Deutsche Verlage sind erstmals Ehrengäste der Buchmesse in Turin

Die Wunder Italiens

13. Mai 2015
von Börsenblatt
5 Hallen, 1.200 Aussteller, 340.000 Besucher: Morgen öffnet Italiens größte Buchmesse – der Salone Internazionale del Libri Torino. Ehrengast der Buchmesse, die diesmal unter dem Motto „die Wunder Italiens“ steht, ist Deutschland. Eine Premiere.

Auf dem ehemaligen Fiat-Gelände in Turin herrscht Hochbetrieb. Noch sind es vor allem die Aussteller, die hektisch die letzten Vorbereitungen treffen, hoffnungsfroh Regale mit Büchern befüllen, ihre Kataloge stapeln, Stühle und Tische gerade rücken. Doch schon ab morgen früh wird der Geräuschpegel in den fünf Hallen deutlich steigen – dann eröffnet der 28. Salone Internazionale del Libri Torino, die größte, wichtigste und quirligste Buchmesse Italiens. Wie im Vorjahr erwarten die rund 1.200 Aussteller rund 340.000 Besucher. Zum Vergleich: Nach Frankfurt kommen im Schnitt rund 275.000, Leipzig hatte diesmal knapp 190.000 Besucher.  

Benvenuto!  

Mittendrin werden sich in den kommenden fünf Tagen (14. bis 18. Mai) auch zahlreiche deutsche Verlage bewegen. Dabei gilt für sie, die als Ehrengäste anreisen, das Messemotto – „Die Wunder Italiens“ –  wohl sogar in besonderer Weise: „Sie hoffen darauf, dass die deutsch-italienischen Beziehungen auf dem Buchmarkt noch einmal stärken werden“, erklärt Bärbel Becker, die mit ihrem Team von der Frankfurter Buchmesse den Gastlandauftritt steuert. Und das heißt vor allem: Dass das Lizenzgeschäft neuen Schwung bekommt. 2013 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) wurden 328 Titel aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt und 363 deutsche Titel nach Italien verkauft  – aus Sicht der Verlage dürften es gern mehr werden.

5 Tage, 25 Autoren, 43 Verlage

Dass das durchaus klappen könnte, weil sich nicht nur die deutschen Verlage stärker für die Produktion ihrer italienischen Kollegen interessieren, sondern es auch umgekehrt wieder mehr Titel über den Brenner schaffen, zeigt ein Blick auf die Liste der 25 Autoren, die für die Reise zur Turiner Buchmesse von Italien aus angefragt wurden und nun auch mitkommen: Denn dazu gehören längst nicht nur Bestsellerautoren wie Daniel Kehlmann, Lutz Seiler, Frank Schätzing oder Sebastian Fitzek – sondern auch jüngere literarische Stimmen wie Katja Petrowskaja ("Vielleicht Esther", Suhrkamp) und Jennifer Teege („Mein Großvater hätte mich erschossen“, Rowohlt Verlag). 25 Autoren – für Bärbel Becker ist das eine vergleichsweise große Gastlandgruppe. „Unser Gastlandauftritt hat das Interesse an deutschen Autoren ganz sicher beflügelt“, sagt sie. „Er ist für uns alle ein wirklich sehr erfreuliches Projekt.“

Lizenzmanager als Grenzgänger

Insgesamt werden sich in Turin 43 deutsche Verlage mit ihren Programmen vorstellen, darunter Droemer Knaur, Herder, Hanser, Kiepenheuer & Witsch, Random House, Rowohlt, Suhrkamp, Tessloff, Ulmer und Wagenbach. Für die meisten Verlage, etwa Ulmer, bedeutet die Reise nach Turin Business as usual. Andrea Keller, im Verlag für Rechte und Lizenzen zuständig, berichtet, dass sie bereits ein paar wenige Kontakte zu Verlagen in Italien habe, denen man Lizenzen verkaufe – nun aber hoffe sie, auch durch den Ehrengaststatus, ihr Netzwerk auszuweiten. Für sie sei die Buchmesse vor allem eine Akquise-Messe, sagt sie; die Suche nach potentiellen Neukunden stehe auf ihrer Agenda ganz oben.

Für Mairisch-Verleger Peter Reichenbach wird Turin 2015 eine Premiere sein, an die er einige Erwartungen knüpft. „Ich denke, dass gerade in Zeiten, in denen man im eigenen Land an Grenzen stößt, der Blick in ein anderes Land doch erst recht interessant ist, wo sonst sollen neue Impulse herkommen!?“, meint er. „Wir sind also sehr zuversichtlich, dass italienische Verlage einen Blick auf die Bücher am Gemeinschaftsstand werfen werden.“

Damit die italienischen Kollegen anbeißen, und nicht wortlos am Gemeinschaftsstand vorbeizuziehen, hat sich Reichenbach die Entscheidung pro & contra nicht leicht gemacht. Am Ende wählte er drei Bücher aus: „Schlaraffenland“ von Stevan Paul, das Geschichten rund ums Kochen versammelt und zu jeder Erzählung das passende Rezept bereithält; die mit Afkat-Förderpreis ausgezeichnete Graphic Novel „Flash Preußen“ von Tilo Richter und Jan Kottisch, die, ganz in schwarz-weiß gezeichnet, von einem Superhelden in Badehose handelt; und „Blitzbirke“ – der  Debüt-Roman der jungen Autorin Lisa Kreißler, in dem sie, wie Reichenbach schwärmt, „ganz wunderbar vor einem naturromantischen Hintergrund über die fabelhafte Kraft der Gegenwart schreibt.“

Präsidiale Ehren für deutsche Verlage

Um eine Premiere geht es auch für die Frankfurter Buchmesse. Sie wird in Turin nicht nur zum ersten Mal einen deutschen Gastlandauftritt gestalten, sondern ist zum ersten Mal überhaupt dabei – mit einem Gemeinschaftsstand und einem dicken Veranstaltungsprogramm. Am Stand, der morgen im Beisein von Staatspräsident Sergio Mattarella feierlich enthüllt wird, finden die Besucher die obligatorische Buchausstellung mit Titeln der 43 Verlage, die sich beteiligen (Belletristik, Graphic Novels, Sachbuch), es gibt Lesungen, viel Raum für Gespräche, eine Buchhandlung, in der sie die ins Italienische übersetzten Bücher der Autoren sofort kaufen können – und eine Twitter-Wall, deren Zufluss von der Messe kuratiert wird, die Zitate von  Autoren präsentiert und die Reaktionen der Besucher. „Twitter ist in Italien sehr beliebt“, sagt Bärbel Becker.  

Und noch eine Premiere: Ein mobiler Messewegweiser

Gemeinsam mit den Partnern der Auslandsauftritte, dem Auswärtigen Amt und den Goethe Instituten Italiens, ließ die Frankfurter Buchmesse anlässlich des Salone als Ableger der Frankfurt-App zudem einen mobilen Messewegweiser inklusive Autoren-Rallye entwickeln – der demnächst auch bei anderen Messe-Gelegenheiten (angepasst) zum Einsatz kommen soll. Becker: „Unser Gemeinschaftsstand in Turin ist digitaler als alle, die es bisher gab.“