abläufe und Kostenstrukturen, entwickelt Ideen für die regionale Willensbildung.
  • 23. Februar 2011: Der Prüfbericht zu den Sparpotenzialen der Fusion liegt vor, die Vorstände des Bundesverbands und des Landesverbands NRW sprechen sich in einer gemeinsamen Sitzung in Frankfurt für eine Verschmelzung der Verbände aus.
  • 24. Februar 2011: Der Länderrat des Börsenvereins, in dem der Bundesvorstand und die Spitzen der Länder vertreten sind, stimmt den notwendigen Satzungsänderungen zu (abrufbar auf boersenverein.de). Der Länderrat handelt dabei auch ein Quorum für den Rückweg aus: Um eines Tages wieder einen neuen Landesverband in NRW zu gründen, müssten 25 Prozent der Mitglieder schriftlich dafür plädieren. Beim anschließenden Mitgliedertreffen wäre eine Zweidrittelmehrheit notwendig, um den Vorschlag in die Tat umzusetzen.

Die anderen Landesverbände:

Die Vorstände der anderen Landesverbände verfolgen die Fusionspläne in NRW eher kritisch. Trotzdem ist gibt es auch andernorts eine Strukturdebatte:

  • Die drei Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, bislang schon durch eine gemeinsame Geschäftsstelle in Wiesbaden verbunden, wollen auf Länderebene fusionieren. Die Saarländer haben den vorbereitenden Beschluss schon gefasst.
  • In Baden-Württemberg hat eine Strukturkommission die Alternativen einer zukünftigen Verbandsorganisation geprüft. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 28. Mai entscheiden die Mitglieder darüber, ob sie dem Vorstand folgen und die bisherige Struktur beibehalten wollen (verbunden mit einer Beitragsssenkung) - oder ob sie ebenfalls Fusionsgespräche mit dem Bundesverband aufnehmen möchten. Befürworter und Gegner beider Optionen haben sich in mehreren offenen Briefen zu Wort gemeldet, die Sie hier abrufen können.
  • In der »Bremer Erklärung« vom 28. Oktober 2010 machten die Landesverbände (ohne NRW) deutlich, dass sie den notwendigen Satzungsänderungen für die Fusion in Nordrhein-Westfalen  zustimmen werden, um den Weg für die breite Diskussion in der Hauptversammlung des Börsenvereins am 10. Juni zu ebnen. Gleichzeitig betonten sie, »dass die bislang bekannt gewordenen Maßnahmen zur Kosten- und Effizienzsteigerung keinesfalls ausreichen, um eine so wesentlich in die Struktur unseres Gesamtvereins eingreifende Satzungsänderung zu legitimieren«.