Bye-bye, Plastik

Kommt gar nicht in die Tüte!

4. März 2016
von Christiane Petersen
Ab April sollen die Einzelhändler Geld für die Abgabe von Plastiktüten verlangen. Wie sehen das die Buchhändler – und was tun sie? Hintergründe und Stimmen aus der Branche.

"Nach der Selbstverpflichtung der großen Einzelhandelsfilialis­ten werden auch wir unsere Tüten nun zum Preis von zehn Cent anbieten", erklärt Dorothee Junck, Geschäftsfüh­rerin des Kölner Buchladens Neusser ­Straße – bislang hatte die Buchhandlung aus Wettbewerbsgründen davon Abstand genommen. Mit der Selbstverpflichtung zur kostenpflichtigen Abgabe von Kunststofftüten folgen die Buchhändler einer auch vom Börsenverein begrüßten Initiative des Handelsverbands Deutschland HDE und des Bundesumweltministeriums: Ab 1. April sollen Kunststofftüten nicht mehr gratis angeboten werden. Ziel ist es, bis 2018 80 Prozent aller Plastiktüten im Einzelhandel kostenpflichtig an die Kunden weiterzugeben und mit dieser Maßnahme eine gesetzliche Regelung zu vermeiden. Händler wie Tchibo, Kik, C & A, Karstadt, Media-Saturn und dm hätten, so heißt es, ihre Teilnahme an der Initiative bereits zugesagt.
Die Selbstverpflichtung ist im Gespräch, seitdem das EU-Parlament 2015 einem entsprechenden Gesetzentwurf zugestimmt hatte. Vorgesehen ist, dass jeder Bürger bis 2019 durchschnittlich weniger als 90 Tüten, bis 2025 weniger als 40 Tüten im Jahr verbrauchen darf. Hierzulande werden derzeit jährlich 71 Plastiktüten pro Kopf ausgegeben, was in summa 68 000 Tonnen Kunststoff bedeutet; damit liegt Deutschland weit unter dem europäischen Durchschnitt (198 Tüten). Der HDE-­Vorstoß soll Wirkung zeigen – seit in ­Irland etwa die Tüte 44 Cent kostet, werden dort nur 18 Tüten pro Kopf verbraucht.

Und der Versandhandel? 
"Unsere Kunden sind ohnehin sensibilisiert, viele bringen ihre eigenen Stoffbeutel mit", bestätigt Junck die positiven Zahlen. Für den Übergang biete die Buchhandlung gebrauchte Tüten an, die von Kunden gebracht worden seien. "Was mich stört, ist, dass Onlinehändler ihre Produkte oft mehrfach in Plastik verpacken, dafür aber nichts in Rechnung stellen", ergänzt Junck. Darauf müsse die Politik ebenfalls noch reagieren.
Das sieht Jan Orthey, Inhaber von Lünebuch in Lüneburg, ähnlich: "Wir stehen in hartem Wettbewerb mit den Onlinehändlern, die mit dem Versenden der Ware für eine deutlich schlechtere Umweltbilanz sorgen und dem Kunden für ihre Plastikverpackungen trotzdem nichts in Rechnung stellen." Der Sortimenter sieht die Gefahr, dass von kostenpflichtigen Tüten im Einzelhandel das Signal ausgehe: "Seien Sie nicht so dumm, im stationären Handel zu kaufen." In seiner Buchhandlung wurde der Verbrauch an Plastiktüten dadurch halbiert, dass man den Kunden die Entscheidung für oder gegen eine Plastiktüte bewusst treffen lasse. "Anstatt das Buch ungefragt in eine Tüte zu legen, fragen wir: Brauchen Sie eine Tüte oder geht es auch so?", erläutert Orthey. Darüber hinaus bietet die Buchhandlung ihren Kunden eine Stoff­tasche für 1,50 Euro an: Bei diesem "Kulturbeutel" gehen 50 Cent an eine Kultureinrichtung in Lüneburg.
Diplomatisch geht die Buchhandlung Niehörster in Dortmund vor: Sie bittet die Kunden, für die Plastiktüte zehn Cent zu spenden. "Die meisten finden das ganz toll und spenden in der Regel mehr", so die Erfahrung, mit der die Buchhandlung auf der Homepage zur Nachahmung auffordert.

