Branchen-Monitor Buch sieht Markt wieder im Aufwind

Buchumsätze auf Achterbahnfahrt

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Blick in die Bilanz des ersten Halbjahrs sorgt für Schwindelgefühle: Mal steigt die Umsatzkurve für den Buchhandel rasant nach oben, mal fällt sie steil ab. Monatelang musste die Branche in der Talsohle mit heftigen Minusgraden klarkommen, bis der Wind drehte – und im vergangenen Monat doch noch die Sonne durchkam: Im Juni hat sich das Umsatzbarometer zurück ins Plus bewegt.

Laut Branchen-Monitor Buch, den GfK Entertainment im Auftrag des Börsenvereins erhebt, konnten Händler in den Vertriebswegen Sortiment, Bahnhofsbuchhandel, E-Commerce und Warenhaus im Bargeschäft im Juni um 3,2 Prozent zulegen, das Rechnungsgeschäft wuchs im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 6,3 Prozent.

Dadurch ändert sich zwar nicht die Grundtendenz, aber vielleicht die Grundstimmung: Nach sechs Monaten liegen die Branchenumsätze insgesamt 1,9 Prozent hinter dem Vorjahreszeitraum zurück (kumulierte Umsatzentwicklung ohne die Warengruppe Schule & Lernen, siehe Grafik links). Ende Mai lag der Zähler noch bei minus 2,8 Prozent.

Kleines Hoch zum Halbjahresende 

Das Juni-Plus bringt dem Markt eine leichte Erholung nach den Tiefschlägen im April und im Mai, doch dem Sortimentsbuchhandel hilft es nur bedingt: Er musste im Wettlauf um Kunden wieder Punkte abgeben und entwickelte sich in den ersten sechs Monaten schwächer als der Gesamtmarkt. Der stationäre Buchhandel geht nun mit einem Minus von 3,2 Prozent ins zweite Halbjahr – Juni-Aufschwung hin oder her (plus 1,7 Prozent, siehe Grafik links; Details im Branchen-Monitor Buch-Newsletter).


Wer sich an die Situation vor einem Jahr erinnert, weiß jedoch auch, dass das Rennen erst am Jahresende entschieden wird. Auch im WM-Jahr 2014 hatte das Sortiment Ende Juni mit einem Rückstand zu kämpfen (minus 2,7 Prozent; Gesamtmarkt: minus 3,8 Prozent), bekam dann aber noch einmal Rückenwind und war beim Zieleinlauf Ende Dezember sogar besser in Form als andere Vertriebskanäle. Wie berichtet, schloss das Sortiment das Jahr 2014 mit einem Minus von 1,2 Prozent ab, während der Gesamtmarkt um 2,1 Prozent schrumpfte (beide Angaben: gegenüber 2013). Dass das Sortiment dazu in der Lage war, brachte ihm Anerkennung ein – erst recht vor dem Hintergrund der Weltbild-Pleite und des fortgesetzten Flächenrückbaus bei den Filialisten.

Noch keine Trendwende 

Letztlich kann sich im Moment keiner der von GfK Entertainment beobachteten vier Vertriebskanäle (Sortiment, Bahnhofsbuchhandel, E-Commerce, Warenhaus) von der allgemeinen Entwicklung abkoppeln, die große Trendwende lässt auf sich warten – auch wenn einzelne Buchhändler von ausgesprochen guten Verkäufen berichten. Die Auswertung von GfK Entertainment für die ersten sechs Monate des Jahres liefert weitere Details zur Umsatzentwicklung:

  • Umsatz ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in nahezu jeder Warengruppe verloren, wobei es Fachbücher erneut besonders schwer hatten. Über alle Vertriebskanäle hinweg betrachtet, verringerten sich die Einnahmen im Segment Geisteswissenschaften, Kunst, Musik um 5,9 Prozent; Titel aus der Warengruppe Naturwissenschaften, Medizin, Informatik, Technik gaben um 4,3 Prozent nach und Titel aus der Warengruppe Sozialwissenschaften, Recht, Wirtschaft um 2,6 Prozent. Im Sortimentsbuchhandel war das Bild ähnlich (in gleicher Reihenfolge wie oben: minus 9,4 Prozent; minus 6,5 Prozent; minus 4,5 Prozent).
  • Von den publikumsaffinen Warengruppen erlebten diesmal die Belletristik und die Ratgeber eine Durststrecke, offenbar in allen Vertriebskanälen. Für sie ging es von Januar bis Juni im Gesamtmarkt um 2,0 und 3,3 Prozent in den Keller; das Sortiment verpasste die Vorjahreszahlen in der Belletristik um 2,2 Prozent und im Ratgebersegment sogar um 7,1 Prozent.
  • Eine Abweichung vom Gesamtmarkt erlebte das stationäre Sortiment auch bei Kinder- und Jugendbüchern (minus 3,3 Prozent gegenüber minus 0,8 Prozent im Gesamtmarkt), bei Sachbüchern (plus 0,3 Prozent versus plus 0,8 Prozent) und im Segment Reisen (minus 0,3 Prozent gegenüber plus 1,0 Prozent).
  • Bei der Auswertung nach Formaten bewegt sich das Sortiment mit dem Rest des Markts im Gleichklang – überall läuft es für Hardcover noch am besten, während Taschenbücher am stärksten verlieren (Sortiment: Hardcover minus 3,0 Prozent,Taschenbuch minus 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr; Gesamtmarkt: minus 1,6 Prozent, minus 2,6 Prozent).
  • Im Juni begann dann die Aufholjagd. Mit einem Plus von 3,2 Prozent bei den Bareinnahmen sorgte er, anders als 2014, diesmal für einen Lichtblick (Sortiment: plus 1,7 Prozent). Nahezu alle Warengruppen konnten im Vergleich zum Vorjahr zulegen. Nur das Segment Geisteswissenschaften, Kunst, Musik – im Sortiment auch die Warengruppe Ratgeber (minus 0,2 Prozent) – wurde vom Aufwind nicht erfasst.


Umsatzklima für Bücher: Faktoren 

Die Zahlen aus dem Branchen-Monitor Buch sind eine Momentaufnahme. Sie machen deutlich, wie wechselhaft das Konsumklima für Bücher ist – und dass das Geschäft nicht nur von der Flächenfrage, sondern auch von saisonbedingten Kaufanlässen abhängt und Zugpferde braucht. Fehlen starke Titel in den drei umsatzstärksten Warengruppen (Belletristik, Ratgeber, Kinder- und Jugendbuch), fällt auch das Barometer für den Gesamtmarkt – und das unmittelbar.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: die Buchpreise. Das Statistische Bundesamt Destatis ermittelte hier monatelang ein Minus und kam erst im Juni wieder auf ein dünnes Plus von 0,2 Prozent. In diese Preisanalyse fließen lediglich die Umsatzbringer auf den 25 ersten Plätzen der Bestsellerlisten ein. So lange es da nicht deutlich aufwärts geht, dürfte auch der Saldo im Handel bis auf Weiteres negativ bleiben.