Der Friedenspreisträger auf der Buchmesse

"Come on, guys": Eine Musikstunde mit Jaron Lanier

3. März 2015
von Börsenblatt
Friedenspreisträger Jaron Lanier hat eine große Sammlung mit alten Musikinstrumenten. Eines davon brachte er heute mit auf die Frankfurter Buchmesse zur Pressekonferenz: Eine Bambusmundorgel aus Laos, die er den Journalisten gleich vorführte. Dass er ausgerechnet dieses Instrument dabei hatte, war natürlich kein Zufall.
Die Mundorgel, auch "Khen" genannt, hat 16 Röhren, die beim Musizieren geöffnet oder verschlossen werden können. "Es ist das erste digitale 16 Bit-System, von dem ich weiß", so Lanier - "ein Grund, warum ich dieses Instrument so liebe". Dass er den Friedenspreis 2014 bekomme, habe ihn "sehr überrascht", gestand Lanier im Blitzlichtgewitter, das er mit einem freundlichen "Come on, guys" zu beenden versuchte. Zu seinen Freunden würden viele Autoren gehören. Sie seien erstaunt und auch etwas neidvoll gewesen, dass jemand, der so technologiegetrieben sei wie er, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekomme.

Letztlich, so Lanier, nehme er den Preis im Namen aller entgegen, die ein humanistisch geprägtes Technologieverständnis hätten. Information sei Macht und Macht in konzentrierter Form sei immer gefährlich - ob im Internet oder anderswo. Die Entwickler, seine "Brüder" im Silicon Valley, seien allesamt "nette Menschen" und damit, im Vergleich zu anderen Machthabern der Geschichte, vermutlich die "angenehmste Elite", die es je gegeben habe, so Lanier. Gleichzeitig würden Daten anderer von den großen Netzkonzernen genutzt, um Vermögen anzuhäufen.

Big Data macht vielleicht reich - aber keineswegs klüger: Auch das betonte der Friedenspreisträger bei seinem Auftritt in Frankfurt. Die Geheimdienste würden Datenmassen auswerten und hätten offenbar trotzdem nicht rechtzeitig erkannt, welche konkrete Gefahr für den Frieden von der Terrororganisation "Islamischer Staat" ausgehe. Ähnliches habe für die Finanzkrise gegolten: "Man sitzt auf Daten, aber wird nicht weiser".

Nach der Pressekonferenz ging das Messeprogramm am Freitag für Lanier am Hoffmann und Campe-Stand weiter, wo er sein Buch "Wem gehört die Zukunft" signierte. Vorher half er Verleger Daniel Kampa noch rasch dabei, den Signiertisch zu reparieren. Und zückte sein Handy, um seiner Frau gleich ein Foto von der Riesenversion seines Buches am Verlagsstand zu schicken.

Lanier kommt aus der Internetkultur, hat zuhause allerdings ein "Haus voller Bücher", wie er bekannte: "Immer wenn bei uns die Erde bebt, fällt alles durcheinander und wir müssen neu sortieren". Liest er E-Books? Die Antwort kommt prompt: "E-Books lesen eher mich, als dass ich sie lese. Solange sich das nicht ändert, nehme ich lieber Papier." Sind Buchmessen Dinosaurier in der digitalen Welt? Auch dazu hat Lanier so seine eigene Meinung: "Dinosaurier haben Millionen von Jahren auf der Erde gelebt - weit länger als bisher der Mensch."

Am Sonntag wird Lanier in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Die Preisverleihung beginnt diesmal schon um 10.45 Uhr statt wie gewohnt um 11 Uhr - und wird live in der ARD übertragen.

Der Börsenverein ehrt mit dem Friedenspreis 2014 einen "Pionier der digitalen Welt, der erkannt hat, welche Risiken diese für die freie Lebensgestaltung eines jeden Menschen birgt." Lanier, 1960 in New York geboren, gehört zu den wichtigsten Konstrukteuren der digitalen Welt. Er gilt als Vater des Begriffs der "Virtuellen Realität" und war als Unternehmer und leitender Forscher an zahlreichen Entwicklungen beteiligt. Seit der Jahrtausendwende setzt er sich verstärkt mit der immer größer werdenden Diskrepanz zwischen Mensch und Maschine, zwischen Wirklichkeit und virtueller Realität auseinander.

Auf deutsch sind von Lanier die beiden Bücher "Gadget. Warum die Zukunft uns noch braucht" (Suhrkamp) und "Wem gehört die Zukunft?" (Hoffmann und Campe) erschienen. Der an verschiedenen Universitäten in den USA lehrende Informatiker hat sich darüber hinaus als Musiker, Komponist und bildender Künstler einen Namen gemacht.