Die Sonntagsfrage

Wie vertreiben Sie ein Kochbuch für 399 Euro, Frau Waiblinger?

6. November 2011
von Börsenblatt
Der Kölner Bildbandspezialist Taschen bringt Ende November das sechsbändige Mammutwerk „Modernist Cuisine“ heraus. Die akribische Bestandsaufnahme zur modernen Küchentechnik erscheint zeitgleich auf deutsch, französisch und spanisch – mit Plexiglasschuber und spektakulärer Foodfotografie (2.440 Seiten, 3.200 Fotos). Spektakulär ist auch der Preis von 399 Euro. Lässt sich so ein Titel über den Buchhandel verkaufen? Das wollten wir von Verlagssprecherin Christine Waiblinger wissen.

"Der Buchhandel spielt für uns eine ganz zentrale Rolle und nimmt den Titel sagenhaft gut an, wie wir an den Bestellzahlen ablesen können. Thalia, Hugendubel, Dussmann, die Mayersche sind mit im Boot. Darüber hinaus ordern die spezialisierten Kochbuchhandlungen, aber interessanterweise auch die einschlägigen Kunstbuchhändler. Sogar viele kleinere Sortimente bestellen die Bände in der Breite, bis hoch zu 30 oder auch 50 Exemplaren.

Aber natürlich nutzen wir weitere Vertriebskanäle. Denn der Titel muss sich gut verkaufen – wir haben viel investiert, um die englische Originalausgabe zu übersetzen, die Nathan Myhrvold in den USA im Eigenverlag herausgebracht hat. Der Preis klingt zwar gewaltig, aber die Gewinnspanne ist es nicht. Wir sind auf eine hohe Auflage angewiesen, um die Kosten wieder einzuspielen.

Allein die Übersetzung war sehr, sehr aufwendig. Für die fachliche Prüfung haben wir Experten wie den Mainzer Wissenschaftler und Molekular-Fachmann Thomas Vilgis oder Martin Wurzer-Berger vom „Journal Culinaire“ hinzugezogen. Denn neben den Hobbyköchen gehören ganz klar die Profis aus der Gastronomie zu unserer Zielgruppe. Für sie soll das Buch zum Standardwerk mit hohem Nutzwert werden. Deshalb reisen unsere Vertreter und unser Vertriebsleiter durchs Land, um „Modernist Cuisine“ persönlich in den Spitzenrestaurants vorzustellen. Außerdem unterstützen uns zwei Delikatesshändler beim Vertrieb.

Mit hochpreisigen Büchern hat Taschen ja schon viel Erfahrung gesammelt. Die limitierten Fotobücher von bekannten Künstlern wie Ellen von Unwerth oder Bettina Rheims sind sehr erfolgreich und manchmal schon vor dem Erscheinungstermin ausverkauft. Jetzt sind wir gespannt, ob so eine Preispolitik auch mit einem Kochbuch funktioniert.

Der Titel erscheint Ende November, der Start ist vielversprechend. Nach Weihnachten wissen wir mehr.

Im Moment arbeiten wir an einer italienischen Ausgabe. Eine App ist angedacht, aber noch nicht spruchreif. Auf der Buchmesse haben wir ja angekündigt, dass wir uns weitere Kochbücher im Taschen-Programm vorstellen können, auch im Niedrigpreissegment. Diese Pläne haben sich noch nicht konkretisiert – doch wir bekommen seitdem spannende Angebote aus der Fachwelt."