Die Sonntagsfrage

"Wer braucht gedruckte Lautsprecher, Herr Hübler?"

24. März 2016
von Börsenblatt
Das Institut für Print- und Medientechnik der TU Chemnitz bringt Bildbände zum Klingen. Dafür werden die Buchseiten mit unsichtbaren Lautsprechern ausgestattet. Aber warum? Prof. Dr. Arved C. Hübler vom Institut für Print- und Medientechnik erklärt das Prinzip "T-Book".

Lautsprecher werden heute in sehr vielen Anwendungen benötigt, denn nicht nur die Schrift, auch der Ton hat seine eigene Qualität für die menschliche Kommunikation. Das weiß man seit dem Erfolg der Hörbücher auch in der Verlagsbranche. So hört man Buchtexte heute beim Autofahren, auf dem iPAD beim Spazierengehen oder zu Hause aus Boxen. Aber das Hörbuch ist kein wirkliches Buch, es ist die moderne Form einer Lesung, praktisch konserviert. Das klassische, gebundene Buch bleibt da weiter stumm.

Unsere Idee ist hingegen ein echtes gebundenes Buch aus Papier, aber nun mit Ton – das T-Book. Dass ein Stummfilm einen Ton braucht, ist klar. Dass ein Bildband, dessen farbgedruckten Seiten erklingen und bei dem Musik, Gesprochenes oder eine Geräuschkulisse direkt aus dem bedruckten Papier kommen, eine ganz neue Erfahrung ist, zeigt unser T-book eindrucksvoll. Ob ein Textband Ton benötigt, ist jetzt noch nicht abzusehen. Als Forscher entwickeln wir grundsätzlich Neues ohne eine kommerzielle Anwendung im Blick. Hier liegen die Chancen der Kreativen und Produktentwickler. 

Schaut man in die Kommunikationsdimensionen, sieht man, dass das T-book eine interessante Lücke besetzt: Das statische Bild, gedruckt und zelebriert, hat bis heute allen Kinoleinwänden und Tablet-Bildschirmen zum Trotz eine stabile Stellung, man braucht manchmal Zeit, um die Tiefe eines Bildes zu erfassen. Mit Ton kann man dem Bild eine zusätzliche Dimension geben.

Es macht also Sinn, diese Technik weiter zu entwickeln. Beim T-Book werden zwei dünne Papierblätter zusammenlaminiert, nachdem dazwischen ein Lautsprecher gedruckt wurde. Dieser besteht aus mehreren Schichten elektrisch aktiver Materialien, die die zusammenlaminierte Buchseite zum Schwingen bringen, so dass es klingt. Der Lautsprecher liegt innen im Papier unsichtbar verborgen, die beiden Außenseiten werden ganz normal im Offset- oder Digitaldruck farbig bedruckt. Allerdings ist ein Lautsprecher nicht alles: Von den Buchseiten müssen elektrische Verbindungen zu einem Verstärker, der Soundquelle (z.B. eine SD-Karte wie beim Fotoapparat) und zu einer Batterie hergestellt werden. Für die nächste Generation des T-Books haben wir eine Bindung entwickelt, die so dünn und flexibel wie gewohnt ist und trotzdem viele Datenleitungen in die Buchdecke führt. Die Elektronik dort muss dünn werden. Auch da haben wir große Fortschritte gemacht. Mit der nächsten Generation wird sich das T-Book von einem normalen Hardcover nicht mehr unterscheiden, auch eine reguläre Serienproduktion wird dann möglich.

Allerdings werden T-Books wohl zunächst im Hochpreissegment zu finden sein. Aber auch dort gibt es breite Anwendungsideen von Fotobüchern, Bildbänden, Werbebüchern, Jahresberichten und mehr.

Aber neben der Technologie und der faszinierenden Wirkung des Buches finde ich noch eine weitere Erfahrung unseres Projektes sehr bemerkenswert. Denn das erste Mal bei uns hat sich mit der Kreativagentur Serviceplan ein Partner aus der klassischen Medienbranche auf eine grundlegende Technologieentwicklung eingelassen. Es war eine sehr gute Erfahrung. Verlage, Agenturen und Druckereien wollen sonst immer fertige Lösungen, möglichst sofort und ohne Risiko. Doch im Technologiewettbewerb mit anderen Branchen muss auch die graphische Industrie lernen, als Branche und als Einzelunternehmen in zukunftsweisende technologische Entwicklungen zu investieren - mit allen Risiken und Chancen.

Und die Entwicklung steht erst am Anfang. In unserem Labor können wir einen gedruckten Tongenerator, einen gedruckten Verstärker und eine gedruckte Batterie zusammen mit dem Lautsprecher zeigen: Ein flexibles Blatt, welches autonom tönt. In Zukunft können also neben dem Lautsprecher noch ganze andere Funktionen unsichtbar in der Buchseite enthalten sein.