Das schlechte Gewissen 
Wie viel die Plastiktüte kostet – das sollen die Unternehmen laut HDE-Initiative individuell festlegen. Thalia etwa hat sich bisher noch nicht für oder gegen die Teilnahme an der Aktion entschieden. "Eine Kostenpflicht für Plas­tiktüten ist bei Thalia derzeit in Prüfung", erklärt Sprecherin Julia Hattrup. Momentan seien Plastiktüten kostenlos. "Jedoch fragen wir unsere Kunden an der Kasse aktiv, ob eine Plastiktüte benötigt wird, um nur bei Bedarf Tüten auszugeben." Als Alternative habe die Kette seit Längerem einen wie­derverwertbaren Stoffbeutel für eine Schutzgebühr von zwei Euro im Angebot, die bei einer Rückgabe erstattet werden. Hugendubel schließt sich der Selbstverpflichtung an: "Aktuell sind wir dabei, konkrete Schritte zu planen", so eine Sprecherin.
Der Selbstverpflichtungsvereinbarung stehen Sortimenter durchaus skeptisch gegenüber. "Meine Sorge ist, dass die Plastiktüte wegen der freiwilligen Abgabe durch die Hintertür wieder eine höhere Akzeptanz bekommt: Der Verbraucher kann sich ja von seinem schlechten Gewissen freikaufen", begründet etwa Claudia Kleene von der Bücherinsel Dieburg ihre Vorbehalte. Besser sei es, Plas­tiktüten gänzlich zu verbieten. "Wir haben überhaupt keine Plastiktüten mehr, außer große Kalendertüten – und brauchen sie auch nicht", so Kleene. Noch entschiedener zeigt sich die Buchhandlung Keuck in Geldern: Plastiktüten gibt es dort gar nicht mehr, nur noch Tragetaschen aus Papier, CO₂-neutral hergestellt. Die kleine Version kostet 20 Cent, die große 40 Cent.

Große sind dabei 
Kyra Dreher, Geschäftsführerin des Sortimenter-Ausschusses im Börsenverein, wirbt eindringlich für die Teilnahme an der Selbstverpflichtungslösung. "Es ist enorm wichtig, dass die Filialisten mitmachen, um rasch das erforderliche Volumen zusammenzubekommen", betont sie: "Nur so kann die Branche das nötige Signal in Richtung Umweltministerium senden." Decius, Lehmanns, Osiander, Pustet und Rupprecht haben bereits ihre Teilnahme zugesagt, Hugendubel und die Mayersche prüfen derzeit die Umsetzung. Dreher begrüßt die Initiative nicht zuletzt deshalb, weil sie den Händlern "Spielraum lässt, sich in dieser Frage selbst zu positionieren".
Fest steht, dass mit der Initiative von HDE und Bundesumweltministerium bereits jetzt ein wichtiger Schritt getan ist: Über den Einsatz von Plastiktüten wird intensiv diskutiert. Das ist wichtig, denn benutzt wird eine Plastiktüte wenige Minuten. Ihr Abbau dauert rund 450 Jahre.

Stimmen aus dem Buchhandel

Ingrid Röder, Buchhandlung Rote Zora, Merzig:
"Die EU-Richtlinie zur Plastiktüte erleichtert uns die Argumentation gegenüber dem Kunden. Ziel ist aber, überhaupt keine Plastiktüten zu verwenden. Mit unserer Plastiktüten-Sparaktion haben wir im letzten Jahr 15 000 Plastiktüten weniger verbraucht – bei jedem Kunden, der verzichtete, haben wir zehn Cent gespendet. Die Idee hat der Verein für Handel und Gewerbe für die gesamte Stadt übernommen."

Ute Gartmann, Die Schatulle, Osterholz-Scharmbeck:
"Seit mehr als zwei Jahren bieten wir keine Plastiktüten mehr an, sondern selbstgenähte Pfandtaschen für fünf Euro. Darüber hinaus haben wir Papiertüten und heben Verpackungspapier auf. Von unseren Kunden gab es nur gutes Feedback, und viele bringen ihre eigenen Einkaufstaschen mit."

Torsten Woywod, Mayersche Buchhandlung:
"Wir begrüßen sehr, dass der Handel nun in der Breite aktiv wird und beteiligen uns selbstverständlich an der Initiative. Geplant ist, dass wir 20 Cent für die Einweg-Plastiktasche nehmen, der Betrag ist aber noch nicht endgültig verabschiedet. Wir hoffen auf Verständnis bei den Kunden; bislang sind unsere Erfahrungen in diesem Bereich jedenfalls durchweg positiv."

Juliane Bleis, Die Eule – Knabes Verlagsbuchhandlung, Weimar:
"Plastiktüten geben wir eigentlich nur 'im Notfall' heraus, unsere Kunden nutzen lieber Papiertüten. Wir überlegen, als ökologisch sinnvollere Alternative Pfandbeutel anzubieten."

Julia Claren, Dussmann das Kulturkaufhaus, Berlin:
"Derzeit bieten wir noch kostenlos Plastiktüten mit dem 'I'm green'-Label an, ab einem bestimmten Einkaufswert geben wir gratis eine aus recycelten PET-Flaschen produzierte Stofftasche mit. Unser Kassenpersonal fragt bei jedem Kauf, ob eine Tüte gewünscht wird – so konnten wir den Tütenverbrauch 2015 um 500 000 Stück senken."

Den Preis legt jeder Händler selbst fest

Die EU-Plastiktütenrichtlinie vom April 2015 verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihren Pro-Kopf-Verbrauch bis Ende 2019 auf 90 Tüten pro Jahr zu verringern, bis 2025 auf 40 Tüten. Um einer gesetzlichen Regelung zuvorzu­kommen, hat der HDE eine Initiative der freiwilligen Selbstverpflichtung gestartet: Kunden müssen für die Plastiktüten bezahlen. Die Höhe des "angemessenen Entgelts" legt jeder Händler selbst fest – aus kartellrechtlichen Gründen gibt es hier keine Vorgaben.