Buchtage Berlin: Kongress #akep15

"Der Computer verschwindet in den Dingen"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
"Content und das Internet der Dinge" ist das Motto des AKEP-Kongresses in diesem Jahr. Wie sehr wir bereits in diesem Szenario leben, und was Buchhandel und Verlage damit zu tun haben könnten, war Thema zahlreicher Vorträge, die einen Blick über den Tellerrand warfen, aber auch Beispiele aus der Branche zeigten.

Die Vernetzung aller Dinge untereinander und mit dem Internet ist ein Zukunftsszenario, das manche für apokalyptisch halten mögen, meinte Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller bei der Eröffnung der AKEP-Jahrestagung in Berlin. Gleichzeitig sei dieser Prozess in vollem Gange, und es gebe auch schon im Buchhandel erste Anwendungsbeispiele.

Das Thema Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) hat der AKEP bewusst gewählt. "Wir sind bereits mitten drin, die Zukunft hat bereits angefangen", sagte AKEP-Sprecher Jürgen Harth (Carl Hanser Verlag) zur Eröffnung. Nun komme es für die Verlage darauf an, neue Vertriebsformen und Services zu entwickeln. Natürlich müsse man auch über ethische Implikationen der neuen Technologie sprechen - aber entscheidend sei, dass die Buchbranche den neuen Technologie-Shift nicht "vermasselt".

"Der Computer verschwindet in den Dingen und ist doch allgegenwärtig." Auf diese Formel brachte der Technikjournalist Ulrich Eberl die Entwicklung. Auf Desktop-Computer, Notebooks, Tablets und Smartphones folgen Wearables und schließlich vernetzte Objekte, in die ein Chip integriert ist. 

Schon heute produzieren intelligente, "smarte" Objekte täglich Datenmengen, die dem Volumen aller gesammelten Daten in den 200 Jahren vor dem Informationszeitalter entsprechen: rund 2 Milliarden Gigabyte. Generiert werden sie von intelligenten Stromzählern, bildgebenden Verfahren in der Medizin, computergestützten Diagnoseverfahren oder durch "Roboter"-Textproduktion.

Treiber der IoT-Entwicklung ist einerseits die Demographie: 2050 werden 9,5 Milliarden Menschen den Erdball bevölkern, die Zahl der Stadtbewohner wird fast so groß sein wie die gesamte Erdpopulation heute. Zudem verlangten immer komplexere Versorgungssysteme eine steigende Vernetzung - in der Energieversorgung werden "smart Netze Erzeugung und Distribution steuern.

Wie integrierte Digitalservices in Kraftfahrzeugen funktionieren, schilderte Kay Herget von Bosch SoftTec in seinem Vortrag. Ziel ist es, alle Navigations- und Assistenzsysteme in einem Dienst zu bündeln. So erhält man künftig beim Autofahren alle nötigen Echtzeitinformationen - etwa den Stau hinter der nächsten Kurve - und kann zugleich per Sprachsteuerung seine Termine und Alltagsgeschäfte organisieren.

Dass Inhalteproduktion nicht mehr in (redaktionelle) Texte münden muss, machte Michael Praetorius (Agentur AKOM 360) in seiner Performance deutlich. Content fließe heute mehr in YouTube, in Chats oder zahlreiche weitere Anwendungen, die mit der klassischen Textproduktion und -veröffentlichung nicht unbedingt etwas zu tun haben müssen. Wichtig sei hier, dass man nicht nur die Kontrolle über den Content hat, sondern vor allem über die Metadaten, die eine kontextualisierte Verwendung von Inhalten erst möglich machen. Was relevant ist oder nicht, entscheidet sich nicht nur nach inhaltlichen Kriterien, so Praetorius. Relevant im Internet sei, was den größten Grad an Vernetzung erreiche.

Im Anschluss an die Key Notes wurden unter dem Stichwort "Short Cuts" Anwendungsbeispiele aus Buchhandel und Verlagen gezeigt. Stephan Erlenkämper (Mayersche) stellte die App der Mayerschen vor, die Bücher anhand von Covern (aus dem eingespielten Katalog) erkennt und dann bibliographische Angaben und Kundenrezensionen anzeigt. 12.000 Nutzer hat die App, die weiter ausgebaut werden soll (mit Direkt-Bezahl-Funktion, Verfügbarkeitsanzeige usw.).

Markus Dömer, Verlagsleiter LeYo! bei Carlsen, präsentierte das Konzept der Hybrid-Bilderbuchreihe LeYo!, die gedruckte Inhalte mit Hot Spots hinterlegt, die via Tablet oder Smartphone angesteuert werden können und dann zum Beispiel einen dreidimensionalen Vogel anzeigen. Das Augmented-Reality-Verfahren soll weiter ausgebaut werden, und auch komplette Seiten sollen via App "verlebendigt" werden.

Für Oetinger stand dann Till Weitendorf auf der Bühne, der gemeinsam mit einem Entwickler Olchis und andere Kinderbuchfiguren in die dritte Dimension brachte.

Um IoT-Anwendungen geht es auch in den Subkonferenzen, zu denen die Peer Groups des AKEP am Nachmittag einladen.

roe