Die Sonntagsfrage

"Wie haben es die Erotikromane aus der Schmuddelecke heraus geschafft, Frau Vazquez?"

15. April 2016
von Börsenblatt
Ab Sommer veröffentlicht Ullstein die in den USA bereits sehr erfolgreiche Sexy-Romance-Reihe "Calendar Girl" von Audrey Carlan. Bekommt "50 Shades" ernsthaft Konkurrenz? Ullstein-Lektorin Marion Vazquez erklärt, wie Sexy Romance funktioniert. 

Das Genre hat sich in der Unterhaltungsliteratur etabliert. Das Bedürfnis nach erotischer Literatur gab es ja schon immer, das ist nicht neu. Neu ist der Umgang damit. Die Leserinnen genieren sich nicht mehr dafür, Sexy-Romance-Titel zu lesen. Ganz im Gegenteil, es sind schöne Bücher, die man sich gerne ins Regal stellt. Wir kennen derartige Geschichten aus dem Kino, denken Sie an „Pretty Woman" oder „Ein unmoralisches Angebot", das waren sehr erfolgreiche, schöne Filme (die Filmrechte an „Calendar Girl" sind im Übrigen bereits verkauft). Vielleicht hat es eine Weile gebraucht, bis der Buchmarkt für diese Titel reif war. E.L. James hat das Genre groß gemacht, Bücher wie die von Geneva Lee oder Anna Todd konnten große Erfolge feiern. Hier ist ein extrem spannendes Buchsegment mit viel Potential entstanden.

Ob "Calendar Girl", "50 Shades" oder "After" - zentrales Element ist die Liebesgeschichte. Doch es ist zunächst keine Beziehung auf Augenhöhe, das wird es erst im Laufe der Bücher. Die junge Protagonistin macht für sie neue Erfahrungen außerhalb ihrer bisherigen Welt. Sie kommt aus einem relativ normalen Umfeld und trifft dann auf einen Milliardär, einen Adligen oder eben – wie bei „Calendar Girl" – auf ganz verschiedene Männer, die alle reich und berühmt sind. Die Protagonistin durchlebt eine Heldenreise, sie ist am Ende eine andere, hat viele Erfahrungen gemacht, auch erotische. Und das Happy End darf nicht fehlen, auch wenn der Weg dorthin häufig steinig ist.

Ein weiteres Merkmal ist das Serielle, das wir bisher hauptsächlich aus dem Krimibereich kennen. So kann die Leserin ihre Identifikationsfigur über längere Zeit begleiten und immer wieder in eine andere Welt eintauchen. Bei den Sexy-Romance-Reihen hat sich eine schnelle Veröffentlichungsfolge der Bände durchgesetzt, wir haben es hier mit Vielleserinnen zu tun.

Das Besondere an „Calendar Girl" ist, dass sich die dichte Buchfolge in der Abfolge von zwölf Monaten wiederspiegelt. Die Handlung dauert ein Jahr, von Januar bis Dezember, und entführt die Protagonistin und die Leserin immer wieder in ein neues Setting. Jeden Monat verbringt sie in einer anderen Stadt, mit einem anderen Mann.

Sexy Romance ist aus dem Buchhandel nicht mehr wegzudenken. Längst haben es die Bücher aus der Schmuddelecke geschafft. Das liegt nicht zuletzt an den Covern, die hochwertig gestaltet und veredelt sind. Obwohl sich die Leserinnen viel online über Blogs oder Community-Plattformen wie vorablesen oder lovelybooks informieren: Gekauft wird nach wie vor stationär. Vergleichbare Reihen werden laut Marktdaten weit über 75 Prozent im Einzel- und Filialbuchhandel gekauft. Damit liegen sie gleichauf mit anderen Genregattungen wie Krimi oder Frauenunterhaltung. Wir stellen häufig fest, dass Kundinnen zweigleisig unterwegs sind. Sie kaufen das Buch sowohl als E-Book als auch im Buchformat. Viele möchten die Reihe vollständig in ihrem Bücherregal stehen haben und erfreuen sich an der schönen Gestaltung.