Die Sonntagsfrage

"Das Internet muss weg!? Was wollen Sie den Verlegern damit sagen, Herr Brandes?"

12. Januar 2018
von Börsenblatt
Am 18. Januar trifft sich die IG Belletristik und Sachbuch in München. Die Keynote kommt diesmal von dem Autor und Blogger Christian Brandes, in der Szene bekannt als "Schlecky Silberstein". Sein Thema: "Was ist heute noch Öffentlichkeit? – Das Internet muss weg!" Was so schlecht am Internet ist und welche Rolle Bücher seiner Meinung nach im gesellschaftlichen Diskurs spielen, erklärt er in der Sonntagsfrage.

Ohne das Internet hätte ich sehr wahrscheinlich nichts erreicht, was man Karriere nennen kann. In der alten Unterhaltungswelt musste man sich vor zentralen Personen gut verkaufen können. Kontakte waren damals vielleicht der wichtigste Faktor für Erfolg. Dank des Internets konnte ich ohne größeres Selbstbewusstsein in Ruhe meine Inhalte direkt bei potentiellen Fans anbieten, ohne dass es dafür einen einflussreichen Vermittler benötigte. Kontakte sind immer noch gold wert, aber heute entscheidet über Erfolg eher der Fan und nicht die Telefonnummer eines Türöffners.

Aber: Das Internet hat den Nationalismus zurückgebracht, es sorgt für explodierende Depressions-Raten, es vernichtet bezahlte Arbeitsplätze, es fördert unterschiedlichste Formen von Abhängigkeiten, es verringert unsere Empathiefähigkeit, unsere Kommunikationsfähigkeit und unsere Konzentrationsfähigkeit, aber immerhin ist es ein prima Tool, um als Teil eines anonymen Mobs Dritte von zu Hause aus zu ruinieren.

Ob Verleger dazu beitragen können, einen guten gesellschaftlichen Diskurs zu ermöglichen? Ein Buch beginnt ja mit dem Vertrauen des Verlegers. "Superintelligenz" von Nick Bostrom behandelt die Möglichkeit einer Maschinen-Intelligenz, welche die menschliche Intelligenz um den Faktor 1000 übertreffen kann. Ich musste zwischen den Kapiteln joggen gehen, um im Gehirn genug Sauerstoff für die Komplexität des Stoffs zu sammeln. Und immer wieder dachte ich mir: Wer so ein Buch verlegt, der macht es nicht fürs Geld, der macht es aus Überzeugung.

"Bücher sind ein fantastisches Werkzeug, um einen Diskurs anzuschieben"

Wer als Einzelner ohne größeren politischen Einfluss etwas verändern möchte, der findet im Medium Buch ein fantastisches Werkzeug, auch als kleiner Fisch einen Diskurs anzuschieben. Meine Motivation für "Das Internet muss weg" lag nicht darin, ein Buch zu schreiben, ich habe nach einem Weg gesucht, möglichst vielen Menschen, möglichst umfassend zu sagen: Lasst Euch nicht verarschen. Für dieses Ziel bot sich ein Buch einfach am besten an.

Zuletzt habe ich den Thriller  "Das Erwachen" von Andreas Brandhorst gelesen. Die Geschichte dreht sich um ein Szenario, in dem sich alle Mikrochips der Welt zu einem Superhirn zusammenschließen, um mit einem frischgebackenen Bewusstsein die Weltherrschaft zu übernehmen. Der perfekte Einstieg ins Thema Maschinen-Intelligenz. Auf dem Schreibtisch, der bei mir ein Tablet ist, wartet "Life 3.0" von Max Tegmark. Untertitel: Being human in the age of artificial intelligence. Ich bin eher der monothematische Typ.