Digitale Goldgräber

So gelingt im Buchhandel der Netzanschluss

3. Juni 2015
von Börsenblatt
Sie werden langsam, aber stetig mehr: die Buchhändler, die das Netz als ihre erweiterte Ladenfläche betrachten und mit ihren Webshops erfreulich wachsende Umsätze erzielen. Wir haben einige nach ihrem Erfolgsgeheimnis gefragt.

Wir mögen’s mittlerweile digital: Auf diesen Käuferwunsch reagieren immer mehr Buchhändler. Während die Kunden früher staunend auf knarzenden Dielen vor den Regalen standen, wird der neue Lesestoff heute gern bequem vom Sofa aus bestellt. Warum also nicht die Buy-Local-Bewegung nutzen, selbst einen Webshop aufziehen und den Versandhändlern wie Amazon auf selbstbewusste Weise Konkurrenz machen?

Ganzheitliche Lösungen 
Die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH bietet die Möglichkeit, die Verkaufsplattform Buchhandel.de in die eigene Homepage einzubinden, und auch die Barsortimente Libri, Umbreit und KNV haben sich schon längst auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingestellt und offerieren ganzheitliche E-Commerce-Lösungen. Homepage und Shop lassen sich dadurch bereits mit wenigen Mausklicks erstellen. Die sogenannten White-­Label-Shops gewähren ihren Nutzern allerdings nur begrenzte gestalterische Freiheit. Wer auf Individualität setzt und sich auch online von der Konkurrenz abheben will, muss schon tiefer in die Tasche greifen.

Der Dienstleister SoftLevel Communication GmbH versucht mit dem Angebot Buchhandelsweb.de, im Digitalen eine Brücke zwischen individuellen Lösungen und Finanzierbarkeit zu bauen. »Unser Angebot wird sehr gut angenommen. Mittlerweile betreut Buchhandelsweb.de bundesweit bereits 60 Kunden«, so Geschäftsführer Alexander Walther, Buchhändler mit 25-jähriger Berufs­erfahrung. Die Einrichtungsgebühren für eine Website liegen bei dem Anbieter zwischen 249 und 440 Euro. Zuzüglich müsse man mit monatlichen ­Kosten von mindestens 20 Euro rechnen, so Walther. Der Preis orientiere sich ganz am Kundenanspruch. Das responsive Design sei allerdings künftig nicht optio­nal, sondern Standard, betont Walther. 

Das Buchhändler-Ehepaar Jochen Grieving und Birgit Lange-Grieving, Inhaber der Stadtteil-Buchhandlung Transfer in Dortmund, nutzt das Angebot der Soft­Level Communication GmbH. »Wir haben stark auf die Details unserer Darstellung geachtet und uns zuvor ein Konzept erarbeitet, das sich im Laden und auf der Homepage wiederfindet«, so Grieving. »Gleichzeitig legen wir großen Wert auf die technische Umsetzung des Shops. Auf unserer Seite wird der E-Commerce direkt ins Content-Management-System eingebunden. Man spricht hier von einem sogenannten integrierten E-Commerce.« Der User kann auf der Seite einen Artikel wie zum Beispiel eine Rezension oder einen Veranstaltungsbericht lesen und den zum Artikel gehörigen Titel gleichzeitig über einen kleinen Link direkt in den Warenkorb legen, ohne dass sich eine weitere Seite öffnet. Erst wenn sich der Kunde bewusst entschließt, den Einkauf zu beenden, ruft er aktiv den Warenkorb auf.

Mit Service punkten  
Häufig vergleichen sich die Seiten- und Shopbetreiber mit Giganten wie Amazon. Doch warum sich über die perfekten Algorithmen des Versandriesen ärgern? Schließlich kann man auch die Vorzüge seines eigenen Shops betonen. Guter Service, Kundennähe und individuelle Empfehlungen sind die wichtigsten Gründe für Buchkäufer, einen Laden aufzusuchen – oder eben eine Homepage mit Webshop. 

Dorothee Junck, Inhaberin des Buchladens Neusser Straße in Köln-Nippes, hat sich bei der Erstellung ihrer Homepage bewusst gegen die Nutzung eines White-Label-Shops entschieden, um sich auch online von ihren Mitbewerbern am Markt abzuheben. Wer nach Feierabend bei ihr bestellen möchte, tut dies mithilfe eines eingebauten Bestellformulars – ohne hinterlegten Katalog eines Barsortiments. »Kunden erwarten beim Besuch unserer Homepage keinen Katalog, und ich glaube nicht, dass wir mit einem üblichen Shop mehr Umsatz generieren würden«, so die Buchhändlerin. Grund zur Klage hat sie tatsächlich nicht. Mittlerweile macht sie online ca. zehn Prozent des Gesamtumsatzes.

Für viele Buchhändler klingen diese Summen noch utopisch, doch Junck hat einen Weg gefunden, um sich im Netz zu behaupten: Sie verknüpft individuellen Service, Abwechslung auf ihrer Homepage und die große Reichweite der sozialen Medien miteinander. Dementsprechend aktiv ist die Kölnerin in den Online-Netzwerken. Den genauen Zeitaufwand kann sie nicht beziffern, schließlich gingen die Posts immer leicht von der Hand. Ihr Geheimnis liegt im Umgang mit Kunden im Netz: »Wir behandeln Facebook wie einen Lieblingskunden, dem wir etwas erzählen.« Folglich interagieren die Kunden auch dort mit der Buchhändlerin, geben Bestellungen schon mal via Nachricht in Facebook oder Tweet auf Twitter durch. Die bestellten Titel werden anschließend entweder geliefert oder können an sechs verschiedenen Orten des Viertels, darunter zum Beispiel ein Kiosk, abgeholt werden.  

Die Ursprungsidee zur Fanpage auf Facebook stammte übrigens nicht von der Inhaberin selbst, sondern von Mitarbeiter Markus Felsmann, damals noch Azubi in der Buchhandlung. Mittlerweile hat er ausgelernt und ist bei Dorothee Junck als fester Mitarbeiter eingestellt. Er hilft ihr beim Bespielen der Kanäle sowie bei der Pflege der Homepage. Alle Mitarbeiter können mit dem Content-Management-System umgehen und somit jederzeit Änderungen an den Inhalten vornehmen. Insgesamt investiert die Buchhändlerin wöchentlich lediglich drei Stunden Zeit für die Erstellung des Newsletters, Buchtipps und Ähnliches, weitere Kosten fallen nicht an.

Digitale Kundennähe 
Auch die Kunden von Christiane Hoffmeister, Inhaberin des Bücherecks Niendorf Nord in Hamburg, sind beim Bestellvorgang nicht mehr auf die Präsenz des Webshops ­angewiesen, sondern können bei der Buchhändlerin über soziale Netzwerke ihre Wunschtitel ordern. Neben der Verlinkung zum Shop auf der Facebook-Fanpage klappt das über Twitter besonders unkompliziert. Somit sichert sich die Buchhändlerin, die ihren Laden bereits seit 26 Jahren führt, auch die digitale Kundschaft und verhindert eine Abwanderung zu großen Buchhandelsketten und Versandriesen. Gleichzeitig sorgt sie wie ihre bereits genannten Kollegen für Spannung und Unterhaltung auf der Homepage. 

Neben der obligatorischen persönlichen Begrüßung, gut sichtbaren Kontaktdaten und Öffnungszeiten sowie der Vorstellung der Buchhandlung, findet der Besucher zahlreiche Empfehlungen. Seit Neuestem besteht eine Zusammenarbeit mit der Bloggerin Mi­riam Semrau alias Krimimimi, die ihre Buchtipps nicht nur beim HR vorstellt, sondern jetzt eben auch auf der Seite des Bücherecks Niendorf Nord. Die Kooperation mache sich bemerkbar, die Nachfrage nach den empfohlenen Büchern steige stetig, so Hoffmeister. Oberstes Gebot ist dabei die Verfügbarkeit der Titel im Laden. Wer digital einen Titel empfiehlt, muss dafür sorgen, dass er auch stationär vorhanden ist.

Gemeinsam stark  
Thomas Calliebe (Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau) und Hauke Harder (Buchhandlung Almut Schmidt in Kiel) arbeiten ebenfalls intensiv mit Hobbyrezensenten zusammen. Sie bieten ausgewählten Bloggern die Möglichkeit, bei der Schaufenstergestaltung persönliche Buchtipps und den eigenen Blog zu bewerben. Im Gegenzug verbreiten die Blogger ihre Freude im Netz und sorgen somit für guten Traffic auf den Webseiten der Buchhändler oder für steigende Fanzahlen in den sozialen Netzwerken. Während Calliebe sich auf seiner Homepage zur Verlinkung eines ausgewählten Partnerblogs entschieden hat, betreibt Hauke Harder einen eigenen, überregional bekannten Blog. 

Bei aller Verschiedenheit der Herangehensweisen haben die Buchhändler doch das gleiche Ziel: Sie wollen individuell für ihre lokalen Kunden erreichbar sein – und nicht die digitale Weltherrschaft übernehmen.

Tipps und Tricks

  • Die Bewertung der Seite erfolgt aus Nutzersicht: Sind alle wichtigen Informa­tionen gut sichtbar, aktuell und abwechslungsreich? 
  • Die Pflege der Website (zum Beispiel bei der Erstellung von Blogposts) erfordert wöchentlich ein festes Zeitbudget.
  • Der Wiedererkennungswert der Buchhandlung findet auf der Website durch äußerliche Anpassungen wie Logo, Fotos und Farbgestaltung statt. Dort lassen sich außerdem Vorzüge wie Kundennähe und Flexibilität präsentieren. 
  • Animierte oder blinkende Bilder auf einer Homepage oder Hintergrundmusik sind ein absolutes No-Go. Sie wissen nie, in welcher Kulisse Ihre Kunden bei Ihnen bestellen möchten. 
  • Die Onlinemarketing-Regel »Content Is King« gilt immer. Digitale Geschichten­erzähler lassen ihre Leser am Verkaufsalltag teilhaben oder wecken mit persönlichen Buchempfehlungen die Lust auf neue Titel. Prominent im Laden platziert werden sie leicht zum Verkaufshit. Ein Vorrat der empfohlenen Titel versteht sich von selbst. 
  • Kunden lieben das Gespräch in der Buchhandlung. Das lässt sich leicht digital fortsetzen. Ein kleiner Beitrag in sozialen Netzwerken geht nebenher von der Hand und bedarf selten großer Vorbereitung.
  • Das Betreiben mehrerer Netzwerke sichert die Reichweite. Trotzdem sollten nur die bespielt werden, auf denen man sich wohlfühlt.
  • Neue Apps wie Periscope ermöglichen das Streamen von Inhalten in soziale Netzwerke. Follower in sozialen Netzwerken können somit unmittelbar an der Veranstaltung teilhaben. Wahrscheinlich sitzen die Zuschauer beim nächsten Mal bereits persönlich im Publikum